1774. Novem- ber.Bay angedeutet, denn damals wußte man noch nicht, daß er mit besagter Strasse, oder Meerenge, Gemeinschaft habe.
Den folgenden Tag fiel neblichtes schlechtes Wetter ein; der ehrliche Pitere ließ sich aber dadurch nicht abhalten mit seinen Gefährten zu uns zu kommen. Capitain Cook glaubte ihm, für die wesentlichen Dienste wel- che er uns bisher geleistet hatte, eine öffentliche Erkenntlichkeit schul- dig zu seyn. Zu dem Ende rufte er ihn heut in die Cajütte und kleidete ihn, vom Kopf bis auf die Füße, nach europäischer Weise. Pitere schien über seinen neuen Anzug hocherfreut und ließ sich deutlich merken, daß er stolz dar- auf sey, bey uns in Gunst zu stehn. Er hielt sich aber auch durch dies Ge- schenk für so vollkommen belohnt, daß er es nicht wagte noch um irgend etwas zu bitten welches, hier zu Lande, für einen seltnen Grad von Mäßigung gelten konnte. Wir nahmen ihn, in seinem ungewohnten Staat, mit nach Long- Eyland auf die Jagd, und von da wieder an Bord zum Mittagsessen. Für einen rohen Wilden betrug er sich bey Tische ungemein sittsahm und manierlich. Ich glaube auch, daß er die Ueberlegenheit unsrer Kenntnisse, Künste, Manu- facturen und Lebensart zum Theil würklich fühlen mochte, denn er war in unserer Gesellschaft sehr gern und immer sehr vergnügt. Dem ohnerachtet lies er sich nicht ein einziges mahl merken, daß er mit uns ziehen wolle, sondern lehnte es viel- mehr ab, wenn wir's ihm antrugen. Freylich kann es seltsahm scheinen, daß ihm, auch bey der unvollkommensten Vorstellung von unsern Vorzügen, die elende unstäte Lebensart seiner Landsleute habe lieber seyn können, als alle die Vortheile, welche er bey uns, theils würklich schon genoß, theils in der Folge noch zu gewar- rten hatte. Ich habe aber schon an einem andern Orte bemerkt, daß die Wil- den durchgehends so zu urtheilen pflegen; und ich will jetzt nur noch hinzufügen, daß selbst civilisirte Völker nicht anders denken. Die Macht der Gewohnheit zeigt sich nirgends deutlicher als in denen Fällen, wo sie allein den Bequemlichkei- ten des gesitteten Lebens die Wage hält!
Gegen Abend kehrte Pitere mit seinen Gefährten ans Land zurück, sein ver- meyntes Glück hatte ihn aber nicht stolz gemacht, denn er kam am andern Mor- gen, nach wie vor, mit frischen Fischen zu uns. Wir hörten ihn und seine Ge- sellschafter oftmahls am Lande singen, und zuweilen pflegten sie uns auch wohl an Bord ein Liedchen zum Besten zu geben. In Neu-Seeland ist man in
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Novem- ber.Bay angedeutet, denn damals wußte man noch nicht, daß er mit beſagter Straſſe, oder Meerenge, Gemeinſchaft habe.
Den folgenden Tag fiel neblichtes ſchlechtes Wetter ein; der ehrliche Piteré ließ ſich aber dadurch nicht abhalten mit ſeinen Gefaͤhrten zu uns zu kommen. Capitain Cook glaubte ihm, fuͤr die weſentlichen Dienſte wel- che er uns bisher geleiſtet hatte, eine oͤffentliche Erkenntlichkeit ſchul- dig zu ſeyn. Zu dem Ende rufte er ihn heut in die Cajuͤtte und kleidete ihn, vom Kopf bis auf die Fuͤße, nach europaͤiſcher Weiſe. Piteré ſchien uͤber ſeinen neuen Anzug hocherfreut und ließ ſich deutlich merken, daß er ſtolz dar- auf ſey, bey uns in Gunſt zu ſtehn. Er hielt ſich aber auch durch dies Ge- ſchenk fuͤr ſo vollkommen belohnt, daß er es nicht wagte noch um irgend etwas zu bitten welches, hier zu Lande, fuͤr einen ſeltnen Grad von Maͤßigung gelten konnte. Wir nahmen ihn, in ſeinem ungewohnten Staat, mit nach Long- Eyland auf die Jagd, und von da wieder an Bord zum Mittagseſſen. Fuͤr einen rohen Wilden betrug er ſich bey Tiſche ungemein ſittſahm und manierlich. Ich glaube auch, daß er die Ueberlegenheit unſrer Kenntniſſe, Kuͤnſte, Manu- facturen und Lebensart zum Theil wuͤrklich fuͤhlen mochte, denn er war in unſerer Geſellſchaft ſehr gern und immer ſehr vergnuͤgt. Dem ohnerachtet lies er ſich nicht ein einziges mahl merken, daß er mit uns ziehen wolle, ſondern lehnte es viel- mehr ab, wenn wir’s ihm antrugen. Freylich kann es ſeltſahm ſcheinen, daß ihm, auch bey der unvollkommenſten Vorſtellung von unſern Vorzuͤgen, die elende unſtaͤte Lebensart ſeiner Landsleute habe lieber ſeyn koͤnnen, als alle die Vortheile, welche er bey uns, theils wuͤrklich ſchon genoß, theils in der Folge noch zu gewar- rten hatte. Ich habe aber ſchon an einem andern Orte bemerkt, daß die Wil- den durchgehends ſo zu urtheilen pflegen; und ich will jetzt nur noch hinzufuͤgen, daß ſelbſt civiliſirte Voͤlker nicht anders denken. Die Macht der Gewohnheit zeigt ſich nirgends deutlicher als in denen Faͤllen, wo ſie allein den Bequemlichkei- ten des geſitteten Lebens die Wage haͤlt!
Gegen Abend kehrte Piteré mit ſeinen Gefaͤhrten ans Land zuruͤck, ſein ver- meyntes Gluͤck hatte ihn aber nicht ſtolz gemacht, denn er kam am andern Mor- gen, nach wie vor, mit friſchen Fiſchen zu uns. Wir hoͤrten ihn und ſeine Ge- ſellſchafter oftmahls am Lande ſingen, und zuweilen pflegten ſie uns auch wohl an Bord ein Liedchen zum Beſten zu geben. In Neu-Seeland iſt man in
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Bay angedeutet, denn damals wußte man noch nicht, daß er mit beſagter
Straſſe, oder Meerenge, Gemeinſchaft habe.
1774.
Novem-
ber.
Den folgenden Tag fiel neblichtes ſchlechtes Wetter ein; der ehrliche
Piteré ließ ſich aber dadurch nicht abhalten mit ſeinen Gefaͤhrten zu uns zu
kommen. Capitain Cook glaubte ihm, fuͤr die weſentlichen Dienſte wel-
che er uns bisher geleiſtet hatte, eine oͤffentliche Erkenntlichkeit ſchul-
dig zu ſeyn. Zu dem Ende rufte er ihn heut in die Cajuͤtte und kleidete
ihn, vom Kopf bis auf die Fuͤße, nach europaͤiſcher Weiſe. Piteré ſchien uͤber
ſeinen neuen Anzug hocherfreut und ließ ſich deutlich merken, daß er ſtolz dar-
auf ſey, bey uns in Gunſt zu ſtehn. Er hielt ſich aber auch durch dies Ge-
ſchenk fuͤr ſo vollkommen belohnt, daß er es nicht wagte noch um irgend etwas
zu bitten welches, hier zu Lande, fuͤr einen ſeltnen Grad von Maͤßigung gelten
konnte. Wir nahmen ihn, in ſeinem ungewohnten Staat, mit nach Long-
Eyland auf die Jagd, und von da wieder an Bord zum Mittagseſſen. Fuͤr
einen rohen Wilden betrug er ſich bey Tiſche ungemein ſittſahm und manierlich.
Ich glaube auch, daß er die Ueberlegenheit unſrer Kenntniſſe, Kuͤnſte, Manu-
facturen und Lebensart zum Theil wuͤrklich fuͤhlen mochte, denn er war in unſerer
Geſellſchaft ſehr gern und immer ſehr vergnuͤgt. Dem ohnerachtet lies er ſich nicht
ein einziges mahl merken, daß er mit uns ziehen wolle, ſondern lehnte es viel-
mehr ab, wenn wir’s ihm antrugen. Freylich kann es ſeltſahm ſcheinen, daß
ihm, auch bey der unvollkommenſten Vorſtellung von unſern Vorzuͤgen, die elende
unſtaͤte Lebensart ſeiner Landsleute habe lieber ſeyn koͤnnen, als alle die Vortheile,
welche er bey uns, theils wuͤrklich ſchon genoß, theils in der Folge noch zu gewar-
rten hatte. Ich habe aber ſchon an einem andern Orte bemerkt, daß die Wil-
den durchgehends ſo zu urtheilen pflegen; und ich will jetzt nur noch hinzufuͤgen,
daß ſelbſt civiliſirte Voͤlker nicht anders denken. Die Macht der Gewohnheit zeigt
ſich nirgends deutlicher als in denen Faͤllen, wo ſie allein den Bequemlichkei-
ten des geſitteten Lebens die Wage haͤlt!
Gegen Abend kehrte Piteré mit ſeinen Gefaͤhrten ans Land zuruͤck, ſein ver-
meyntes Gluͤck hatte ihn aber nicht ſtolz gemacht, denn er kam am andern Mor-
gen, nach wie vor, mit friſchen Fiſchen zu uns. Wir hoͤrten ihn und ſeine Ge-
ſellſchafter oftmahls am Lande ſingen, und zuweilen pflegten ſie uns auch wohl
an Bord ein Liedchen zum Beſten zu geben. In Neu-Seeland iſt man in
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/392>, abgerufen am 24.11.2024.
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