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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
Decem-
ber.
Das Thranartige ekelhafte Fett, genossen sie am liebsten, und beten auch dem
Seevolk davon an. Vielleicht ist es Instinct, der ihnen dies ranzige Fett verzeh-
ren heißt, denn alle in kalten Erdstrichen wohnende Völker sollen es für Lecker-
bissen halten, und dadurch in Stand gesetzt werden, die Kälte besser zu ertragen.
Die natürliche Folge einer solchen Nahrung war ein unerträglicher fauler Ge-
stank, der aus ihrem ganzen Körper ausdunstete, und sich allem, was sie nur an
und um sich führten, mitgetheilt hatte. Dieser Gestank war uns dermaßen zu-
wider, daß wirs unmöglich lange bey ihnen aushalten konnten. Mit geschloß-
nen Augen konnte man sie bereits in der Ferne wittern. Wer die Seeleute,
und ihre sonst eben nicht ekle Begierden kennt, wird kaum glauben, was doch
würklich geschah, nämlich, daß es ihnen, dieser unerträglichen Ausdünstung
wegen, gar nicht einmal einfiel mit dem saubern Frauenzimmer genauere Be-
kanntschaft zu machen. Die Matrosen gaben ihnen Pöckelfleisch und verschim-
melten Zwieback; sie machten sich aber nichts daraus, und konnten kaum da-
hin gebracht werden, es zu kosten. Lehrte sie etwa der Instinct, daß diese
Speisen vielleicht noch ungesunder wären, als halb verwestes Seehundefleisch? --
Wir bemerkten unter ihnen nicht den mindesten Unterschied des Standes, weder
Oberherrschaft noch Abhängigkeit. Ihre ganze Lebensart kam dem thierischen
Zustande näher, als bey irgend einem andern Volk. Es dünkt mir daher über-
aus warscheinlich, daß sie keine selbstständige Nation ausmachen, sondern nur
als einzelne, von den benachbarten Völkerschaften ausgestoßne Familien anzu-
sehen sind, die durch ihren Aufenthalt im ödesten unfruchtbarsten Theil von
Tierra del Fuego fast jeden Begrif verlohren haben, der nicht mit den drin-
gendsten Bedürfnissen in unmittelbarer Verbindung steht. Sie irren, der Nah-
rung nach, aus einer Bucht in die andre, und da dieser Haven vermuthlich mit
mehreren zusammenhängt, so wählen sie sich im Winter denjenigen zum Wohn-
platz, wo der Aufenthalt am leidlichsten ist. Aus denen auf den benachbarten
Falklands Inseln, die unter derselben Polhöhe liegen, angestellten Thermo-
metrischen Beobachtungen läßt sich zwar vermuthen, daß im Winter die Kälte
nicht nach Verhältniß der Sommerwitterung zunehme, demohnerachtet muß
sie diesen armen hülflosen Geschöpfen doch äußerst hart fallen. Die Holländi-
schen Seefahrer, und besonders Jacob l' Hermite, der die Naßanische Flotte

im

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Decem-
ber.
Das Thranartige ekelhafte Fett, genoſſen ſie am liebſten, und beten auch dem
Seevolk davon an. Vielleicht iſt es Inſtinct, der ihnen dies ranzige Fett verzeh-
ren heißt, denn alle in kalten Erdſtrichen wohnende Voͤlker ſollen es fuͤr Lecker-
biſſen halten, und dadurch in Stand geſetzt werden, die Kaͤlte beſſer zu ertragen.
Die natuͤrliche Folge einer ſolchen Nahrung war ein unertraͤglicher fauler Ge-
ſtank, der aus ihrem ganzen Koͤrper ausdunſtete, und ſich allem, was ſie nur an
und um ſich fuͤhrten, mitgetheilt hatte. Dieſer Geſtank war uns dermaßen zu-
wider, daß wirs unmoͤglich lange bey ihnen aushalten konnten. Mit geſchloß-
nen Augen konnte man ſie bereits in der Ferne wittern. Wer die Seeleute,
und ihre ſonſt eben nicht ekle Begierden kennt, wird kaum glauben, was doch
wuͤrklich geſchah, naͤmlich, daß es ihnen, dieſer unertraͤglichen Ausduͤnſtung
wegen, gar nicht einmal einfiel mit dem ſaubern Frauenzimmer genauere Be-
kanntſchaft zu machen. Die Matroſen gaben ihnen Poͤckelfleiſch und verſchim-
melten Zwieback; ſie machten ſich aber nichts daraus, und konnten kaum da-
hin gebracht werden, es zu koſten. Lehrte ſie etwa der Inſtinct, daß dieſe
Speiſen vielleicht noch ungeſunder waͤren, als halb verweſtes Seehundefleiſch? —
Wir bemerkten unter ihnen nicht den mindeſten Unterſchied des Standes, weder
Oberherrſchaft noch Abhaͤngigkeit. Ihre ganze Lebensart kam dem thieriſchen
Zuſtande naͤher, als bey irgend einem andern Volk. Es duͤnkt mir daher uͤber-
aus warſcheinlich, daß ſie keine ſelbſtſtaͤndige Nation ausmachen, ſondern nur
als einzelne, von den benachbarten Voͤlkerſchaften ausgeſtoßne Familien anzu-
ſehen ſind, die durch ihren Aufenthalt im oͤdeſten unfruchtbarſten Theil von
Tierra del Fuego faſt jeden Begrif verlohren haben, der nicht mit den drin-
gendſten Beduͤrfniſſen in unmittelbarer Verbindung ſteht. Sie irren, der Nah-
rung nach, aus einer Bucht in die andre, und da dieſer Haven vermuthlich mit
mehreren zuſammenhaͤngt, ſo waͤhlen ſie ſich im Winter denjenigen zum Wohn-
platz, wo der Aufenthalt am leidlichſten iſt. Aus denen auf den benachbarten
Falklands Inſeln, die unter derſelben Polhoͤhe liegen, angeſtellten Thermo-
metriſchen Beobachtungen laͤßt ſich zwar vermuthen, daß im Winter die Kaͤlte
nicht nach Verhaͤltniß der Sommerwitterung zunehme, demohnerachtet muß
ſie dieſen armen huͤlfloſen Geſchoͤpfen doch aͤußerſt hart fallen. Die Hollaͤndi-
ſchen Seefahrer, und beſonders Jacob l’ Hermite, der die Naßaniſche Flotte

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[396/0414] Forſter’s Reiſe um die Welt Das Thranartige ekelhafte Fett, genoſſen ſie am liebſten, und beten auch dem Seevolk davon an. Vielleicht iſt es Inſtinct, der ihnen dies ranzige Fett verzeh- ren heißt, denn alle in kalten Erdſtrichen wohnende Voͤlker ſollen es fuͤr Lecker- biſſen halten, und dadurch in Stand geſetzt werden, die Kaͤlte beſſer zu ertragen. Die natuͤrliche Folge einer ſolchen Nahrung war ein unertraͤglicher fauler Ge- ſtank, der aus ihrem ganzen Koͤrper ausdunſtete, und ſich allem, was ſie nur an und um ſich fuͤhrten, mitgetheilt hatte. Dieſer Geſtank war uns dermaßen zu- wider, daß wirs unmoͤglich lange bey ihnen aushalten konnten. Mit geſchloß- nen Augen konnte man ſie bereits in der Ferne wittern. Wer die Seeleute, und ihre ſonſt eben nicht ekle Begierden kennt, wird kaum glauben, was doch wuͤrklich geſchah, naͤmlich, daß es ihnen, dieſer unertraͤglichen Ausduͤnſtung wegen, gar nicht einmal einfiel mit dem ſaubern Frauenzimmer genauere Be- kanntſchaft zu machen. Die Matroſen gaben ihnen Poͤckelfleiſch und verſchim- melten Zwieback; ſie machten ſich aber nichts daraus, und konnten kaum da- hin gebracht werden, es zu koſten. Lehrte ſie etwa der Inſtinct, daß dieſe Speiſen vielleicht noch ungeſunder waͤren, als halb verweſtes Seehundefleiſch? — Wir bemerkten unter ihnen nicht den mindeſten Unterſchied des Standes, weder Oberherrſchaft noch Abhaͤngigkeit. Ihre ganze Lebensart kam dem thieriſchen Zuſtande naͤher, als bey irgend einem andern Volk. Es duͤnkt mir daher uͤber- aus warſcheinlich, daß ſie keine ſelbſtſtaͤndige Nation ausmachen, ſondern nur als einzelne, von den benachbarten Voͤlkerſchaften ausgeſtoßne Familien anzu- ſehen ſind, die durch ihren Aufenthalt im oͤdeſten unfruchtbarſten Theil von Tierra del Fuego faſt jeden Begrif verlohren haben, der nicht mit den drin- gendſten Beduͤrfniſſen in unmittelbarer Verbindung ſteht. Sie irren, der Nah- rung nach, aus einer Bucht in die andre, und da dieſer Haven vermuthlich mit mehreren zuſammenhaͤngt, ſo waͤhlen ſie ſich im Winter denjenigen zum Wohn- platz, wo der Aufenthalt am leidlichſten iſt. Aus denen auf den benachbarten Falklands Inſeln, die unter derſelben Polhoͤhe liegen, angeſtellten Thermo- metriſchen Beobachtungen laͤßt ſich zwar vermuthen, daß im Winter die Kaͤlte nicht nach Verhaͤltniß der Sommerwitterung zunehme, demohnerachtet muß ſie dieſen armen huͤlfloſen Geſchoͤpfen doch aͤußerſt hart fallen. Die Hollaͤndi- ſchen Seefahrer, und beſonders Jacob l’ Hermite, der die Naßaniſche Flotte im 1774. Decem- ber.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/414>, abgerufen am 25.11.2024.