Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1775.
May.
besondern Theilen der Insel ihren Grund haben, wie man in der Hawkeswor-
thischen Sammlung hat vorgeben wollen; denn ich habe alle diese Pflanzen dicht
neben einander wachsend gefunden, und überhaupt ist die ganze Insel weder so
groß noch so ungeheuer hoch, daß in solcher eine Verschiedenheit des Clima an-
genommen werden könnte. Der Kohlbaum wächst hier wild und hat ziemlich
große Blätter; auch zeigte sich bey näherer Erkundigung, daß man sich desselben
blos zum Brennen bediene, und daß sich keine Ursach angeben lasse, warum
man ihn eben den Kohlbaum genannt. Er darf keinesweges mit dem Kohlbaum
in Amerika, Indien und der Süd-See verwechselt werden, denn der gehört zum
Palmen-Geschlecht.

Wir wurden einige mahl durch heftige Regengüsse tüchtig durchgenäßt;
in wenig Minuten aber hatte uns die Sonne wieder getrocknet. Unterwegens
fragten wir jeden Sklaven, der uns vorkam, wie er von seinen Herrn gehal-
ten würde; weil wir auszumachen wünschten, ob den gedruckten Nachrichten
von der Grausamkeit der hiesigen Einwohner zu trauen wäre. Im Ganzen ge-
nommen, waren die Antworten der Sklaven für ihre Herren günstig genug und
völlig hinreichend, die hiesigen Europäer von dem Vorwurfe der Grausamkeit
loszusprechen. Einige wenige klagten freylich darüber; daß sie sehr knap gehal-
ten würden; aber das müssen sich, wie mir glaubwürdig versichert worden, ihre
Herren oft selbst gefallen lassen, als welche sich zu gewissen Zeiten mit Pöckelfleisch
behelfen müssen. Die Soldaten sind, wie es scheint, am aller übelsten daran,
denn sie haben Jahr aus Jahr ein nichts als eingesalzene Speisen, welche die
Ostindische Compagnie noch dazu sehr kärglich austheilen läßt. Ihr Sold ist
auch geringe, und muß erst durch verschiedne Hände gehen, ehe er von England
anlangen kann. Daß er dadurch nicht stärker werde, ist leicht zu ermessen.
Die arbeitsamsten haben zuweilen Urlaub, für die Einwohner zu arbeiten und von
den Bergen Holz zur Stadt zu bringen. Wir bemerkten einige Greise, welche
damit beschäftigt waren, und lustig und guter Dinge zu seyn schienen, bis wir
sie offenherzig genug machten, ihr Elend vom Herzen wegzusagen, welches
freilich nicht ohne Bewegung abgieng. Doch waren sie insgesammt einstimmig
in ihrer Liebe für den Gouverneur, der auf der Insel einer allgemeinen Achtung
genießt und auch ihr Wohl sich ernstlich angelegen seyn läßt.


Forſter’s Reiſe um die Welt
1775.
May.
beſondern Theilen der Inſel ihren Grund haben, wie man in der Hawkeswor-
thiſchen Sammlung hat vorgeben wollen; denn ich habe alle dieſe Pflanzen dicht
neben einander wachſend gefunden, und uͤberhaupt iſt die ganze Inſel weder ſo
groß noch ſo ungeheuer hoch, daß in ſolcher eine Verſchiedenheit des Clima an-
genommen werden koͤnnte. Der Kohlbaum waͤchſt hier wild und hat ziemlich
große Blaͤtter; auch zeigte ſich bey naͤherer Erkundigung, daß man ſich deſſelben
blos zum Brennen bediene, und daß ſich keine Urſach angeben laſſe, warum
man ihn eben den Kohlbaum genannt. Er darf keinesweges mit dem Kohlbaum
in Amerika, Indien und der Suͤd-See verwechſelt werden, denn der gehoͤrt zum
Palmen-Geſchlecht.

Wir wurden einige mahl durch heftige Regenguͤſſe tuͤchtig durchgenaͤßt;
in wenig Minuten aber hatte uns die Sonne wieder getrocknet. Unterwegens
fragten wir jeden Sklaven, der uns vorkam, wie er von ſeinen Herrn gehal-
ten wuͤrde; weil wir auszumachen wuͤnſchten, ob den gedruckten Nachrichten
von der Grauſamkeit der hieſigen Einwohner zu trauen waͤre. Im Ganzen ge-
nommen, waren die Antworten der Sklaven fuͤr ihre Herren guͤnſtig genug und
voͤllig hinreichend, die hieſigen Europaͤer von dem Vorwurfe der Grauſamkeit
loszuſprechen. Einige wenige klagten freylich daruͤber; daß ſie ſehr knap gehal-
ten wuͤrden; aber das muͤſſen ſich, wie mir glaubwuͤrdig verſichert worden, ihre
Herren oft ſelbſt gefallen laſſen, als welche ſich zu gewiſſen Zeiten mit Poͤckelfleiſch
behelfen muͤſſen. Die Soldaten ſind, wie es ſcheint, am aller uͤbelſten daran,
denn ſie haben Jahr aus Jahr ein nichts als eingeſalzene Speiſen, welche die
Oſtindiſche Compagnie noch dazu ſehr kaͤrglich austheilen laͤßt. Ihr Sold iſt
auch geringe, und muß erſt durch verſchiedne Haͤnde gehen, ehe er von England
anlangen kann. Daß er dadurch nicht ſtaͤrker werde, iſt leicht zu ermeſſen.
Die arbeitſamſten haben zuweilen Urlaub, fuͤr die Einwohner zu arbeiten und von
den Bergen Holz zur Stadt zu bringen. Wir bemerkten einige Greiſe, welche
damit beſchaͤftigt waren, und luſtig und guter Dinge zu ſeyn ſchienen, bis wir
ſie offenherzig genug machten, ihr Elend vom Herzen wegzuſagen, welches
freilich nicht ohne Bewegung abgieng. Doch waren ſie insgeſammt einſtimmig
in ihrer Liebe fuͤr den Gouverneur, der auf der Inſel einer allgemeinen Achtung
genießt und auch ihr Wohl ſich ernſtlich angelegen ſeyn laͤßt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0456" n="438"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1775.<lb/>
May.</note>be&#x017F;ondern Theilen der In&#x017F;el ihren Grund haben, wie man in der Hawkeswor-<lb/>
thi&#x017F;chen Sammlung hat vorgeben wollen; denn ich habe alle die&#x017F;e Pflanzen dicht<lb/>
neben einander wach&#x017F;end gefunden, und u&#x0364;berhaupt i&#x017F;t die ganze In&#x017F;el weder &#x017F;o<lb/>
groß noch &#x017F;o ungeheuer hoch, daß in &#x017F;olcher eine Ver&#x017F;chiedenheit des Clima an-<lb/>
genommen werden ko&#x0364;nnte. Der Kohlbaum wa&#x0364;ch&#x017F;t hier wild und hat ziemlich<lb/>
große Bla&#x0364;tter; auch zeigte &#x017F;ich bey na&#x0364;herer Erkundigung, daß man &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
blos zum Brennen bediene, und daß &#x017F;ich keine Ur&#x017F;ach angeben la&#x017F;&#x017F;e, warum<lb/>
man ihn eben den Kohlbaum genannt. Er darf keinesweges mit dem Kohlbaum<lb/>
in <placeName>Amerika</placeName>, <placeName>Indien</placeName> und der <placeName>Su&#x0364;d-See</placeName> verwech&#x017F;elt werden, denn der geho&#x0364;rt zum<lb/>
Palmen-Ge&#x017F;chlecht.</p><lb/>
        <p>Wir wurden einige mahl durch heftige Regengu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e tu&#x0364;chtig durchgena&#x0364;ßt;<lb/>
in wenig Minuten aber hatte uns die Sonne wieder getrocknet. Unterwegens<lb/>
fragten wir jeden Sklaven, der uns vorkam, wie er von &#x017F;einen Herrn gehal-<lb/>
ten wu&#x0364;rde; weil wir auszumachen wu&#x0364;n&#x017F;chten, ob den gedruckten Nachrichten<lb/>
von der Grau&#x017F;amkeit der hie&#x017F;igen Einwohner zu trauen wa&#x0364;re. Im Ganzen ge-<lb/>
nommen, waren die Antworten der Sklaven fu&#x0364;r ihre Herren gu&#x0364;n&#x017F;tig genug und<lb/>
vo&#x0364;llig hinreichend, die hie&#x017F;igen Europa&#x0364;er von dem Vorwurfe der Grau&#x017F;amkeit<lb/>
loszu&#x017F;prechen. Einige wenige klagten freylich daru&#x0364;ber; daß &#x017F;ie &#x017F;ehr knap gehal-<lb/>
ten wu&#x0364;rden; aber das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich, wie mir glaubwu&#x0364;rdig ver&#x017F;ichert worden, ihre<lb/>
Herren oft &#x017F;elb&#x017F;t gefallen la&#x017F;&#x017F;en, als welche &#x017F;ich zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten mit Po&#x0364;ckelflei&#x017F;ch<lb/>
behelfen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Die Soldaten &#x017F;ind, wie es &#x017F;cheint, am aller u&#x0364;bel&#x017F;ten daran,<lb/>
denn &#x017F;ie haben Jahr aus Jahr ein nichts als einge&#x017F;alzene Spei&#x017F;en, welche die<lb/>
O&#x017F;tindi&#x017F;che Compagnie noch dazu &#x017F;ehr ka&#x0364;rglich austheilen la&#x0364;ßt. Ihr Sold i&#x017F;t<lb/>
auch geringe, und muß er&#x017F;t durch ver&#x017F;chiedne Ha&#x0364;nde gehen, ehe er von <placeName>England</placeName><lb/>
anlangen kann. Daß er dadurch nicht &#x017F;ta&#x0364;rker werde, i&#x017F;t leicht zu erme&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die arbeit&#x017F;am&#x017F;ten haben zuweilen Urlaub, fu&#x0364;r die Einwohner zu arbeiten und von<lb/>
den Bergen Holz zur Stadt zu bringen. Wir bemerkten einige Grei&#x017F;e, welche<lb/>
damit be&#x017F;cha&#x0364;ftigt waren, und lu&#x017F;tig und guter Dinge zu &#x017F;eyn &#x017F;chienen, bis wir<lb/>
&#x017F;ie offenherzig genug machten, ihr Elend vom Herzen wegzu&#x017F;agen, welches<lb/>
freilich nicht ohne Bewegung abgieng. Doch waren &#x017F;ie insge&#x017F;ammt ein&#x017F;timmig<lb/>
in ihrer Liebe fu&#x0364;r den Gouverneur, der auf der In&#x017F;el einer allgemeinen Achtung<lb/>
genießt und auch ihr Wohl &#x017F;ich ern&#x017F;tlich angelegen &#x017F;eyn la&#x0364;ßt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0456] Forſter’s Reiſe um die Welt beſondern Theilen der Inſel ihren Grund haben, wie man in der Hawkeswor- thiſchen Sammlung hat vorgeben wollen; denn ich habe alle dieſe Pflanzen dicht neben einander wachſend gefunden, und uͤberhaupt iſt die ganze Inſel weder ſo groß noch ſo ungeheuer hoch, daß in ſolcher eine Verſchiedenheit des Clima an- genommen werden koͤnnte. Der Kohlbaum waͤchſt hier wild und hat ziemlich große Blaͤtter; auch zeigte ſich bey naͤherer Erkundigung, daß man ſich deſſelben blos zum Brennen bediene, und daß ſich keine Urſach angeben laſſe, warum man ihn eben den Kohlbaum genannt. Er darf keinesweges mit dem Kohlbaum in Amerika, Indien und der Suͤd-See verwechſelt werden, denn der gehoͤrt zum Palmen-Geſchlecht. 1775. May. Wir wurden einige mahl durch heftige Regenguͤſſe tuͤchtig durchgenaͤßt; in wenig Minuten aber hatte uns die Sonne wieder getrocknet. Unterwegens fragten wir jeden Sklaven, der uns vorkam, wie er von ſeinen Herrn gehal- ten wuͤrde; weil wir auszumachen wuͤnſchten, ob den gedruckten Nachrichten von der Grauſamkeit der hieſigen Einwohner zu trauen waͤre. Im Ganzen ge- nommen, waren die Antworten der Sklaven fuͤr ihre Herren guͤnſtig genug und voͤllig hinreichend, die hieſigen Europaͤer von dem Vorwurfe der Grauſamkeit loszuſprechen. Einige wenige klagten freylich daruͤber; daß ſie ſehr knap gehal- ten wuͤrden; aber das muͤſſen ſich, wie mir glaubwuͤrdig verſichert worden, ihre Herren oft ſelbſt gefallen laſſen, als welche ſich zu gewiſſen Zeiten mit Poͤckelfleiſch behelfen muͤſſen. Die Soldaten ſind, wie es ſcheint, am aller uͤbelſten daran, denn ſie haben Jahr aus Jahr ein nichts als eingeſalzene Speiſen, welche die Oſtindiſche Compagnie noch dazu ſehr kaͤrglich austheilen laͤßt. Ihr Sold iſt auch geringe, und muß erſt durch verſchiedne Haͤnde gehen, ehe er von England anlangen kann. Daß er dadurch nicht ſtaͤrker werde, iſt leicht zu ermeſſen. Die arbeitſamſten haben zuweilen Urlaub, fuͤr die Einwohner zu arbeiten und von den Bergen Holz zur Stadt zu bringen. Wir bemerkten einige Greiſe, welche damit beſchaͤftigt waren, und luſtig und guter Dinge zu ſeyn ſchienen, bis wir ſie offenherzig genug machten, ihr Elend vom Herzen wegzuſagen, welches freilich nicht ohne Bewegung abgieng. Doch waren ſie insgeſammt einſtimmig in ihrer Liebe fuͤr den Gouverneur, der auf der Inſel einer allgemeinen Achtung genießt und auch ihr Wohl ſich ernſtlich angelegen ſeyn laͤßt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/456
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/456>, abgerufen am 27.11.2024.