Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Decem- ber.zehn Fuß lang, und, oben wie unten, durchaus gleich dick. Am untersten Ende ist ein Spalt befindlich, in welchem, zu seiner Zeit, ein spitzgemachter, etwa zwölf Zoll langer, und nur mit einem Wiederhaken versehener Knochen eingefügt und festgebunden wird. Eben dies Instrument sollen sie auch, Capitain Cooks vo- riger Reisebeschreibung nach, gebrauchen, um unterhalb dem Wasser die Mu- scheln von den Felsen loszustoßen. *) Mit unsrer Zeichensprache, die doch sonst überall gegolten hatte, war bey diesen Leuten hier nichts auszurichten; Geber- den, die der niedrigste und einfältigste Bewohner irgend einer Insel in der Süd- See verstand, begrif hier der Klügste nicht. Eben so wenig fiel es ihnen ein, uns ihre Sprache beyzubringen; da auf dem Schiffe nichts ihre Neugierde oder Verlangen erregte, so war es ihnen auch gleich viel, ob wir sie verstunden, oder nicht. Diejenigen von unsern Reisegefährten, die Capitain Cooks erster Reise um die Welt beygewohnt hatten, versicherten einstimmig, daß die Be- wohner von Succeß-Bay, weit glücklicher und besser daran wären als diese elenden Verstoßenen. *) Wer die Beschreibung jener Reise hierüber nachlesen will, wird auch selbst einsehen, daß in Succeß-Bay die Pescherähs weit ci- vilisirter zu nennen sind, (wenn dieser Ausdruck überhaupt hier anzubringen ist,) als diejenigen, die in dieser Gegend wohnten. Jene waren größer; hatten Stiefeln, um die Füße gegen die Kälte zu schützen, schienen den Werth der eu- ropäischen Waaren einigermaßen einzusehen, bewiesen sich geselliger, und hatten sogar schon Begriffe von Cerimouien und Höflichkeit! die unsrigen hingegen wa- ren noch zu dumm, zu unthätig oder zu sehr von Hülfsmitteln entblößt, um sich der Kälte zu erwehren, so schmerzhaft sie auch die Unannehmlichkeiten derselben empfanden. Sie schienen unsre Ueberlegenheit und unsre Vorzüge gar nicht zu fühlen, denn sie bezeigten auch nicht ein einzigs mahl, nur mit der geringsten Geberde, die Bewunderung, welche das Schif und alle darin vorhandene große und merkwürdige Gegenstände bey allen übrigen Wilden zu erregen pflegten! Dem Thiere näher und mithin unglückseliger kann aber wohl kein Mensch seyn, als derjenige, dem es, bey der unangenehmsten körperlichen Empfindung von Kälte und Blöße, gleichwohl so sehr an Verstand und Ueberlegung fehlt, daß *) S. Hawkesworths Geschichte der neuesten engl. See-Reisen in 4. B. II. Seite 56. *) Siehe ebendaselbst Seite 54 und folgende.
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Decem- ber.zehn Fuß lang, und, oben wie unten, durchaus gleich dick. Am unterſten Ende iſt ein Spalt befindlich, in welchem, zu ſeiner Zeit, ein ſpitzgemachter, etwa zwoͤlf Zoll langer, und nur mit einem Wiederhaken verſehener Knochen eingefuͤgt und feſtgebunden wird. Eben dies Inſtrument ſollen ſie auch, Capitain Cooks vo- riger Reiſebeſchreibung nach, gebrauchen, um unterhalb dem Waſſer die Mu- ſcheln von den Felſen loszuſtoßen. *) Mit unſrer Zeichenſprache, die doch ſonſt uͤberall gegolten hatte, war bey dieſen Leuten hier nichts auszurichten; Geber- den, die der niedrigſte und einfaͤltigſte Bewohner irgend einer Inſel in der Suͤd- See verſtand, begrif hier der Kluͤgſte nicht. Eben ſo wenig fiel es ihnen ein, uns ihre Sprache beyzubringen; da auf dem Schiffe nichts ihre Neugierde oder Verlangen erregte, ſo war es ihnen auch gleich viel, ob wir ſie verſtunden, oder nicht. Diejenigen von unſern Reiſegefaͤhrten, die Capitain Cooks erſter Reiſe um die Welt beygewohnt hatten, verſicherten einſtimmig, daß die Be- wohner von Succeß-Bay, weit gluͤcklicher und beſſer daran waͤren als dieſe elenden Verſtoßenen. *) Wer die Beſchreibung jener Reiſe hieruͤber nachleſen will, wird auch ſelbſt einſehen, daß in Succeß-Bay die Peſcheraͤhs weit ci- viliſirter zu nennen ſind, (wenn dieſer Ausdruck uͤberhaupt hier anzubringen iſt,) als diejenigen, die in dieſer Gegend wohnten. Jene waren groͤßer; hatten Stiefeln, um die Fuͤße gegen die Kaͤlte zu ſchuͤtzen, ſchienen den Werth der eu- ropaͤiſchen Waaren einigermaßen einzuſehen, bewieſen ſich geſelliger, und hatten ſogar ſchon Begriffe von Cerimouien und Hoͤflichkeit! die unſrigen hingegen wa- ren noch zu dumm, zu unthaͤtig oder zu ſehr von Huͤlfsmitteln entbloͤßt, um ſich der Kaͤlte zu erwehren, ſo ſchmerzhaft ſie auch die Unannehmlichkeiten derſelben empfanden. Sie ſchienen unſre Ueberlegenheit und unſre Vorzuͤge gar nicht zu fuͤhlen, denn ſie bezeigten auch nicht ein einzigs mahl, nur mit der geringſten Geberde, die Bewunderung, welche das Schif und alle darin vorhandene große und merkwuͤrdige Gegenſtaͤnde bey allen uͤbrigen Wilden zu erregen pflegten! Dem Thiere naͤher und mithin ungluͤckſeliger kann aber wohl kein Menſch ſeyn, als derjenige, dem es, bey der unangenehmſten koͤrperlichen Empfindung von Kaͤlte und Bloͤße, gleichwohl ſo ſehr an Verſtand und Ueberlegung fehlt, daß *) S. Hawkesworths Geſchichte der neueſten engl. See-Reiſen in 4. B. II. Seite 56. *) Siehe ebendaſelbſt Seite 54 und folgende.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0412" n="394"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/> Decem-<lb/> ber.</note>zehn Fuß lang, und, oben wie unten, durchaus gleich dick. Am unterſten Ende<lb/> iſt ein Spalt befindlich, in welchem, zu ſeiner Zeit, ein ſpitzgemachter, etwa zwoͤlf<lb/> Zoll langer, und nur mit einem Wiederhaken verſehener Knochen eingefuͤgt und<lb/> feſtgebunden wird. Eben dies Inſtrument ſollen ſie auch, Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> vo-<lb/> riger Reiſebeſchreibung nach, gebrauchen, um unterhalb dem Waſſer die Mu-<lb/> ſcheln von den Felſen loszuſtoßen. <note place="foot" n="*)">S. <persName>Hawkesworths</persName> Geſchichte der neueſten engl. See-Reiſen in 4. B. <hi rendition="#aq">II.</hi> Seite 56.</note> Mit unſrer Zeichenſprache, die doch ſonſt<lb/> uͤberall gegolten hatte, war bey dieſen Leuten hier nichts auszurichten; Geber-<lb/> den, die der niedrigſte und einfaͤltigſte Bewohner irgend einer Inſel in der <placeName>Suͤd-<lb/> See</placeName> verſtand, begrif hier der Kluͤgſte nicht. Eben ſo wenig fiel es ihnen ein,<lb/> uns ihre Sprache beyzubringen; da auf dem Schiffe nichts ihre Neugierde oder<lb/> Verlangen erregte, ſo war es ihnen auch gleich viel, ob wir ſie verſtunden,<lb/> oder nicht. Diejenigen von unſern Reiſegefaͤhrten, die Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> erſter<lb/> Reiſe um die Welt beygewohnt hatten, verſicherten einſtimmig, daß die Be-<lb/> wohner von <hi rendition="#fr"><placeName>Succeß-Bay</placeName></hi>, weit gluͤcklicher und beſſer daran waͤren als dieſe<lb/> elenden Verſtoßenen. <note place="foot" n="*)">Siehe ebendaſelbſt Seite 54 und folgende.</note> Wer die Beſchreibung jener Reiſe hieruͤber nachleſen<lb/> will, wird auch ſelbſt einſehen, daß in <placeName>Succeß-Bay</placeName> die <hi rendition="#fr">Peſcheraͤhs</hi> weit ci-<lb/> viliſirter zu nennen ſind, (wenn dieſer Ausdruck uͤberhaupt hier anzubringen iſt,)<lb/> als diejenigen, die in <hi rendition="#fr">dieſer</hi> Gegend wohnten. Jene waren groͤßer; hatten<lb/> Stiefeln, um die Fuͤße gegen die Kaͤlte zu ſchuͤtzen, ſchienen den Werth der eu-<lb/> ropaͤiſchen Waaren einigermaßen einzuſehen, bewieſen ſich geſelliger, und hatten<lb/> ſogar ſchon Begriffe von Cerimouien und Hoͤflichkeit! die unſrigen hingegen wa-<lb/> ren noch zu dumm, zu unthaͤtig oder zu ſehr von Huͤlfsmitteln entbloͤßt, um ſich<lb/> der Kaͤlte zu erwehren, ſo ſchmerzhaft ſie auch die Unannehmlichkeiten derſelben<lb/> empfanden. Sie ſchienen unſre Ueberlegenheit und unſre Vorzuͤge gar nicht zu<lb/> fuͤhlen, denn ſie bezeigten auch nicht ein einzigs mahl, nur mit der geringſten<lb/> Geberde, die Bewunderung, welche das Schif und alle darin vorhandene große<lb/> und merkwuͤrdige Gegenſtaͤnde bey allen uͤbrigen Wilden zu erregen pflegten!<lb/> Dem Thiere naͤher und mithin ungluͤckſeliger kann aber wohl kein Menſch ſeyn,<lb/> als derjenige, dem es, bey der unangenehmſten koͤrperlichen Empfindung von<lb/> Kaͤlte und Bloͤße, gleichwohl ſo ſehr an Verſtand und Ueberlegung fehlt, daß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [394/0412]
Forſter’s Reiſe um die Welt
zehn Fuß lang, und, oben wie unten, durchaus gleich dick. Am unterſten Ende
iſt ein Spalt befindlich, in welchem, zu ſeiner Zeit, ein ſpitzgemachter, etwa zwoͤlf
Zoll langer, und nur mit einem Wiederhaken verſehener Knochen eingefuͤgt und
feſtgebunden wird. Eben dies Inſtrument ſollen ſie auch, Capitain Cooks vo-
riger Reiſebeſchreibung nach, gebrauchen, um unterhalb dem Waſſer die Mu-
ſcheln von den Felſen loszuſtoßen. *) Mit unſrer Zeichenſprache, die doch ſonſt
uͤberall gegolten hatte, war bey dieſen Leuten hier nichts auszurichten; Geber-
den, die der niedrigſte und einfaͤltigſte Bewohner irgend einer Inſel in der Suͤd-
See verſtand, begrif hier der Kluͤgſte nicht. Eben ſo wenig fiel es ihnen ein,
uns ihre Sprache beyzubringen; da auf dem Schiffe nichts ihre Neugierde oder
Verlangen erregte, ſo war es ihnen auch gleich viel, ob wir ſie verſtunden,
oder nicht. Diejenigen von unſern Reiſegefaͤhrten, die Capitain Cooks erſter
Reiſe um die Welt beygewohnt hatten, verſicherten einſtimmig, daß die Be-
wohner von Succeß-Bay, weit gluͤcklicher und beſſer daran waͤren als dieſe
elenden Verſtoßenen. *) Wer die Beſchreibung jener Reiſe hieruͤber nachleſen
will, wird auch ſelbſt einſehen, daß in Succeß-Bay die Peſcheraͤhs weit ci-
viliſirter zu nennen ſind, (wenn dieſer Ausdruck uͤberhaupt hier anzubringen iſt,)
als diejenigen, die in dieſer Gegend wohnten. Jene waren groͤßer; hatten
Stiefeln, um die Fuͤße gegen die Kaͤlte zu ſchuͤtzen, ſchienen den Werth der eu-
ropaͤiſchen Waaren einigermaßen einzuſehen, bewieſen ſich geſelliger, und hatten
ſogar ſchon Begriffe von Cerimouien und Hoͤflichkeit! die unſrigen hingegen wa-
ren noch zu dumm, zu unthaͤtig oder zu ſehr von Huͤlfsmitteln entbloͤßt, um ſich
der Kaͤlte zu erwehren, ſo ſchmerzhaft ſie auch die Unannehmlichkeiten derſelben
empfanden. Sie ſchienen unſre Ueberlegenheit und unſre Vorzuͤge gar nicht zu
fuͤhlen, denn ſie bezeigten auch nicht ein einzigs mahl, nur mit der geringſten
Geberde, die Bewunderung, welche das Schif und alle darin vorhandene große
und merkwuͤrdige Gegenſtaͤnde bey allen uͤbrigen Wilden zu erregen pflegten!
Dem Thiere naͤher und mithin ungluͤckſeliger kann aber wohl kein Menſch ſeyn,
als derjenige, dem es, bey der unangenehmſten koͤrperlichen Empfindung von
Kaͤlte und Bloͤße, gleichwohl ſo ſehr an Verſtand und Ueberlegung fehlt, daß
1774.
Decem-
ber.
*) S. Hawkesworths Geſchichte der neueſten engl. See-Reiſen in 4. B. II. Seite 56.
*) Siehe ebendaſelbſt Seite 54 und folgende.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |