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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
Septem-
ber.
zenspeisen, dennoch von größerer und muskulöser Leibesstatur sind als die Tan-
neser
. Vielleicht muß man aber, um die verschiedne Statur der Nationen zu
erklären, nicht sowohl auf die Verschiedenheit ihrer Nahrungsmittel, als viel-
mehr auf die Verschiedenheit der Stämme und Racen sehen, von welchen sie
herkommen.

Das Betragen der Neu-Caledonier gegen uns setzte ihre Gemüths-
art in ein sehr vortheilhaftes Licht. Sie sind das einzige Volk in der Südsee,
das keine Ursach hat, mit unsrer Anwesenheit unzufrieden zu seyn. Es ist lei-
der zur Genüge bekannt, wie leicht sich die Seeleute reizen lassen, Indianern
das Leben zu nehmen; bedenkt man nun, daß die hiesigen sich nicht die geringste
Unannehmlichkeit, vielweniger Mord und Todtschlag zugezogen haben, so ist
schon daraus allein abzunehmen, daß sie in sehr hohem Grade sanftmüthig und
friedfertig seyn müßen. Diejenigen Philosophen, welche den Gemüthscharakter,
die Sitten und das Genie der Völker, lediglich vom Clima abhängen lassen, wür-
den gewiß sehr verlegen seyn, wie sie, aus diesem allein, den friedlichen Cha-
rakter der Leute auf Neu-Caledonia erklären sollten. Will man sagen, daß
sie blos deswegen von keinem Mistrauen wissen, weil sie wenig zu verlieren
haben; so würde ich fragen, wie es zugeht, daß die Leute auf Neu-Holland,
die doch unter gleichem Himmelsstrich, auf einem gleich dürrem Boden wohnen,
und noch armseliger dran sind als die hiesigen Einwohner, daß die gleichwohl, ganz
im Gegentheil, so wild und Menschenscheu befunden werden! Der verschiedne Cha-
rakter der Nationen muß folglich wohl von einer Menge verschiedner Ursachen ab-
hängen, die geraume Zeit über, unabläßig auf ein Volk fortgewürkt haben. Die
Gutartigkeit der Leute auf Neu-Caledonia liegt gewiß auch nicht daran, daß
Krieg und Händel ihnen ganz unbekannte Begriffe wären, denn sie haben ja Kriegs-
gewehr von mehr als einer Art! Ueberdem gestanden sie selbst, daß sie Feinde
hätten, und daß die Einwohner der Insel Mingha von ganz andrer Gemüths-
art wären als sie! Ich war einmal mit Capitain Cook und Herrn Wales in ei-
nem Boot, als einer von ihnen, durch sehr verständliche Zeichen, zu erkennen
gab, sie hätten Feinde, welche Menschenfleisch fräßen; und das Betragen der
Indianer auf Balabia, (die das Pöckelfleisch, welches unsre Leute in ihrer Ge-
genwart verzehrten, für Menschenfleisch hielten,) beweißt zur Genüge, daß sie

von

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Septem-
ber.
zenſpeiſen, dennoch von groͤßerer und muſkuloͤſer Leibesſtatur ſind als die Tan-
neſer
. Vielleicht muß man aber, um die verſchiedne Statur der Nationen zu
erklaͤren, nicht ſowohl auf die Verſchiedenheit ihrer Nahrungsmittel, als viel-
mehr auf die Verſchiedenheit der Staͤmme und Racen ſehen, von welchen ſie
herkommen.

Das Betragen der Neu-Caledonier gegen uns ſetzte ihre Gemuͤths-
art in ein ſehr vortheilhaftes Licht. Sie ſind das einzige Volk in der Suͤdſee,
das keine Urſach hat, mit unſrer Anweſenheit unzufrieden zu ſeyn. Es iſt lei-
der zur Genuͤge bekannt, wie leicht ſich die Seeleute reizen laſſen, Indianern
das Leben zu nehmen; bedenkt man nun, daß die hieſigen ſich nicht die geringſte
Unannehmlichkeit, vielweniger Mord und Todtſchlag zugezogen haben, ſo iſt
ſchon daraus allein abzunehmen, daß ſie in ſehr hohem Grade ſanftmuͤthig und
friedfertig ſeyn muͤßen. Diejenigen Philoſophen, welche den Gemuͤthscharakter,
die Sitten und das Genie der Voͤlker, lediglich vom Clima abhaͤngen laſſen, wuͤr-
den gewiß ſehr verlegen ſeyn, wie ſie, aus dieſem allein, den friedlichen Cha-
rakter der Leute auf Neu-Caledonia erklaͤren ſollten. Will man ſagen, daß
ſie blos deswegen von keinem Mistrauen wiſſen, weil ſie wenig zu verlieren
haben; ſo wuͤrde ich fragen, wie es zugeht, daß die Leute auf Neu-Holland,
die doch unter gleichem Himmelsſtrich, auf einem gleich duͤrrem Boden wohnen,
und noch armſeliger dran ſind als die hieſigen Einwohner, daß die gleichwohl, ganz
im Gegentheil, ſo wild und Menſchenſcheu befunden werden! Der verſchiedne Cha-
rakter der Nationen muß folglich wohl von einer Menge verſchiedner Urſachen ab-
haͤngen, die geraume Zeit uͤber, unablaͤßig auf ein Volk fortgewuͤrkt haben. Die
Gutartigkeit der Leute auf Neu-Caledonia liegt gewiß auch nicht daran, daß
Krieg und Haͤndel ihnen ganz unbekannte Begriffe waͤren, denn ſie haben ja Kriegs-
gewehr von mehr als einer Art! Ueberdem geſtanden ſie ſelbſt, daß ſie Feinde
haͤtten, und daß die Einwohner der Inſel Mingha von ganz andrer Gemuͤths-
art waͤren als ſie! Ich war einmal mit Capitain Cook und Herrn Wales in ei-
nem Boot, als einer von ihnen, durch ſehr verſtaͤndliche Zeichen, zu erkennen
gab, ſie haͤtten Feinde, welche Menſchenfleiſch fraͤßen; und das Betragen der
Indianer auf Balabia, (die das Poͤckelfleiſch, welches unſre Leute in ihrer Ge-
genwart verzehrten, fuͤr Menſchenfleiſch hielten,) beweißt zur Genuͤge, daß ſie

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[336/0354] Forſter’s Reiſe um die Welt zenſpeiſen, dennoch von groͤßerer und muſkuloͤſer Leibesſtatur ſind als die Tan- neſer. Vielleicht muß man aber, um die verſchiedne Statur der Nationen zu erklaͤren, nicht ſowohl auf die Verſchiedenheit ihrer Nahrungsmittel, als viel- mehr auf die Verſchiedenheit der Staͤmme und Racen ſehen, von welchen ſie herkommen. 1774. Septem- ber. Das Betragen der Neu-Caledonier gegen uns ſetzte ihre Gemuͤths- art in ein ſehr vortheilhaftes Licht. Sie ſind das einzige Volk in der Suͤdſee, das keine Urſach hat, mit unſrer Anweſenheit unzufrieden zu ſeyn. Es iſt lei- der zur Genuͤge bekannt, wie leicht ſich die Seeleute reizen laſſen, Indianern das Leben zu nehmen; bedenkt man nun, daß die hieſigen ſich nicht die geringſte Unannehmlichkeit, vielweniger Mord und Todtſchlag zugezogen haben, ſo iſt ſchon daraus allein abzunehmen, daß ſie in ſehr hohem Grade ſanftmuͤthig und friedfertig ſeyn muͤßen. Diejenigen Philoſophen, welche den Gemuͤthscharakter, die Sitten und das Genie der Voͤlker, lediglich vom Clima abhaͤngen laſſen, wuͤr- den gewiß ſehr verlegen ſeyn, wie ſie, aus dieſem allein, den friedlichen Cha- rakter der Leute auf Neu-Caledonia erklaͤren ſollten. Will man ſagen, daß ſie blos deswegen von keinem Mistrauen wiſſen, weil ſie wenig zu verlieren haben; ſo wuͤrde ich fragen, wie es zugeht, daß die Leute auf Neu-Holland, die doch unter gleichem Himmelsſtrich, auf einem gleich duͤrrem Boden wohnen, und noch armſeliger dran ſind als die hieſigen Einwohner, daß die gleichwohl, ganz im Gegentheil, ſo wild und Menſchenſcheu befunden werden! Der verſchiedne Cha- rakter der Nationen muß folglich wohl von einer Menge verſchiedner Urſachen ab- haͤngen, die geraume Zeit uͤber, unablaͤßig auf ein Volk fortgewuͤrkt haben. Die Gutartigkeit der Leute auf Neu-Caledonia liegt gewiß auch nicht daran, daß Krieg und Haͤndel ihnen ganz unbekannte Begriffe waͤren, denn ſie haben ja Kriegs- gewehr von mehr als einer Art! Ueberdem geſtanden ſie ſelbſt, daß ſie Feinde haͤtten, und daß die Einwohner der Inſel Mingha von ganz andrer Gemuͤths- art waͤren als ſie! Ich war einmal mit Capitain Cook und Herrn Wales in ei- nem Boot, als einer von ihnen, durch ſehr verſtaͤndliche Zeichen, zu erkennen gab, ſie haͤtten Feinde, welche Menſchenfleiſch fraͤßen; und das Betragen der Indianer auf Balabia, (die das Poͤckelfleiſch, welches unſre Leute in ihrer Ge- genwart verzehrten, fuͤr Menſchenfleiſch hielten,) beweißt zur Genuͤge, daß ſie von

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/354>, abgerufen am 24.11.2024.