1774. Novem ber.Segeln, nahe an den Wind gelegt, alsdann betrug der Winkel nur achtzehn Grad *).
Die ganze Reise über hatten wir, fast täglich, Seevögel von den Alba- tros-Petrell- oder Pinguin-Arten um das Schif her, und, was das sonder- barste war, sie fanden sich am häufigsten auf dem halben Wege zwischen Ameri- ka und Neu-Seeland, ohnerachtet diese beyden Länder 1500 englische See- meilen**) (d. i. 725 deutsche Meilen) weit von einander entfernt liegen! Am 27ten wehte der Westwind mit solcher Heftigkeit, daß wir, der Schifsrechnung nach, binnen 24 Stunden einen Weg von 184 Meilen (d. i. gegen 40 deut- sche Meilen) zurücklegten, und das war ungleich mehr als wir je zuvor gethan.
Decem- ber.
Am zweyten December erhob sich, nach einer kleinen Windstille, ein fri- scher Wind, der unabläßig, nur bald schwächer bald stärker, anhielt, bis wir am 18ten, nicht lange nach Mitternacht, Land erblickten. Es war die Gegend um das Cap Deseado, welches, an der Magellanischen Meer-Enge, auf der westlichen Insel von Tierra del Fuego belegen ist. Die Neu-Seeländi- schen gesalznen Fische hatten bis hieher, folglich von einem Lande bis zum andern vorgehalten, und uns weit besser geschmekt, als das eingesalzne Rind- und Schweinefleisch. Letzteres war nun einem jeden dermaaßen zum Eckel geworden, daß selbst Capitain Cook, der doch sonst in allem Betracht ein rechter Seemann war, befürchtete, er würde in der Folge nie wieder Pöckelfleisch genießen können! Sauerkraut war auch noch vorräthig und vom guten Geschmack, und sowohl die- ses als das frische Wort oder Würze, diente zum Präservativ gegen den Schaarbok. Nur Schade, daß das Malz größtentheils seine Kraft verlohren hatte, weil es in frische, nicht gehörig ausgetroknete Fäßer gepackt worden, und deshalb verdorben war. Ich trank reichlich davon, konnte aber dennoch nicht verhindern, daß mir die Füße von Zeit zu Zeit anschwollen und sehr empfindlich schmerzten.
Derjenige Theil von Amerika, den wir jetzt vor uns hatten, sah höchst traurig aus! Gegen drey Uhr Morgens liefen wir dicht an die Küste heran, die mehrentheils in dicken Nebel gehüllet war. Was uns am nächsten lag, schie- ***)
*)Cooks Voyage towards the South Pole, & round the World Vol. 2. p. 171.
**)Leagues.
***)Miles.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Novem ber.Segeln, nahe an den Wind gelegt, alsdann betrug der Winkel nur achtzehn Grad *).
Die ganze Reiſe uͤber hatten wir, faſt taͤglich, Seevoͤgel von den Alba- tros-Petrell- oder Pinguin-Arten um das Schif her, und, was das ſonder- barſte war, ſie fanden ſich am haͤufigſten auf dem halben Wege zwiſchen Ameri- ka und Neu-Seeland, ohnerachtet dieſe beyden Laͤnder 1500 engliſche See- meilen**) (d. i. 725 deutſche Meilen) weit von einander entfernt liegen! Am 27ten wehte der Weſtwind mit ſolcher Heftigkeit, daß wir, der Schifsrechnung nach, binnen 24 Stunden einen Weg von 184 Meilen (d. i. gegen 40 deut- ſche Meilen) zuruͤcklegten, und das war ungleich mehr als wir je zuvor gethan.
Decem- ber.
Am zweyten December erhob ſich, nach einer kleinen Windſtille, ein fri- ſcher Wind, der unablaͤßig, nur bald ſchwaͤcher bald ſtaͤrker, anhielt, bis wir am 18ten, nicht lange nach Mitternacht, Land erblickten. Es war die Gegend um das Cap Deſeado, welches, an der Magellaniſchen Meer-Enge, auf der weſtlichen Inſel von Tierra del Fuego belegen iſt. Die Neu-Seelaͤndi- ſchen geſalznen Fiſche hatten bis hieher, folglich von einem Lande bis zum andern vorgehalten, und uns weit beſſer geſchmekt, als das eingeſalzne Rind- und Schweinefleiſch. Letzteres war nun einem jeden dermaaßen zum Eckel geworden, daß ſelbſt Capitain Cook, der doch ſonſt in allem Betracht ein rechter Seemann war, befuͤrchtete, er wuͤrde in der Folge nie wieder Poͤckelfleiſch genießen koͤnnen! Sauerkraut war auch noch vorraͤthig und vom guten Geſchmack, und ſowohl die- ſes als das friſche Wort oder Wuͤrze, diente zum Praͤſervativ gegen den Schaarbok. Nur Schade, daß das Malz groͤßtentheils ſeine Kraft verlohren hatte, weil es in friſche, nicht gehoͤrig ausgetroknete Faͤßer gepackt worden, und deshalb verdorben war. Ich trank reichlich davon, konnte aber dennoch nicht verhindern, daß mir die Fuͤße von Zeit zu Zeit anſchwollen und ſehr empfindlich ſchmerzten.
Derjenige Theil von Amerika, den wir jetzt vor uns hatten, ſah hoͤchſt traurig aus! Gegen drey Uhr Morgens liefen wir dicht an die Kuͤſte heran, die mehrentheils in dicken Nebel gehuͤllet war. Was uns am naͤchſten lag, ſchie- ***)
*)Cooks Voyage towards the South Pole, & round the World Vol. 2. p. 171.
**)Leagues.
***)Miles.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Segeln, nahe an den Wind gelegt, alsdann betrug der Winkel nur achtzehn
Grad *).
1774.
Novem
ber.
Die ganze Reiſe uͤber hatten wir, faſt taͤglich, Seevoͤgel von den Alba-
tros-Petrell- oder Pinguin-Arten um das Schif her, und, was das ſonder-
barſte war, ſie fanden ſich am haͤufigſten auf dem halben Wege zwiſchen Ameri-
ka und Neu-Seeland, ohnerachtet dieſe beyden Laͤnder 1500 engliſche See-
meilen **) (d. i. 725 deutſche Meilen) weit von einander entfernt liegen! Am
27ten wehte der Weſtwind mit ſolcher Heftigkeit, daß wir, der Schifsrechnung
nach, binnen 24 Stunden einen Weg von 184 Meilen (d. i. gegen 40 deut-
ſche Meilen) zuruͤcklegten, und das war ungleich mehr als wir je zuvor gethan.
Am zweyten December erhob ſich, nach einer kleinen Windſtille, ein fri-
ſcher Wind, der unablaͤßig, nur bald ſchwaͤcher bald ſtaͤrker, anhielt, bis wir
am 18ten, nicht lange nach Mitternacht, Land erblickten. Es war die Gegend
um das Cap Deſeado, welches, an der Magellaniſchen Meer-Enge, auf
der weſtlichen Inſel von Tierra del Fuego belegen iſt. Die Neu-Seelaͤndi-
ſchen geſalznen Fiſche hatten bis hieher, folglich von einem Lande bis zum andern
vorgehalten, und uns weit beſſer geſchmekt, als das eingeſalzne Rind- und
Schweinefleiſch. Letzteres war nun einem jeden dermaaßen zum Eckel geworden,
daß ſelbſt Capitain Cook, der doch ſonſt in allem Betracht ein rechter Seemann
war, befuͤrchtete, er wuͤrde in der Folge nie wieder Poͤckelfleiſch genießen koͤnnen!
Sauerkraut war auch noch vorraͤthig und vom guten Geſchmack, und ſowohl die-
ſes als das friſche Wort oder Wuͤrze, diente zum Praͤſervativ gegen den
Schaarbok. Nur Schade, daß das Malz groͤßtentheils ſeine Kraft verlohren
hatte, weil es in friſche, nicht gehoͤrig ausgetroknete Faͤßer gepackt worden, und
deshalb verdorben war. Ich trank reichlich davon, konnte aber dennoch nicht
verhindern, daß mir die Fuͤße von Zeit zu Zeit anſchwollen und ſehr empfindlich
ſchmerzten.
Derjenige Theil von Amerika, den wir jetzt vor uns hatten, ſah hoͤchſt
traurig aus! Gegen drey Uhr Morgens liefen wir dicht an die Kuͤſte heran, die
mehrentheils in dicken Nebel gehuͤllet war. Was uns am naͤchſten lag, ſchie-
***)
*) Cooks Voyage towards the South Pole, & round the World Vol. 2. p. 171.
**) Leagues.
***) Miles.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/398>, abgerufen am 23.07.2024.
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