1774. August.Gehöft mit einer Gruppe von Einwohnern beiderley Geschlechts, die unter den schattenreichen Aesten des Feigenbaums im Grase saßen. Nach dieser Skizze hat er in der Folge ein Gemählde verfertigt, auf welchem sowohl die Gegend als die Einwohner, der Wahrheit und Natur getreu, vorgestellt sind. Gegen Sonnen Untergang fuhren wir nach dem Schiffe zurück.
Am folgenden Morgen verfügten wir uns von neuem aus Land, und giengen auf der Ebene in den Wald. Es hielt sich eine Menge großer Pa- pagoyen, die von schönem schwarz, roth und gelbfleckigtem Gefieder waren, darinn auf. Sie saßen aber in den Gipfeln der Feigenbäume, wo sie, nicht allein der großen Höhe, sondern auch des dicken Laubes wegen, mit Schroot-Schüssen gar nicht zu erreichen waren. Die ungeheure Größe dieser Bäume kann man sich kaum vorstellen. Ihre Wurzeln stehen größ- tentheils über der Erde, und machen, ohngefähr zehn bis zwölf Fuß hoch vom Boden, das Stamm-Ende des Baumes aus. Ein solcher Stamm hält manchmal neun bis zehen Fuß im Durchschnitt, und scheint aus mehreren zusammengewachsenen Bäumen zu bestehen, die auf allen Seiten, der Länge nach, scharfe ohngefähr einen Fuß breit hervorstehende Ecken haben. In dieser Figur wachsen sie dreyßig bis vierzig Fuß hoch, ehe sie sich in Aeste theilen, von denen jeder wenigstens drey Fuß im Durchmesser hat. Die Aeste werden ebenfalls dreyßig bis vierzig Fuß lang ehe sie kleinere Zweige hervortreiben, und auf solche Art ist der Gipfel des Baumes zum mindsten hundert und funfzig Fuß hoch. Am häufigsten standen sie in einem Sumpf oder Morast, wo sich der Teich, aus welchem wir Trinckwasser fürs Schiff ein- füllten, in verschiedene Aerme verlor. Ob dieser Teich das äusserste Ende ei- nes Flusses sey, der von den innern bergigten Gegenden der Insel herab- kommen, und in der volkanischen Schlacken-Asche, auf der Ebene, sich nach der See hin verlaufen mag, oder, ob er nur von den Regengüssen die in den Sommermonathen fallen, entstanden wäre? konnten wir nicht mit Gewißheit aus- findig machen. Das aber fanden wir, daß sich unzählig viel Mücken darinn aufhielten, die uns nicht wenig peinigten, wenn wir den Wachtel-Königen und Enten nachgiengen, die ihre Nahrung ebenfalls im Sumpfe suchten. Nur Schade, daß es uns nicht glücken wollte, ihnen beyzukommen, da sie doch
ver-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Auguſt.Gehoͤft mit einer Gruppe von Einwohnern beiderley Geſchlechts, die unter den ſchattenreichen Aeſten des Feigenbaums im Graſe ſaßen. Nach dieſer Skizze hat er in der Folge ein Gemaͤhlde verfertigt, auf welchem ſowohl die Gegend als die Einwohner, der Wahrheit und Natur getreu, vorgeſtellt ſind. Gegen Sonnen Untergang fuhren wir nach dem Schiffe zuruͤck.
Am folgenden Morgen verfuͤgten wir uns von neuem aus Land, und giengen auf der Ebene in den Wald. Es hielt ſich eine Menge großer Pa- pagoyen, die von ſchoͤnem ſchwarz, roth und gelbfleckigtem Gefieder waren, darinn auf. Sie ſaßen aber in den Gipfeln der Feigenbaͤume, wo ſie, nicht allein der großen Hoͤhe, ſondern auch des dicken Laubes wegen, mit Schroot-Schuͤſſen gar nicht zu erreichen waren. Die ungeheure Groͤße dieſer Baͤume kann man ſich kaum vorſtellen. Ihre Wurzeln ſtehen groͤß- tentheils uͤber der Erde, und machen, ohngefaͤhr zehn bis zwoͤlf Fuß hoch vom Boden, das Stamm-Ende des Baumes aus. Ein ſolcher Stamm haͤlt manchmal neun bis zehen Fuß im Durchſchnitt, und ſcheint aus mehreren zuſammengewachſenen Baͤumen zu beſtehen, die auf allen Seiten, der Laͤnge nach, ſcharfe ohngefaͤhr einen Fuß breit hervorſtehende Ecken haben. In dieſer Figur wachſen ſie dreyßig bis vierzig Fuß hoch, ehe ſie ſich in Aeſte theilen, von denen jeder wenigſtens drey Fuß im Durchmeſſer hat. Die Aeſte werden ebenfalls dreyßig bis vierzig Fuß lang ehe ſie kleinere Zweige hervortreiben, und auf ſolche Art iſt der Gipfel des Baumes zum mindſten hundert und funfzig Fuß hoch. Am haͤufigſten ſtanden ſie in einem Sumpf oder Moraſt, wo ſich der Teich, aus welchem wir Trinckwaſſer fuͤrs Schiff ein- fuͤllten, in verſchiedene Aerme verlor. Ob dieſer Teich das aͤuſſerſte Ende ei- nes Fluſſes ſey, der von den innern bergigten Gegenden der Inſel herab- kommen, und in der volkaniſchen Schlacken-Aſche, auf der Ebene, ſich nach der See hin verlaufen mag, oder, ob er nur von den Regenguͤſſen die in den Sommermonathen fallen, entſtanden waͤre? konnten wir nicht mit Gewißheit aus- findig machen. Das aber fanden wir, daß ſich unzaͤhlig viel Muͤcken darinn aufhielten, die uns nicht wenig peinigten, wenn wir den Wachtel-Koͤnigen und Enten nachgiengen, die ihre Nahrung ebenfalls im Sumpfe ſuchten. Nur Schade, daß es uns nicht gluͤcken wollte, ihnen beyzukommen, da ſie doch
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Gehoͤft mit einer Gruppe von Einwohnern beiderley Geſchlechts, die unter den
ſchattenreichen Aeſten des Feigenbaums im Graſe ſaßen. Nach dieſer Skizze
hat er in der Folge ein Gemaͤhlde verfertigt, auf welchem ſowohl die Gegend
als die Einwohner, der Wahrheit und Natur getreu, vorgeſtellt ſind. Gegen
Sonnen Untergang fuhren wir nach dem Schiffe zuruͤck.
1774.
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Am folgenden Morgen verfuͤgten wir uns von neuem aus Land, und
giengen auf der Ebene in den Wald. Es hielt ſich eine Menge großer Pa-
pagoyen, die von ſchoͤnem ſchwarz, roth und gelbfleckigtem Gefieder waren,
darinn auf. Sie ſaßen aber in den Gipfeln der Feigenbaͤume, wo
ſie, nicht allein der großen Hoͤhe, ſondern auch des dicken Laubes wegen, mit
Schroot-Schuͤſſen gar nicht zu erreichen waren. Die ungeheure Groͤße
dieſer Baͤume kann man ſich kaum vorſtellen. Ihre Wurzeln ſtehen groͤß-
tentheils uͤber der Erde, und machen, ohngefaͤhr zehn bis zwoͤlf Fuß hoch vom
Boden, das Stamm-Ende des Baumes aus. Ein ſolcher Stamm haͤlt
manchmal neun bis zehen Fuß im Durchſchnitt, und ſcheint aus mehreren
zuſammengewachſenen Baͤumen zu beſtehen, die auf allen Seiten, der Laͤnge
nach, ſcharfe ohngefaͤhr einen Fuß breit hervorſtehende Ecken haben. In
dieſer Figur wachſen ſie dreyßig bis vierzig Fuß hoch, ehe ſie ſich in Aeſte
theilen, von denen jeder wenigſtens drey Fuß im Durchmeſſer hat. Die
Aeſte werden ebenfalls dreyßig bis vierzig Fuß lang ehe ſie kleinere Zweige
hervortreiben, und auf ſolche Art iſt der Gipfel des Baumes zum mindſten
hundert und funfzig Fuß hoch. Am haͤufigſten ſtanden ſie in einem Sumpf
oder Moraſt, wo ſich der Teich, aus welchem wir Trinckwaſſer fuͤrs Schiff ein-
fuͤllten, in verſchiedene Aerme verlor. Ob dieſer Teich das aͤuſſerſte Ende ei-
nes Fluſſes ſey, der von den innern bergigten Gegenden der Inſel herab-
kommen, und in der volkaniſchen Schlacken-Aſche, auf der Ebene, ſich nach
der See hin verlaufen mag, oder, ob er nur von den Regenguͤſſen die in den
Sommermonathen fallen, entſtanden waͤre? konnten wir nicht mit Gewißheit aus-
findig machen. Das aber fanden wir, daß ſich unzaͤhlig viel Muͤcken darinn
aufhielten, die uns nicht wenig peinigten, wenn wir den Wachtel-Koͤnigen
und Enten nachgiengen, die ihre Nahrung ebenfalls im Sumpfe ſuchten.
Nur Schade, daß es uns nicht gluͤcken wollte, ihnen beyzukommen, da ſie doch
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/278>, abgerufen am 25.11.2024.
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