Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.April.hai te teina, d. i. er schlägt seinen Bruder! Wir wußten aus andern Um- ständen, daß ihnen der Unterschied zwischen dem Capitain und seinem untergeb- nen Volk nicht unbekannt sey; wir konnten aber hieraus schließen, daß sie uns alle für Brüder hielten. Die natürlichste Folgerung hieraus scheint zu seyn, daß sie selbst sich untereinander für Brüder, mithin ihr ganzes Volk für eine einzige Familie und den König gleichsam nur für den ältesten halten. Da sie noch nicht so weit civilisirt sind, als die Einwohner auf Tahiti, so wissen sie auch noch nichts vom Unterschied der Stände und vom Range. Ihre politi- sche Verfassung hat noch keine bestimmte monarchische Form erhalten. Der Anbau des Landes erfordert hier mehr Arbeit als zu Tahiti, und daher rührt denn auch der Unterschied den wir zwischen der bürgerlichen Verfassung dieser bey- den Völker antrafen. In so fern nemlich die Lebensmittel hier nicht so leicht zu erhalten sind als dort, in so fern können auch Bevölkerung und Luxus hier nicht so merklich seyn und es muß eine größere Gleichheit unter den Leuten bleiben. Mit dieser Bemerkung stimmt es sehr gut überein, daß, so viel wir sahen, dem König Honu eben keine besondre Ehre oder vorzügliche Achtung bewiesen wur- de. Er kam am zweyten Tage unsers Aufenthalts allhier, einigemal zu uns. Sein ganzer Vorzug schien in seiner Kleidung zu bestehen; denn diese war voll- ständiger, als sie von vielen andern Leuten getragen wurde, die, entweder aus Neigung oder aus Faulheit, in diesem glücklichen, tropischen Clima nackend gien- gen, in welchem man der Kleidung auch füglich entbehren kann. Am folgenden Morgen gieng der Capitain abermals nach der zuvorge- lande
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.April.hai te teina, d. i. er ſchlaͤgt ſeinen Bruder! Wir wußten aus andern Um- ſtaͤnden, daß ihnen der Unterſchied zwiſchen dem Capitain und ſeinem untergeb- nen Volk nicht unbekannt ſey; wir konnten aber hieraus ſchließen, daß ſie uns alle fuͤr Bruͤder hielten. Die natuͤrlichſte Folgerung hieraus ſcheint zu ſeyn, daß ſie ſelbſt ſich untereinander fuͤr Bruͤder, mithin ihr ganzes Volk fuͤr eine einzige Familie und den Koͤnig gleichſam nur fuͤr den aͤlteſten halten. Da ſie noch nicht ſo weit civiliſirt ſind, als die Einwohner auf Tahiti, ſo wiſſen ſie auch noch nichts vom Unterſchied der Staͤnde und vom Range. Ihre politi- ſche Verfaſſung hat noch keine beſtimmte monarchiſche Form erhalten. Der Anbau des Landes erfordert hier mehr Arbeit als zu Tahiti, und daher ruͤhrt denn auch der Unterſchied den wir zwiſchen der buͤrgerlichen Verfaſſung dieſer bey- den Voͤlker antrafen. In ſo fern nemlich die Lebensmittel hier nicht ſo leicht zu erhalten ſind als dort, in ſo fern koͤnnen auch Bevoͤlkerung und Luxus hier nicht ſo merklich ſeyn und es muß eine groͤßere Gleichheit unter den Leuten bleiben. Mit dieſer Bemerkung ſtimmt es ſehr gut uͤberein, daß, ſo viel wir ſahen, dem Koͤnig Honu eben keine beſondre Ehre oder vorzuͤgliche Achtung bewieſen wur- de. Er kam am zweyten Tage unſers Aufenthalts allhier, einigemal zu uns. Sein ganzer Vorzug ſchien in ſeiner Kleidung zu beſtehen; denn dieſe war voll- ſtaͤndiger, als ſie von vielen andern Leuten getragen wurde, die, entweder aus Neigung oder aus Faulheit, in dieſem gluͤcklichen, tropiſchen Clima nackend gien- gen, in welchem man der Kleidung auch fuͤglich entbehren kann. Am folgenden Morgen gieng der Capitain abermals nach der zuvorge- lande
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Forſter’s Reiſe um die Welt
hai te teina, d. i. er ſchlaͤgt ſeinen Bruder! Wir wußten aus andern Um-
ſtaͤnden, daß ihnen der Unterſchied zwiſchen dem Capitain und ſeinem untergeb-
nen Volk nicht unbekannt ſey; wir konnten aber hieraus ſchließen, daß ſie uns
alle fuͤr Bruͤder hielten. Die natuͤrlichſte Folgerung hieraus ſcheint zu ſeyn,
daß ſie ſelbſt ſich untereinander fuͤr Bruͤder, mithin ihr ganzes Volk fuͤr eine
einzige Familie und den Koͤnig gleichſam nur fuͤr den aͤlteſten halten. Da ſie
noch nicht ſo weit civiliſirt ſind, als die Einwohner auf Tahiti, ſo wiſſen ſie
auch noch nichts vom Unterſchied der Staͤnde und vom Range. Ihre politi-
ſche Verfaſſung hat noch keine beſtimmte monarchiſche Form erhalten. Der
Anbau des Landes erfordert hier mehr Arbeit als zu Tahiti, und daher ruͤhrt
denn auch der Unterſchied den wir zwiſchen der buͤrgerlichen Verfaſſung dieſer bey-
den Voͤlker antrafen. In ſo fern nemlich die Lebensmittel hier nicht ſo leicht zu
erhalten ſind als dort, in ſo fern koͤnnen auch Bevoͤlkerung und Luxus hier nicht
ſo merklich ſeyn und es muß eine groͤßere Gleichheit unter den Leuten bleiben.
Mit dieſer Bemerkung ſtimmt es ſehr gut uͤberein, daß, ſo viel wir ſahen, dem
Koͤnig Honu eben keine beſondre Ehre oder vorzuͤgliche Achtung bewieſen wur-
de. Er kam am zweyten Tage unſers Aufenthalts allhier, einigemal zu uns.
Sein ganzer Vorzug ſchien in ſeiner Kleidung zu beſtehen; denn dieſe war voll-
ſtaͤndiger, als ſie von vielen andern Leuten getragen wurde, die, entweder aus
Neigung oder aus Faulheit, in dieſem gluͤcklichen, tropiſchen Clima nackend gien-
gen, in welchem man der Kleidung auch fuͤglich entbehren kann.
1774.
April.
Am folgenden Morgen gieng der Capitain abermals nach der zuvorge-
dachten Bucht; er war aber im Handel nicht ſo gluͤcklich. Die Einwohner
kannten die Vortreflichkeit und Dauerhaftigkeit unſrer Eiſenwaaren noch nicht
genugſam. Sie wollten ſie folglich nicht mehr nehmen, und verlangten man-
cherley Dinge, die wir nicht fuͤglich entbehren konnten. Alſo lichteten wir
Nachmittags den Anker und verließen den Haven Madre de Dios, nach einem
beynahe viertaͤgigen Aufenthalt. Waͤhrend dieſer Zeit hatten wir eine anſehnli-
che Menge friſches, vortrefliches Waſſer eingenommen, auch von dieſem freund-
ſchaftlichen und guten Volk einen ſehr heilſamen Vorrath von Erfriſchungen er-
halten. In der Natur-Geſchichte hingegen hatten wir nicht ſonderlich viel
Neues entdeckt, weil unſer Aufenthalt nur ſehr kurz, und weil dieſe Ey-
lande
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