Die Berge waren nemlich nicht so steil, sondern dehnten sich, lang und sanft ge-1774. Decem- ber. streckt, nach der See herab, in welche sie zuletzt mit flachen waldigten Spitzen auslie- fen. Schnee war gar nicht, oder doch nur auf den entferntesten westlichen Ge- bürgen zu sehen. Am folgenden Morgen gelangten wir in die Meer-Enge, wurden aber den ganzen Tag von Windstillen darinn aufgehalten. Succeß- Bay lag uns grade gegenüber, und die weitläuftigen Ufer derselben sahen so fruchtbar und anmuthig aus, daß wir gewünscht hätten dort anlanden zu können.
Um zwey Uhr Nachmittags schickte der Capitain, während daß wir bey Tische waren, ein Boot ab, um nachsehen zu lassen, ob die Adventure etwa in dieser Bay vor Anker gewesen, oder irgend eine Nachricht allhier zurückgelassen ha- be? Das Schif lavirte indeß bey sehr schwachem Winde ab und zu, um sich nicht allzuweit von dem Boote zu entfernen. Einige dreyßig große Wallfische, und eine unzählige Menge Seehunde machten sich im Wasser um und neben uns lustig. Die Wallfische schwammen mehrentheils paarweise beysammen, welches anzuzeigen schien, daß dies die Zeit ihres Begattens sey. So oft sie, auf der Seite des Schiffes wo der Wind herkam, Wasser von sich bliesen, hat- ten wir jedesmahl einen unerträglich faulen und ungesunden Gestank auszustehen, der drey bis vier Minuten anhielt. Bisweilen legten sie sich auf den Rücken, und plätscherten mit ihren langen Brustfloßen auf dem Wasser, welches einen Knall verursachte, als wenn ein halbpfündiges Stück abgefeuert wird. Die- ses Spiel hat vermuthlich zu dem Matrosen-Mährchen Anlaß gegeben, daß der Drescher und der Wallfisch manchmahl mit einander fechten. Der Drescher wird gemeiniglich als ein langer Fisch vorgestellt, der aus dem Wasser springt, um dem Wallfisch einen derben Schlag beyzubringen. Oft mischen sie auch den Schwertfisch mit hinein, der diese Gelegenheit wahrnehmen soll, um dem armen Wallfisch den Bauch aufzuschlitzen. Der geringen Entfernung wegen, in wel- cher sich diese Fische von uns befanden, konnten wir, bey der oft wiederhohlten Bewegung der Floßen deutlich sehen, daß die innre Seite derselben, imgleichen der Bauch weis, das übrige hingegen schwarz ist. An einem, der sich kaum 200 Fuß weit vom Schiffe herum wälzte, nahmen wir viele in die Länge laufen- de Falten oder Runzeln auf dem Bauch wahr; diesem Kennzeichen zufolge ge- hörte er zu der Gattung, welche beym Ritter von LinneBalaena Boops heißt.
in den Jahren 1772 bis 1775.
Die Berge waren nemlich nicht ſo ſteil, ſondern dehnten ſich, lang und ſanft ge-1774. Decem- ber. ſtreckt, nach der See herab, in welche ſie zuletzt mit flachen waldigten Spitzen auslie- fen. Schnee war gar nicht, oder doch nur auf den entfernteſten weſtlichen Ge- buͤrgen zu ſehen. Am folgenden Morgen gelangten wir in die Meer-Enge, wurden aber den ganzen Tag von Windſtillen darinn aufgehalten. Succeß- Bay lag uns grade gegenuͤber, und die weitlaͤuftigen Ufer derſelben ſahen ſo fruchtbar und anmuthig aus, daß wir gewuͤnſcht haͤtten dort anlanden zu koͤnnen.
Um zwey Uhr Nachmittags ſchickte der Capitain, waͤhrend daß wir bey Tiſche waren, ein Boot ab, um nachſehen zu laſſen, ob die Adventure etwa in dieſer Bay vor Anker geweſen, oder irgend eine Nachricht allhier zuruͤckgelaſſen ha- be? Das Schif lavirte indeß bey ſehr ſchwachem Winde ab und zu, um ſich nicht allzuweit von dem Boote zu entfernen. Einige dreyßig große Wallfiſche, und eine unzaͤhlige Menge Seehunde machten ſich im Waſſer um und neben uns luſtig. Die Wallfiſche ſchwammen mehrentheils paarweiſe beyſammen, welches anzuzeigen ſchien, daß dies die Zeit ihres Begattens ſey. So oft ſie, auf der Seite des Schiffes wo der Wind herkam, Waſſer von ſich blieſen, hat- ten wir jedesmahl einen unertraͤglich faulen und ungeſunden Geſtank auszuſtehen, der drey bis vier Minuten anhielt. Bisweilen legten ſie ſich auf den Ruͤcken, und plaͤtſcherten mit ihren langen Bruſtfloßen auf dem Waſſer, welches einen Knall verurſachte, als wenn ein halbpfuͤndiges Stuͤck abgefeuert wird. Die- ſes Spiel hat vermuthlich zu dem Matroſen-Maͤhrchen Anlaß gegeben, daß der Dreſcher und der Wallfiſch manchmahl mit einander fechten. Der Dreſcher wird gemeiniglich als ein langer Fiſch vorgeſtellt, der aus dem Waſſer ſpringt, um dem Wallfiſch einen derben Schlag beyzubringen. Oft miſchen ſie auch den Schwertfiſch mit hinein, der dieſe Gelegenheit wahrnehmen ſoll, um dem armen Wallfiſch den Bauch aufzuſchlitzen. Der geringen Entfernung wegen, in wel- cher ſich dieſe Fiſche von uns befanden, konnten wir, bey der oft wiederhohlten Bewegung der Floßen deutlich ſehen, daß die innre Seite derſelben, imgleichen der Bauch weis, das uͤbrige hingegen ſchwarz iſt. An einem, der ſich kaum 200 Fuß weit vom Schiffe herum waͤlzte, nahmen wir viele in die Laͤnge laufen- de Falten oder Runzeln auf dem Bauch wahr; dieſem Kennzeichen zufolge ge- hoͤrte er zu der Gattung, welche beym Ritter von LinnéBalæna Boops heißt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0417"n="399"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
Die Berge waren nemlich nicht ſo ſteil, ſondern dehnten ſich, lang und ſanft ge-<noteplace="right">1774.<lb/>
Decem-<lb/>
ber.</note><lb/>ſtreckt, nach der See herab, in welche ſie zuletzt mit flachen waldigten Spitzen auslie-<lb/>
fen. Schnee war gar nicht, oder doch nur auf den entfernteſten weſtlichen Ge-<lb/>
buͤrgen zu ſehen. Am folgenden Morgen gelangten wir in die Meer-Enge,<lb/>
wurden aber den ganzen Tag von Windſtillen darinn aufgehalten. <hirendition="#fr"><placeName>Succeß-<lb/>
Bay</placeName></hi> lag uns grade gegenuͤber, und die weitlaͤuftigen Ufer derſelben ſahen ſo<lb/>
fruchtbar und anmuthig aus, daß wir gewuͤnſcht haͤtten dort anlanden zu koͤnnen.</p><lb/><p>Um zwey Uhr Nachmittags ſchickte der Capitain, waͤhrend daß wir bey<lb/>
Tiſche waren, ein Boot ab, um nachſehen zu laſſen, ob die <hirendition="#fr">Adventure</hi> etwa in<lb/>
dieſer Bay vor Anker geweſen, oder irgend eine Nachricht allhier zuruͤckgelaſſen ha-<lb/>
be? Das Schif lavirte indeß bey ſehr ſchwachem Winde ab und zu, um ſich<lb/>
nicht allzuweit von dem Boote zu entfernen. Einige dreyßig große Wallfiſche,<lb/>
und eine unzaͤhlige Menge Seehunde machten ſich im Waſſer um und neben<lb/>
uns luſtig. Die Wallfiſche ſchwammen mehrentheils paarweiſe beyſammen,<lb/>
welches anzuzeigen ſchien, daß dies die Zeit ihres Begattens ſey. So oft ſie,<lb/>
auf der Seite des Schiffes wo der Wind herkam, Waſſer von ſich blieſen, hat-<lb/>
ten wir jedesmahl einen unertraͤglich faulen und ungeſunden Geſtank auszuſtehen,<lb/>
der drey bis vier Minuten anhielt. Bisweilen legten ſie ſich auf den Ruͤcken,<lb/>
und plaͤtſcherten mit ihren langen Bruſtfloßen auf dem Waſſer, welches einen<lb/>
Knall verurſachte, als wenn ein halbpfuͤndiges Stuͤck abgefeuert wird. Die-<lb/>ſes Spiel hat vermuthlich zu dem Matroſen-Maͤhrchen Anlaß gegeben, daß<lb/>
der Dreſcher und der Wallfiſch manchmahl mit einander fechten. Der Dreſcher<lb/>
wird gemeiniglich als ein langer Fiſch vorgeſtellt, der aus dem Waſſer ſpringt,<lb/>
um dem Wallfiſch einen derben Schlag beyzubringen. Oft miſchen ſie auch den<lb/>
Schwertfiſch mit hinein, der dieſe Gelegenheit wahrnehmen ſoll, um dem armen<lb/>
Wallfiſch den Bauch aufzuſchlitzen. Der geringen Entfernung wegen, in wel-<lb/>
cher ſich dieſe Fiſche von uns befanden, konnten wir, bey der oft wiederhohlten<lb/>
Bewegung der Floßen deutlich ſehen, daß die innre Seite derſelben, imgleichen<lb/>
der Bauch weis, das uͤbrige hingegen ſchwarz iſt. An einem, der ſich kaum<lb/>
200 Fuß weit vom Schiffe herum waͤlzte, nahmen wir viele in die Laͤnge laufen-<lb/>
de Falten oder Runzeln auf dem Bauch wahr; dieſem Kennzeichen zufolge ge-<lb/>
hoͤrte er zu der Gattung, welche beym Ritter von <persName>Linn<hirendition="#aq">é</hi></persName><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Balæna Boops</hi></hi> heißt.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[399/0417]
in den Jahren 1772 bis 1775.
Die Berge waren nemlich nicht ſo ſteil, ſondern dehnten ſich, lang und ſanft ge-
ſtreckt, nach der See herab, in welche ſie zuletzt mit flachen waldigten Spitzen auslie-
fen. Schnee war gar nicht, oder doch nur auf den entfernteſten weſtlichen Ge-
buͤrgen zu ſehen. Am folgenden Morgen gelangten wir in die Meer-Enge,
wurden aber den ganzen Tag von Windſtillen darinn aufgehalten. Succeß-
Bay lag uns grade gegenuͤber, und die weitlaͤuftigen Ufer derſelben ſahen ſo
fruchtbar und anmuthig aus, daß wir gewuͤnſcht haͤtten dort anlanden zu koͤnnen.
1774.
Decem-
ber.
Um zwey Uhr Nachmittags ſchickte der Capitain, waͤhrend daß wir bey
Tiſche waren, ein Boot ab, um nachſehen zu laſſen, ob die Adventure etwa in
dieſer Bay vor Anker geweſen, oder irgend eine Nachricht allhier zuruͤckgelaſſen ha-
be? Das Schif lavirte indeß bey ſehr ſchwachem Winde ab und zu, um ſich
nicht allzuweit von dem Boote zu entfernen. Einige dreyßig große Wallfiſche,
und eine unzaͤhlige Menge Seehunde machten ſich im Waſſer um und neben
uns luſtig. Die Wallfiſche ſchwammen mehrentheils paarweiſe beyſammen,
welches anzuzeigen ſchien, daß dies die Zeit ihres Begattens ſey. So oft ſie,
auf der Seite des Schiffes wo der Wind herkam, Waſſer von ſich blieſen, hat-
ten wir jedesmahl einen unertraͤglich faulen und ungeſunden Geſtank auszuſtehen,
der drey bis vier Minuten anhielt. Bisweilen legten ſie ſich auf den Ruͤcken,
und plaͤtſcherten mit ihren langen Bruſtfloßen auf dem Waſſer, welches einen
Knall verurſachte, als wenn ein halbpfuͤndiges Stuͤck abgefeuert wird. Die-
ſes Spiel hat vermuthlich zu dem Matroſen-Maͤhrchen Anlaß gegeben, daß
der Dreſcher und der Wallfiſch manchmahl mit einander fechten. Der Dreſcher
wird gemeiniglich als ein langer Fiſch vorgeſtellt, der aus dem Waſſer ſpringt,
um dem Wallfiſch einen derben Schlag beyzubringen. Oft miſchen ſie auch den
Schwertfiſch mit hinein, der dieſe Gelegenheit wahrnehmen ſoll, um dem armen
Wallfiſch den Bauch aufzuſchlitzen. Der geringen Entfernung wegen, in wel-
cher ſich dieſe Fiſche von uns befanden, konnten wir, bey der oft wiederhohlten
Bewegung der Floßen deutlich ſehen, daß die innre Seite derſelben, imgleichen
der Bauch weis, das uͤbrige hingegen ſchwarz iſt. An einem, der ſich kaum
200 Fuß weit vom Schiffe herum waͤlzte, nahmen wir viele in die Laͤnge laufen-
de Falten oder Runzeln auf dem Bauch wahr; dieſem Kennzeichen zufolge ge-
hoͤrte er zu der Gattung, welche beym Ritter von Linné Balæna Boops heißt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/417>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.