Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Decem- ber.schen Straße, nicht weit von unserm ietzigen Haven, gesehen, führten eben die- ses Wort fast beständig im Munde, weshalb er auch dieser Nation den Namen Pecherais beylegte. Auf vielfältiges Zuwinken kamen etliche von diesen Leu- ten ins Schif; doch ließen sie nicht das geringste Zeichen von Freude blicken, schienen auch ganz ohne Neugierde zu seyn. Sie waren von kurzer Statur, keiner über 5 Fuß 6 Zoll (englischen Maaßes) hoch, hatten dicke große Köpfe, breite Gesichter, sehr platte Nasen, und die Backenknochen unter den Augen sehr hervorragend; die Augen selbst waren von brauner Farbe, aber klein und matt, das Haar schwarz, ganz gerade, mit Thran eingeschmiert, und hieng ih- nen wild und zottigt um den Kopf. Anstatt des Barts standen einige einzelne Borsten auf dem Kinn, und von der Nase bis in das häßliche, stets ofne Maul, war ein beständig fließender Canal vorhanden. Diese Züge machten zusam- men genommen das vollständigste und redendste Bild von dem tiefen Elend aus, worinn dies unglückliche Geschlecht von Menschen dahinlebt. Herr Hodges hat von zwoen dieser Physiognomien eine sehr richtige, charakte- ristische Zeichnung verfertigt. Schultern und Brust waren breit und stark gebaut, der Untertheil des Körpers aber so mager und eingeschrumpft, daß man sich kaum vorstellen konnte, er gehöre zum obern. Die Beine waren dünn und krumm, und die Knie viel zu stark. Ihr einziges elendes Kleidungs- Stück bestand in einem alten kleinen See-Hunds-Fell, welches vermittelst einer Schnur, um den Hals befestigt war. Uebrigens giengen sie ganz nackend, ohne auf das, was Anständigkeit und Ehrbarkeit bey uns fordern würden, die geringste Rücksicht zu nehmen. Ihre Leibesfarbe war Oliven-braun mit ei- nem Kupfer-ähnlichem Glanze, und bey manchen noch durch aufgetragene Streifen von rothem oder weißem Ocker erhöhet. Es scheint folglich, daß die Be- griffe von Schmuck und Zierrath älter und tiefgewurzelter bey uns sind, als die von Ehrbarkeit und Schaamhaftigkeit! Die Weiber waren beynahe wie die Männer gestaltet, nur etwas kleiner, den Gesichtszügen nach nicht minder häßlich und widrig, und auch in der Kleidung nicht unterschieden. Einige wenige hatten jedoch, außer dem Felle, welches die Schultern bedeckte, noch einen kleinen Lappen, kaum einer Hand groß, vorn am Schooße herabhängen, der, vermittelst einer Schnur, um die Hüften befestigt war. Ein ledernes Band
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Decem- ber.ſchen Straße, nicht weit von unſerm ietzigen Haven, geſehen, fuͤhrten eben die- ſes Wort faſt beſtaͤndig im Munde, weshalb er auch dieſer Nation den Namen Pecherais beylegte. Auf vielfaͤltiges Zuwinken kamen etliche von dieſen Leu- ten ins Schif; doch ließen ſie nicht das geringſte Zeichen von Freude blicken, ſchienen auch ganz ohne Neugierde zu ſeyn. Sie waren von kurzer Statur, keiner uͤber 5 Fuß 6 Zoll (engliſchen Maaßes) hoch, hatten dicke große Koͤpfe, breite Geſichter, ſehr platte Naſen, und die Backenknochen unter den Augen ſehr hervorragend; die Augen ſelbſt waren von brauner Farbe, aber klein und matt, das Haar ſchwarz, ganz gerade, mit Thran eingeſchmiert, und hieng ih- nen wild und zottigt um den Kopf. Anſtatt des Barts ſtanden einige einzelne Borſten auf dem Kinn, und von der Naſe bis in das haͤßliche, ſtets ofne Maul, war ein beſtaͤndig fließender Canal vorhanden. Dieſe Zuͤge machten zuſam- men genommen das vollſtaͤndigſte und redendſte Bild von dem tiefen Elend aus, worinn dies ungluͤckliche Geſchlecht von Menſchen dahinlebt. Herr Hodges hat von zwoen dieſer Phyſiognomien eine ſehr richtige, charakte- riſtiſche Zeichnung verfertigt. Schultern und Bruſt waren breit und ſtark gebaut, der Untertheil des Koͤrpers aber ſo mager und eingeſchrumpft, daß man ſich kaum vorſtellen konnte, er gehoͤre zum obern. Die Beine waren duͤnn und krumm, und die Knie viel zu ſtark. Ihr einziges elendes Kleidungs- Stuͤck beſtand in einem alten kleinen See-Hunds-Fell, welches vermittelſt einer Schnur, um den Hals befeſtigt war. Uebrigens giengen ſie ganz nackend, ohne auf das, was Anſtaͤndigkeit und Ehrbarkeit bey uns fordern wuͤrden, die geringſte Ruͤckſicht zu nehmen. Ihre Leibesfarbe war Oliven-braun mit ei- nem Kupfer-aͤhnlichem Glanze, und bey manchen noch durch aufgetragene Streifen von rothem oder weißem Ocker erhoͤhet. Es ſcheint folglich, daß die Be- griffe von Schmuck und Zierrath aͤlter und tiefgewurzelter bey uns ſind, als die von Ehrbarkeit und Schaamhaftigkeit! Die Weiber waren beynahe wie die Maͤnner geſtaltet, nur etwas kleiner, den Geſichtszuͤgen nach nicht minder haͤßlich und widrig, und auch in der Kleidung nicht unterſchieden. Einige wenige hatten jedoch, außer dem Felle, welches die Schultern bedeckte, noch einen kleinen Lappen, kaum einer Hand groß, vorn am Schooße herabhaͤngen, der, vermittelſt einer Schnur, um die Huͤften befeſtigt war. Ein ledernes Band
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Forſter’s Reiſe um die Welt
ſchen Straße, nicht weit von unſerm ietzigen Haven, geſehen, fuͤhrten eben die-
ſes Wort faſt beſtaͤndig im Munde, weshalb er auch dieſer Nation den Namen
Pecherais beylegte. Auf vielfaͤltiges Zuwinken kamen etliche von dieſen Leu-
ten ins Schif; doch ließen ſie nicht das geringſte Zeichen von Freude blicken,
ſchienen auch ganz ohne Neugierde zu ſeyn. Sie waren von kurzer Statur,
keiner uͤber 5 Fuß 6 Zoll (engliſchen Maaßes) hoch, hatten dicke große Koͤpfe,
breite Geſichter, ſehr platte Naſen, und die Backenknochen unter den Augen
ſehr hervorragend; die Augen ſelbſt waren von brauner Farbe, aber klein und
matt, das Haar ſchwarz, ganz gerade, mit Thran eingeſchmiert, und hieng ih-
nen wild und zottigt um den Kopf. Anſtatt des Barts ſtanden einige einzelne
Borſten auf dem Kinn, und von der Naſe bis in das haͤßliche, ſtets ofne Maul,
war ein beſtaͤndig fließender Canal vorhanden. Dieſe Zuͤge machten zuſam-
men genommen das vollſtaͤndigſte und redendſte Bild von dem tiefen Elend
aus, worinn dies ungluͤckliche Geſchlecht von Menſchen dahinlebt. Herr
Hodges hat von zwoen dieſer Phyſiognomien eine ſehr richtige, charakte-
riſtiſche Zeichnung verfertigt. Schultern und Bruſt waren breit und ſtark
gebaut, der Untertheil des Koͤrpers aber ſo mager und eingeſchrumpft, daß
man ſich kaum vorſtellen konnte, er gehoͤre zum obern. Die Beine waren
duͤnn und krumm, und die Knie viel zu ſtark. Ihr einziges elendes Kleidungs-
Stuͤck beſtand in einem alten kleinen See-Hunds-Fell, welches vermittelſt einer
Schnur, um den Hals befeſtigt war. Uebrigens giengen ſie ganz nackend,
ohne auf das, was Anſtaͤndigkeit und Ehrbarkeit bey uns fordern wuͤrden, die
geringſte Ruͤckſicht zu nehmen. Ihre Leibesfarbe war Oliven-braun mit ei-
nem Kupfer-aͤhnlichem Glanze, und bey manchen noch durch aufgetragene
Streifen von rothem oder weißem Ocker erhoͤhet. Es ſcheint folglich, daß die Be-
griffe von Schmuck und Zierrath aͤlter und tiefgewurzelter bey uns ſind, als die
von Ehrbarkeit und Schaamhaftigkeit! Die Weiber waren beynahe wie die
Maͤnner geſtaltet, nur etwas kleiner, den Geſichtszuͤgen nach nicht minder
haͤßlich und widrig, und auch in der Kleidung nicht unterſchieden. Einige
wenige hatten jedoch, außer dem Felle, welches die Schultern bedeckte, noch
einen kleinen Lappen, kaum einer Hand groß, vorn am Schooße herabhaͤngen,
der, vermittelſt einer Schnur, um die Huͤften befeſtigt war. Ein ledernes
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