Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1775.Julius.ruhig leben können, daher sie sich um das Studiren nicht bekümmern. Wir besuchten hiernächst die beyden Nonnen-Klöster. Eines ist dem H. Johannes gewidmet, und wird von 150 Nonnen vom Orden St. Clara und eben so viel Mägden bewohnt. Sie tragen einen langen Rock von dunkel brauner Serge (Serge) über einen andern von weißem Kattun. Im zweyten Kloster woh- nen achtzig bis neunzig Nonnen, vom Orden der Nossa Senhora de Con- ceicao, mit eben so vielen Aufwärterinnen. Sie tragen weiße Kleider, und auf der Brust ein blaues Stück Seidenzeug mit einem Bilde der heiligen Jung- frau auf einer silbernen Platte. Wir wurden an beyden Orten am Gegit- ter sehr höflich empfangen, allein da keiner des andern Sprache verstand, so mußten wirs dabey bewenden lassen. Ihre Aussprache war sanft, und in ei- nem singenden Ton, den wir anfänglich für geziert hielten, bis wir ihn durch- gängig bey dem ganzen Volke bemerkt hatten. Ihre Bildung war zum Theil sehr angenehm, und ihre Farbe nicht so dunkel, als wir erwartet hatten, doch bey den mehresten blaß und lebloß. Indessen hatte die Religion ihre Herzen nicht so ganz erfüllt, daß nicht noch Funken des physicalischen Feuers übrig geblieben wären. Ihre schönen Augen blieben der Natur noch getreu, und will man nur den hundertsten Theil desjenigen glauben, was in Fayal erzählt wird, so ist nicht zu läugnen, daß der Liebesgott auch in ihren Zellen unum- schränkt regiere. Wir spatzierten bis nach Sonnen-Untergang in der Stadt und auf den *) Der Marquis von Pombal und der Graf d'Oeyras. -- Die Wünsche der ganzen
Portugiesischen Nation sind erfüllt, und Pombal ist gestürzt. Indessen steht noch zu erwarten, was sie dadurch gewinnen werde. Forſter’s Reiſe um die Welt 1775.Julius.ruhig leben koͤnnen, daher ſie ſich um das Studiren nicht bekuͤmmern. Wir beſuchten hiernaͤchſt die beyden Nonnen-Kloͤſter. Eines iſt dem H. Johannes gewidmet, und wird von 150 Nonnen vom Orden St. Clara und eben ſo viel Maͤgden bewohnt. Sie tragen einen langen Rock von dunkel brauner Serge (Serge) uͤber einen andern von weißem Kattun. Im zweyten Kloſter woh- nen achtzig bis neunzig Nonnen, vom Orden der Noſſa Senhora de Con- ceicao, mit eben ſo vielen Aufwaͤrterinnen. Sie tragen weiße Kleider, und auf der Bruſt ein blaues Stuͤck Seidenzeug mit einem Bilde der heiligen Jung- frau auf einer ſilbernen Platte. Wir wurden an beyden Orten am Gegit- ter ſehr hoͤflich empfangen, allein da keiner des andern Sprache verſtand, ſo mußten wirs dabey bewenden laſſen. Ihre Ausſprache war ſanft, und in ei- nem ſingenden Ton, den wir anfaͤnglich fuͤr geziert hielten, bis wir ihn durch- gaͤngig bey dem ganzen Volke bemerkt hatten. Ihre Bildung war zum Theil ſehr angenehm, und ihre Farbe nicht ſo dunkel, als wir erwartet hatten, doch bey den mehreſten blaß und lebloß. Indeſſen hatte die Religion ihre Herzen nicht ſo ganz erfuͤllt, daß nicht noch Funken des phyſicaliſchen Feuers uͤbrig geblieben waͤren. Ihre ſchoͤnen Augen blieben der Natur noch getreu, und will man nur den hundertſten Theil desjenigen glauben, was in Fayal erzaͤhlt wird, ſo iſt nicht zu laͤugnen, daß der Liebesgott auch in ihren Zellen unum- ſchraͤnkt regiere. Wir ſpatzierten bis nach Sonnen-Untergang in der Stadt und auf den *) Der Marquis von Pombal und der Graf d’Oeyras. — Die Wuͤnſche der ganzen
Portugieſiſchen Nation ſind erfuͤllt, und Pombal iſt geſtuͤrzt. Indeſſen ſteht noch zu erwarten, was ſie dadurch gewinnen werde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0470" n="452"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1775.<lb/> Julius.</note>ruhig leben koͤnnen, daher ſie ſich um das Studiren nicht bekuͤmmern. Wir<lb/> beſuchten hiernaͤchſt die beyden Nonnen-Kloͤſter. Eines iſt dem H. Johannes<lb/> gewidmet, und wird von 150 Nonnen vom Orden St. Clara und eben ſo viel<lb/> Maͤgden bewohnt. Sie tragen einen langen Rock von dunkel brauner Serge<lb/> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Serge</hi></hi>) uͤber einen andern von weißem Kattun. Im zweyten Kloſter woh-<lb/> nen achtzig bis neunzig Nonnen, vom Orden der <hi rendition="#aq">Noſſa Senhora de Con-<lb/> ceicao,</hi> mit eben ſo vielen Aufwaͤrterinnen. Sie tragen weiße Kleider, und<lb/> auf der Bruſt ein blaues Stuͤck Seidenzeug mit einem Bilde der heiligen Jung-<lb/> frau <choice><sic>auch</sic><corr>auf</corr></choice> einer ſilbernen Platte. Wir wurden an beyden Orten am Gegit-<lb/> ter ſehr hoͤflich empfangen, allein da keiner des andern Sprache verſtand, ſo<lb/> mußten wirs dabey bewenden laſſen. Ihre Ausſprache war ſanft, und in ei-<lb/> nem ſingenden Ton, den wir anfaͤnglich fuͤr geziert hielten, bis wir ihn durch-<lb/> gaͤngig bey dem ganzen Volke bemerkt hatten. Ihre Bildung war zum Theil<lb/> ſehr angenehm, und ihre Farbe nicht ſo dunkel, als wir erwartet hatten, doch<lb/> bey den mehreſten blaß und lebloß. Indeſſen hatte die Religion ihre Herzen<lb/> nicht ſo ganz erfuͤllt, daß nicht noch Funken des phyſicaliſchen Feuers uͤbrig<lb/> geblieben waͤren. Ihre ſchoͤnen Augen blieben der Natur noch getreu, und<lb/> will man nur den hundertſten Theil desjenigen glauben, was in <hi rendition="#fr"><placeName>Fayal</placeName></hi> erzaͤhlt<lb/> wird, ſo iſt nicht zu laͤugnen, daß der Liebesgott auch in ihren Zellen unum-<lb/> ſchraͤnkt regiere.</p><lb/> <p>Wir ſpatzierten bis nach Sonnen-Untergang in der Stadt und auf den<lb/> umherliegenden Huͤgeln, und kamen endlich nach Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Dents</persName>,</hi> des Conſuls,<lb/> Hauſe zuruͤck. Daſelbſt machten wir Bekanntſchaft mit einem Portngie-<lb/> ſiſchen Prieſter, der etwas beſſer Latein, als die Moͤnche in allen dreyen Kloͤſtern<lb/> ſprach. Er war ein geſcheuter Mann, der viele Kenntniſſe beſaß, und ſich ver-<lb/> mittelſt einer ruͤhmlichen Wißbegierde, uͤber viele gewoͤhnliche Vorurtheile ſeiner<lb/> Landsleute weit hinweg geſetzt hatte. Er zeigte uns ein Spaniſches Litterariſch-<lb/> politiſches Journal, welches jetzt durchgaͤngig in ganz Portugal geleſen wird,<lb/> weil der Premier-Miniſter <note place="foot" n="*)">Der Marquis von <hi rendition="#fr"><placeName>Pombal</placeName></hi> und der Graf <hi rendition="#fr"><persName>d’Oeyras</persName>.</hi> — Die Wuͤnſche der ganzen<lb/> Portugieſiſchen Nation ſind erfuͤllt, und <hi rendition="#fr"><placeName>Pombal</placeName></hi> iſt geſtuͤrzt. Indeſſen ſteht noch zu<lb/> erwarten, was ſie dadurch gewinnen werde.</note> dort alle Arten von Zeitungen oder oͤffentlichen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [452/0470]
Forſter’s Reiſe um die Welt
ruhig leben koͤnnen, daher ſie ſich um das Studiren nicht bekuͤmmern. Wir
beſuchten hiernaͤchſt die beyden Nonnen-Kloͤſter. Eines iſt dem H. Johannes
gewidmet, und wird von 150 Nonnen vom Orden St. Clara und eben ſo viel
Maͤgden bewohnt. Sie tragen einen langen Rock von dunkel brauner Serge
(Serge) uͤber einen andern von weißem Kattun. Im zweyten Kloſter woh-
nen achtzig bis neunzig Nonnen, vom Orden der Noſſa Senhora de Con-
ceicao, mit eben ſo vielen Aufwaͤrterinnen. Sie tragen weiße Kleider, und
auf der Bruſt ein blaues Stuͤck Seidenzeug mit einem Bilde der heiligen Jung-
frau auf einer ſilbernen Platte. Wir wurden an beyden Orten am Gegit-
ter ſehr hoͤflich empfangen, allein da keiner des andern Sprache verſtand, ſo
mußten wirs dabey bewenden laſſen. Ihre Ausſprache war ſanft, und in ei-
nem ſingenden Ton, den wir anfaͤnglich fuͤr geziert hielten, bis wir ihn durch-
gaͤngig bey dem ganzen Volke bemerkt hatten. Ihre Bildung war zum Theil
ſehr angenehm, und ihre Farbe nicht ſo dunkel, als wir erwartet hatten, doch
bey den mehreſten blaß und lebloß. Indeſſen hatte die Religion ihre Herzen
nicht ſo ganz erfuͤllt, daß nicht noch Funken des phyſicaliſchen Feuers uͤbrig
geblieben waͤren. Ihre ſchoͤnen Augen blieben der Natur noch getreu, und
will man nur den hundertſten Theil desjenigen glauben, was in Fayal erzaͤhlt
wird, ſo iſt nicht zu laͤugnen, daß der Liebesgott auch in ihren Zellen unum-
ſchraͤnkt regiere.
1775.
Julius.
Wir ſpatzierten bis nach Sonnen-Untergang in der Stadt und auf den
umherliegenden Huͤgeln, und kamen endlich nach Herrn Dents, des Conſuls,
Hauſe zuruͤck. Daſelbſt machten wir Bekanntſchaft mit einem Portngie-
ſiſchen Prieſter, der etwas beſſer Latein, als die Moͤnche in allen dreyen Kloͤſtern
ſprach. Er war ein geſcheuter Mann, der viele Kenntniſſe beſaß, und ſich ver-
mittelſt einer ruͤhmlichen Wißbegierde, uͤber viele gewoͤhnliche Vorurtheile ſeiner
Landsleute weit hinweg geſetzt hatte. Er zeigte uns ein Spaniſches Litterariſch-
politiſches Journal, welches jetzt durchgaͤngig in ganz Portugal geleſen wird,
weil der Premier-Miniſter *) dort alle Arten von Zeitungen oder oͤffentlichen
*) Der Marquis von Pombal und der Graf d’Oeyras. — Die Wuͤnſche der ganzen
Portugieſiſchen Nation ſind erfuͤllt, und Pombal iſt geſtuͤrzt. Indeſſen ſteht noch zu
erwarten, was ſie dadurch gewinnen werde.
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