Capt. Cook gab nunmehr die fernere Untersuchung dieser Küste auf und ließ ostwärts steuern. Zu diesem Entschluß bewegte ihn vorzüglich der öde un- fruchtbare Anblick dieses Landes, die bereits kürzer werdenden Tage, die heran- nahende härtere Witterung in diesen Breiten, endlich die Vorstellung, daß wir bis zum nächsten Erfrischungsort noch einen langen Weg vor uns, und gleich- wohl wenige Lebensmittel mehr übrig hatten. Wir hielten uns also im 58°. der Süd-Breite, wo wir häufige Schnee-Schauer bekamen, und täglich viele Eis- Eilande sahen. -- Die Nördlichen Winde waren hier, unsren ehemaligen Be- merkungen zuwider, kälter als die Südlichen, und das giebt eine starke Vermu- thung ab, daß auf letzteren Strich (gen Süden) kein Land vorhanden sey.
Das Sauerkraut, diese trefliche antiscorbutische Speise, davon wir sechs- zig Tonnen voll aus England mitgenommen hatten, war nunmehr ganz aufgezehrt, und vom Capitain an bis zum geringsten Matrosen bedauerte ein jeder den Man- gel eines Gemüses, mit dessen Beyhülfe man das Pöckelfleisch hinunterschlucken konnte, ohne den faulen, halb verwesten Geschmack desselben so ganz gewahr zu werden. Jetzt sehnten wir uns alle nach gesunder Kost, und ein jeder beklagte sich darüber, daß wir immer noch zwischen dem 58°. und 57°. blieben.
Am 15ten richteten wir unsern Lauf nach Norden, nachdem wir die Mit- tagslinie von Greenwich paßirt hatten. Am 17ten Mittags, erreichten wir die Breite, worauf Herr Bouvet seine Entdeckung, das Cap Circoncision angiebt, und liefen hernach auf derselben Parallele ostwärts, um es ja nicht zu verfehlen. Wir befanden uns dazumahl in der Länge von 6°.33' östlich von Greenwich. Das Wetter war zu unserm Endzweck günstig, wir hatten guten Wind und konnten acht bis zehn große See-Meilen in die Runde sehen. Am 19ten des Morgens paßirten wir über den Fleck, wo Herr des Loziers Bouvet dies Vorgebürge in seinem eignen Tagebuch angiebt *). Wir fanden aber nicht ein- mahl das geringste Vorzeichen von Land, und sahen den ganzen Tag über nicht mehr als vier bis fünf Eismassen. Bis zum 22sten blieben wir unabläßig auf derselben Parallele, so daß wir um unsrer Sache gewiß zu seyn sechs Grade der Länge gegen Westen, und ohngefähr sieben gen Osten von Herrn Bouvets vorgeblichen
*) Dies Tagebuch ist französisch abgedruckt in M. Dalrymples Collection of Voyages in the South Atlantick Ocean 1775.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1775. Februar.
Capt. Cook gab nunmehr die fernere Unterſuchung dieſer Kuͤſte auf und ließ oſtwaͤrts ſteuern. Zu dieſem Entſchluß bewegte ihn vorzuͤglich der oͤde un- fruchtbare Anblick dieſes Landes, die bereits kuͤrzer werdenden Tage, die heran- nahende haͤrtere Witterung in dieſen Breiten, endlich die Vorſtellung, daß wir bis zum naͤchſten Erfriſchungsort noch einen langen Weg vor uns, und gleich- wohl wenige Lebensmittel mehr uͤbrig hatten. Wir hielten uns alſo im 58°. der Suͤd-Breite, wo wir haͤufige Schnee-Schauer bekamen, und taͤglich viele Eis- Eilande ſahen. — Die Noͤrdlichen Winde waren hier, unſren ehemaligen Be- merkungen zuwider, kaͤlter als die Suͤdlichen, und das giebt eine ſtarke Vermu- thung ab, daß auf letzteren Strich (gen Suͤden) kein Land vorhanden ſey.
Das Sauerkraut, dieſe trefliche antiſcorbutiſche Speiſe, davon wir ſechs- zig Tonnen voll aus England mitgenommen hatten, war nunmehr ganz aufgezehrt, und vom Capitain an bis zum geringſten Matroſen bedauerte ein jeder den Man- gel eines Gemuͤſes, mit deſſen Beyhuͤlfe man das Poͤckelfleiſch hinunterſchlucken konnte, ohne den faulen, halb verwesten Geſchmack deſſelben ſo ganz gewahr zu werden. Jetzt ſehnten wir uns alle nach geſunder Koſt, und ein jeder beklagte ſich daruͤber, daß wir immer noch zwiſchen dem 58°. und 57°. blieben.
Am 15ten richteten wir unſern Lauf nach Norden, nachdem wir die Mit- tagslinie von Greenwich paßirt hatten. Am 17ten Mittags, erreichten wir die Breite, worauf Herr Bouvet ſeine Entdeckung, das Cap Circonciſion angiebt, und liefen hernach auf derſelben Parallele oſtwaͤrts, um es ja nicht zu verfehlen. Wir befanden uns dazumahl in der Laͤnge von 6°.33′ oͤſtlich von Greenwich. Das Wetter war zu unſerm Endzweck guͤnſtig, wir hatten guten Wind und konnten acht bis zehn große See-Meilen in die Runde ſehen. Am 19ten des Morgens paßirten wir uͤber den Fleck, wo Herr des Loziers Bouvet dies Vorgebuͤrge in ſeinem eignen Tagebuch angiebt *). Wir fanden aber nicht ein- mahl das geringſte Vorzeichen von Land, und ſahen den ganzen Tag uͤber nicht mehr als vier bis fuͤnf Eismaſſen. Bis zum 22ſten blieben wir unablaͤßig auf derſelben Parallele, ſo daß wir um unſrer Sache gewiß zu ſeyn ſechs Grade der Laͤnge gegen Weſten, und ohngefaͤhr ſieben gen Oſten von Herrn Bouvets vorgeblichen
*) Dies Tagebuch iſt franzoͤſiſch abgedruckt in M. Dalrymples Collection of Voyages in the South Atlantick Ocean 1775.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Capt. Cook gab nunmehr die fernere Unterſuchung dieſer Kuͤſte auf und
ließ oſtwaͤrts ſteuern. Zu dieſem Entſchluß bewegte ihn vorzuͤglich der oͤde un-
fruchtbare Anblick dieſes Landes, die bereits kuͤrzer werdenden Tage, die heran-
nahende haͤrtere Witterung in dieſen Breiten, endlich die Vorſtellung, daß wir
bis zum naͤchſten Erfriſchungsort noch einen langen Weg vor uns, und gleich-
wohl wenige Lebensmittel mehr uͤbrig hatten. Wir hielten uns alſo im 58°. der
Suͤd-Breite, wo wir haͤufige Schnee-Schauer bekamen, und taͤglich viele Eis-
Eilande ſahen. — Die Noͤrdlichen Winde waren hier, unſren ehemaligen Be-
merkungen zuwider, kaͤlter als die Suͤdlichen, und das giebt eine ſtarke Vermu-
thung ab, daß auf letzteren Strich (gen Suͤden) kein Land vorhanden ſey.
Das Sauerkraut, dieſe trefliche antiſcorbutiſche Speiſe, davon wir ſechs-
zig Tonnen voll aus England mitgenommen hatten, war nunmehr ganz aufgezehrt,
und vom Capitain an bis zum geringſten Matroſen bedauerte ein jeder den Man-
gel eines Gemuͤſes, mit deſſen Beyhuͤlfe man das Poͤckelfleiſch hinunterſchlucken
konnte, ohne den faulen, halb verwesten Geſchmack deſſelben ſo ganz gewahr zu
werden. Jetzt ſehnten wir uns alle nach geſunder Koſt, und ein jeder beklagte
ſich daruͤber, daß wir immer noch zwiſchen dem 58°. und 57°. blieben.
Am 15ten richteten wir unſern Lauf nach Norden, nachdem wir die Mit-
tagslinie von Greenwich paßirt hatten. Am 17ten Mittags, erreichten wir die
Breite, worauf Herr Bouvet ſeine Entdeckung, das Cap Circonciſion angiebt,
und liefen hernach auf derſelben Parallele oſtwaͤrts, um es ja nicht zu verfehlen.
Wir befanden uns dazumahl in der Laͤnge von 6°.33′ oͤſtlich von Greenwich.
Das Wetter war zu unſerm Endzweck guͤnſtig, wir hatten guten Wind und
konnten acht bis zehn große See-Meilen in die Runde ſehen. Am 19ten des
Morgens paßirten wir uͤber den Fleck, wo Herr des Loziers Bouvet dies
Vorgebuͤrge in ſeinem eignen Tagebuch angiebt *). Wir fanden aber nicht ein-
mahl das geringſte Vorzeichen von Land, und ſahen den ganzen Tag uͤber nicht
mehr als vier bis fuͤnf Eismaſſen. Bis zum 22ſten blieben wir unablaͤßig auf
derſelben Parallele, ſo daß wir um unſrer Sache gewiß zu ſeyn ſechs Grade der Laͤnge
gegen Weſten, und ohngefaͤhr ſieben gen Oſten von Herrn Bouvets vorgeblichen
*) Dies Tagebuch iſt franzoͤſiſch abgedruckt in M. Dalrymples Collection of Voyages in
the South Atlantick Ocean 1775.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/440>, abgerufen am 22.02.2025.
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