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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
len in andern Ländern vorwirft, scheint hier bey dem beständigen Umgange und1775.
Julius.

Handel mit Nord-Amerika sehr abgenommen zu haben. Wenn die Hostie vor-
übergeht, wird niemand beleidigt, der sie nicht anbetet; und Fremde insbeson-
dere können sich in diesem Betracht einer bescheidenen Behandlung rühmen, die
man in der höflichen, aber sklavischen Hauptstadt Frankreichs vergeblich er-
wartet.

Am folgenden Morgen spatzierten wir auf die nordwärts von der Stadt
liegenden Berge, die reich an schönen Prospekten sind. Die Wege waren an
beyden Seiten mit hohen schattigten Bäumen besetzt, und mit Kornfeldern, Obst
und Küchengärten umgeben. Wir konnten die ganze Ebene, mit dem Dorf
Nossa Senhora de la Luz, und jenseits desselben, eine Reihe von Bergen
übersehen, die den höchsten Theil der Insel ausmachen. Daselbst ist ein tiefes
zirkelförmiges Thal nach Aussage der Einwohner oben auf einem Berge befind-
lich, ohngefähr neun Englische Meilen von der Stadt. Diese Hölung hat über
zwo große Seemeilen im Umkreise, und an allen Seiten einen sanften Abhang,
der mit schönem Grase bekleidet ist. Die Einwohner lassen daselbst große Heer-
den Schaafe weiden, die fast ganz wild geworden sind. Kaninchen und Wach-
teln sind dort auch häufig. In der Mitte steht ein See von frischem Wasser,
worauf sich unzählige wilde Enten aufhalten. Das Wasser ist nirgends über
vier bis fünf Fuß tief. Diese Höhlung, die wegen ihrer Figur, la Caldeira,
der Kessel, genannt wird, scheint der Crater eines ehmaligen Volkans zu seyn,
welches um so mehr wahrscheinlich ist, weil in den Azorischen Inseln bekannter-
maaßen verschiedne Volkane existirt haben. Der sonderbare Berg, der sich
1638 unweit der Insel San Miguiel aus der See emporhob und eine neue In-
sel formirte, ward unstreitig durch die Würkung eines sehr mächtigen Volkans
zum Vorschein gebracht; und ob er gleich bald nachher wieder verschwand, so ist
doch seine kurze Erscheinung hinlänglich den Satz umzustoßen, daß nur die höch-
sten Picks innerliche Feuer haben können. Die Insel die 1720 im November
zwischen Terceira und St. Miguiel gefunden ward, war von eben der Art, und
bestätigte den vorigen Umstand. Von *) der hohen Spitze von Pico steigt

*) Man findet eine Nachricht jenes (ersten) sonderbaren Volkans in den Mem. de l'Acad.
de Paris 1721. p. 26. ib. 1722. p. 12. -- Phil. Trans. abridged. vol. VI. p.
154.

in den Jahren 1772 bis 1775.
len in andern Laͤndern vorwirft, ſcheint hier bey dem beſtaͤndigen Umgange und1775.
Julius.

Handel mit Nord-Amerika ſehr abgenommen zu haben. Wenn die Hoſtie vor-
uͤbergeht, wird niemand beleidigt, der ſie nicht anbetet; und Fremde insbeſon-
dere koͤnnen ſich in dieſem Betracht einer beſcheidenen Behandlung ruͤhmen, die
man in der hoͤflichen, aber ſklaviſchen Hauptſtadt Frankreichs vergeblich er-
wartet.

Am folgenden Morgen ſpatzierten wir auf die nordwaͤrts von der Stadt
liegenden Berge, die reich an ſchoͤnen Proſpekten ſind. Die Wege waren an
beyden Seiten mit hohen ſchattigten Baͤumen beſetzt, und mit Kornfeldern, Obſt
und Kuͤchengaͤrten umgeben. Wir konnten die ganze Ebene, mit dem Dorf
Noſſa Senhora de la Luz, und jenſeits deſſelben, eine Reihe von Bergen
uͤberſehen, die den hoͤchſten Theil der Inſel ausmachen. Daſelbſt iſt ein tiefes
zirkelfoͤrmiges Thal nach Ausſage der Einwohner oben auf einem Berge befind-
lich, ohngefaͤhr neun Engliſche Meilen von der Stadt. Dieſe Hoͤlung hat uͤber
zwo große Seemeilen im Umkreiſe, und an allen Seiten einen ſanften Abhang,
der mit ſchoͤnem Graſe bekleidet iſt. Die Einwohner laſſen daſelbſt große Heer-
den Schaafe weiden, die faſt ganz wild geworden ſind. Kaninchen und Wach-
teln ſind dort auch haͤufig. In der Mitte ſteht ein See von friſchem Waſſer,
worauf ſich unzaͤhlige wilde Enten aufhalten. Das Waſſer iſt nirgends uͤber
vier bis fuͤnf Fuß tief. Dieſe Hoͤhlung, die wegen ihrer Figur, la Caldeira,
der Keſſel, genannt wird, ſcheint der Crater eines ehmaligen Volkans zu ſeyn,
welches um ſo mehr wahrſcheinlich iſt, weil in den Azoriſchen Inſeln bekannter-
maaßen verſchiedne Volkane exiſtirt haben. Der ſonderbare Berg, der ſich
1638 unweit der Inſel San Miguiel aus der See emporhob und eine neue In-
ſel formirte, ward unſtreitig durch die Wuͤrkung eines ſehr maͤchtigen Volkans
zum Vorſchein gebracht; und ob er gleich bald nachher wieder verſchwand, ſo iſt
doch ſeine kurze Erſcheinung hinlaͤnglich den Satz umzuſtoßen, daß nur die hoͤch-
ſten Picks innerliche Feuer haben koͤnnen. Die Inſel die 1720 im November
zwiſchen Terceira und St. Miguiel gefunden ward, war von eben der Art, und
beſtaͤtigte den vorigen Umſtand. Von *) der hohen Spitze von Pico ſteigt

*) Man findet eine Nachricht jenes (erſten) ſonderbaren Volkans in den Mém. de l’Acad.
de Paris 1721. p. 26. ib. 1722. p. 12. — Phil. Tranſ. abridged. vol. VI. p.
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[463/0481] in den Jahren 1772 bis 1775. len in andern Laͤndern vorwirft, ſcheint hier bey dem beſtaͤndigen Umgange und Handel mit Nord-Amerika ſehr abgenommen zu haben. Wenn die Hoſtie vor- uͤbergeht, wird niemand beleidigt, der ſie nicht anbetet; und Fremde insbeſon- dere koͤnnen ſich in dieſem Betracht einer beſcheidenen Behandlung ruͤhmen, die man in der hoͤflichen, aber ſklaviſchen Hauptſtadt Frankreichs vergeblich er- wartet. 1775. Julius. Am folgenden Morgen ſpatzierten wir auf die nordwaͤrts von der Stadt liegenden Berge, die reich an ſchoͤnen Proſpekten ſind. Die Wege waren an beyden Seiten mit hohen ſchattigten Baͤumen beſetzt, und mit Kornfeldern, Obſt und Kuͤchengaͤrten umgeben. Wir konnten die ganze Ebene, mit dem Dorf Noſſa Senhora de la Luz, und jenſeits deſſelben, eine Reihe von Bergen uͤberſehen, die den hoͤchſten Theil der Inſel ausmachen. Daſelbſt iſt ein tiefes zirkelfoͤrmiges Thal nach Ausſage der Einwohner oben auf einem Berge befind- lich, ohngefaͤhr neun Engliſche Meilen von der Stadt. Dieſe Hoͤlung hat uͤber zwo große Seemeilen im Umkreiſe, und an allen Seiten einen ſanften Abhang, der mit ſchoͤnem Graſe bekleidet iſt. Die Einwohner laſſen daſelbſt große Heer- den Schaafe weiden, die faſt ganz wild geworden ſind. Kaninchen und Wach- teln ſind dort auch haͤufig. In der Mitte ſteht ein See von friſchem Waſſer, worauf ſich unzaͤhlige wilde Enten aufhalten. Das Waſſer iſt nirgends uͤber vier bis fuͤnf Fuß tief. Dieſe Hoͤhlung, die wegen ihrer Figur, la Caldeira, der Keſſel, genannt wird, ſcheint der Crater eines ehmaligen Volkans zu ſeyn, welches um ſo mehr wahrſcheinlich iſt, weil in den Azoriſchen Inſeln bekannter- maaßen verſchiedne Volkane exiſtirt haben. Der ſonderbare Berg, der ſich 1638 unweit der Inſel San Miguiel aus der See emporhob und eine neue In- ſel formirte, ward unſtreitig durch die Wuͤrkung eines ſehr maͤchtigen Volkans zum Vorſchein gebracht; und ob er gleich bald nachher wieder verſchwand, ſo iſt doch ſeine kurze Erſcheinung hinlaͤnglich den Satz umzuſtoßen, daß nur die hoͤch- ſten Picks innerliche Feuer haben koͤnnen. Die Inſel die 1720 im November zwiſchen Terceira und St. Miguiel gefunden ward, war von eben der Art, und beſtaͤtigte den vorigen Umſtand. Von *) der hohen Spitze von Pico ſteigt *) Man findet eine Nachricht jenes (erſten) ſonderbaren Volkans in den Mém. de l’Acad. de Paris 1721. p. 26. ib. 1722. p. 12. — Phil. Tranſ. abridged. vol. VI. p. 154.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/481>, abgerufen am 27.11.2024.