Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1775.Julius.Auch waren wir ebenfalls glücklich genug gewesen, nicht mehr als vier Mann zu verlieren, davon drey zufälliger Weise ums Leben gekommen, und der vier- te an einer Krankheit gestorben war, die ihn vermuthlich, wäre er in England geblieben, weit eher ins Grab gebracht hätte. *) Der Hauptendzweck unsrer Reise war erfüllt; wir hatten nehmlich ent- *) Zufolge den europäischen Verzeichnissen der Todes-Fälle, ist ausgemacht, daß unter
hundert Männern wenigstens drey jährlich sterben. Es kann sich daher ganz wohl zutragen, daß bey der größten Behutsamkeit und Vorsicht, künftig kein anderes Schif so leicht wieder mit einem so geringen Verlust abkommen wird; und man würde zu viel behaupten, wenn man sagen wollte, daß prophylactische Lebens-Mittel, und antiscor- butische Arzeneien, immer eben dieselbe gute Würkung haben müßten. Forſter’s Reiſe um die Welt 1775.Julius.Auch waren wir ebenfalls gluͤcklich genug geweſen, nicht mehr als vier Mann zu verlieren, davon drey zufaͤlliger Weiſe ums Leben gekommen, und der vier- te an einer Krankheit geſtorben war, die ihn vermuthlich, waͤre er in England geblieben, weit eher ins Grab gebracht haͤtte. *) Der Hauptendzweck unſrer Reiſe war erfuͤllt; wir hatten nehmlich ent- *) Zufolge den europaͤiſchen Verzeichniſſen der Todes-Faͤlle, iſt ausgemacht, daß unter
hundert Maͤnnern wenigſtens drey jaͤhrlich ſterben. Es kann ſich daher ganz wohl zutragen, daß bey der groͤßten Behutſamkeit und Vorſicht, kuͤnftig kein anderes Schif ſo leicht wieder mit einem ſo geringen Verluſt abkommen wird; und man wuͤrde zu viel behaupten, wenn man ſagen wollte, daß prophylactiſche Lebens-Mittel, und antiſcor- butiſche Arzeneien, immer eben dieſelbe gute Wuͤrkung haben muͤßten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0484" n="466"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1775.<lb/> Julius.</note>Auch waren wir ebenfalls gluͤcklich genug geweſen, nicht mehr als vier Mann<lb/> zu verlieren, davon drey zufaͤlliger Weiſe ums Leben gekommen, und der vier-<lb/> te an einer Krankheit geſtorben war, die ihn vermuthlich, waͤre er in <placeName>England</placeName><lb/> geblieben, weit eher ins Grab gebracht haͤtte. <note place="foot" n="*)">Zufolge den europaͤiſchen Verzeichniſſen der Todes-Faͤlle, iſt ausgemacht, daß unter<lb/> hundert Maͤnnern wenigſtens drey jaͤhrlich ſterben. Es kann ſich daher ganz wohl<lb/> zutragen, daß bey der groͤßten Behutſamkeit und Vorſicht, kuͤnftig kein anderes Schif ſo<lb/> leicht wieder mit einem ſo geringen Verluſt abkommen wird; und man wuͤrde zu viel<lb/> behaupten, wenn man ſagen wollte, daß prophylactiſche Lebens-Mittel, und antiſcor-<lb/> butiſche Arzeneien, immer eben dieſelbe gute Wuͤrkung haben muͤßten.</note></p><lb/> <p>Der Hauptendzweck unſrer Reiſe war erfuͤllt; wir hatten nehmlich ent-<lb/> ſchieden, daß kein veſtes Land in der ſuͤdlichen Halbkugel, innerhalb des ge-<lb/> maͤßigten Erdguͤrtels liege. Wir hatten ſogar das Eis-Meer jenſeit des An-<lb/> tarctiſchen Zirkels durchſucht, ohne ſo betraͤchtliche Laͤnder anzutreffen, als man<lb/> daſelbſt vermuthet hatte. Zu gleicher Zeit hatten wir die fuͤr die Wiſſenſchaft<lb/> wichtige Entdeckung gemacht, daß die Natur mitten im großen Welt-Meere,<lb/> Eisſchollen bildet, die keine Salztheilchen enthalten, ſondern alle Eigenſchaf-<lb/> ten des reinen und geſunden Waſſers haben. In andern Jahrszeiten hatten<lb/> wir das <placeName>Stille-Meer</placeName> innerhalb der Wende-Zirkel befahren; und daſelbſt den<lb/> Erdbeſchreibern neue Inſeln, den Naturkundigern neue Pflanzen und Voͤgel,<lb/> und den Menſchenfreunden insbeſondere, verſchiedene noch unbekannte Abaͤn-<lb/> derungen der menſchlichen Natur aufgeſucht. In einem Winkel der Erde hat-<lb/> ten wir, nicht ohne Mitleid, die armſeeligen Wilden von <hi rendition="#fr"><placeName>Tierra del Fuego</placeName></hi><lb/> geſehn; halb verhungert, betaͤubt und gedankenlos, unfaͤhig ſich gegen die<lb/> Rauhigkeit der Witterung zu ſchuͤtzen, und zur niedrigſten Stufe der menſch-<lb/> lichen Natur bis an die Graͤnzen der unvernuͤnftigen Thiere herabgewuͤrdigt.<lb/> In einer andern Gegend hatten wir die gluͤcklichern Voͤlkerſchaften der <placeName>Socie-<lb/> taͤts-Inſeln</placeName> bemerkt; ſchoͤn von Geſtalt und in einem vortreflichen Clima le-<lb/> bend, welches alle ihre Wuͤnſche und Beduͤrfniſſe befriedigt. Ihnen waren<lb/> ſchon die Vortheile des geſelligen Lebens bekannt; bey ihnen fanden wir Men-<lb/> ſchen-Liebe und Freundſchaft; ihnen war es aber auch zur Gewohnheit gewor-<lb/> den, der Sinnlichkeit bis zur Ausſchweifung Raum zu geben. Durch die Be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [466/0484]
Forſter’s Reiſe um die Welt
Auch waren wir ebenfalls gluͤcklich genug geweſen, nicht mehr als vier Mann
zu verlieren, davon drey zufaͤlliger Weiſe ums Leben gekommen, und der vier-
te an einer Krankheit geſtorben war, die ihn vermuthlich, waͤre er in England
geblieben, weit eher ins Grab gebracht haͤtte. *)
1775.
Julius.
Der Hauptendzweck unſrer Reiſe war erfuͤllt; wir hatten nehmlich ent-
ſchieden, daß kein veſtes Land in der ſuͤdlichen Halbkugel, innerhalb des ge-
maͤßigten Erdguͤrtels liege. Wir hatten ſogar das Eis-Meer jenſeit des An-
tarctiſchen Zirkels durchſucht, ohne ſo betraͤchtliche Laͤnder anzutreffen, als man
daſelbſt vermuthet hatte. Zu gleicher Zeit hatten wir die fuͤr die Wiſſenſchaft
wichtige Entdeckung gemacht, daß die Natur mitten im großen Welt-Meere,
Eisſchollen bildet, die keine Salztheilchen enthalten, ſondern alle Eigenſchaf-
ten des reinen und geſunden Waſſers haben. In andern Jahrszeiten hatten
wir das Stille-Meer innerhalb der Wende-Zirkel befahren; und daſelbſt den
Erdbeſchreibern neue Inſeln, den Naturkundigern neue Pflanzen und Voͤgel,
und den Menſchenfreunden insbeſondere, verſchiedene noch unbekannte Abaͤn-
derungen der menſchlichen Natur aufgeſucht. In einem Winkel der Erde hat-
ten wir, nicht ohne Mitleid, die armſeeligen Wilden von Tierra del Fuego
geſehn; halb verhungert, betaͤubt und gedankenlos, unfaͤhig ſich gegen die
Rauhigkeit der Witterung zu ſchuͤtzen, und zur niedrigſten Stufe der menſch-
lichen Natur bis an die Graͤnzen der unvernuͤnftigen Thiere herabgewuͤrdigt.
In einer andern Gegend hatten wir die gluͤcklichern Voͤlkerſchaften der Socie-
taͤts-Inſeln bemerkt; ſchoͤn von Geſtalt und in einem vortreflichen Clima le-
bend, welches alle ihre Wuͤnſche und Beduͤrfniſſe befriedigt. Ihnen waren
ſchon die Vortheile des geſelligen Lebens bekannt; bey ihnen fanden wir Men-
ſchen-Liebe und Freundſchaft; ihnen war es aber auch zur Gewohnheit gewor-
den, der Sinnlichkeit bis zur Ausſchweifung Raum zu geben. Durch die Be-
*) Zufolge den europaͤiſchen Verzeichniſſen der Todes-Faͤlle, iſt ausgemacht, daß unter
hundert Maͤnnern wenigſtens drey jaͤhrlich ſterben. Es kann ſich daher ganz wohl
zutragen, daß bey der groͤßten Behutſamkeit und Vorſicht, kuͤnftig kein anderes Schif ſo
leicht wieder mit einem ſo geringen Verluſt abkommen wird; und man wuͤrde zu viel
behaupten, wenn man ſagen wollte, daß prophylactiſche Lebens-Mittel, und antiſcor-
butiſche Arzeneien, immer eben dieſelbe gute Wuͤrkung haben muͤßten.
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