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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
August.
etlichen Tagen mit eignen Augen gesehen, den Indianern nicht wenig Zeit
und Mühe gekostet haben. Wir kamen bey verschiedenen Hütten vorüber,
trafen aber nirgends einen Einwohner an, ausgenommen in einer sehr wohlgehalte-
nen Plantage. Dort war ein einzelner Mann beschäftigt, Yam-Wurzeln zu setzen.
Unsre unvermuthete Gegenwart jagte ihm keinen geringen Schreck ein, da er
aber hörte, daß wir nur den nächsten Weg nach dem Vulcan zu wissen verlangten,
so faßte er sich bald wieder, zeigte uns einen Fußpfad, der gerade darnach
hin führen sollte, und fuhr hierauf getrost in seiner Arbeit fort. Bey den Woh-
nungen sahen wir etliche Schweine und Hüner, die frey herumliefen. Um
dieser Thiere willen geschiehet es vermuthlich, daß die Einwohner ihre Län-
dereyen mit Zäunen und Hecken einfassen. Etwas weiter hinauf kamen zween
Indianer aus einem benachbarten Pisang-Garten, und geselleten sich zu uns.
Mit diesen geriethen wir an einen Scheideweg. In dem einen, der tiefer ins
Land gieng, stand ein Wilder, der uns mit aufgehabnem Speer das Weitergehen
verbieten wollte. Wir sagten ihm, daß wir blos nach dem Vulcan hin-
zukommen wünschten; so müßt ihr, erwiederte er, den andern Fußsteig wäh-
len, und damit gieng er selbst voran. Indem wir ihm folgten, sahe er
sich zu verschiednenmalen um, und zählte wie viel unserer wären; nach Verlauf
einiger Zeit erreichten wir einen offenen Platz, wo das Land weit und breit zu
übersehen war, und nun zeigte sich, daß er uns geflissentlich irre geführt hatte.
Wir kehrten also, aller seiner Zeichen ohnerachtet, wieder um. Da er seine List
entdeckt, und sich allein nicht stark genug fand, Gewalt gegen uns zu gebrauchen;
so nahm er seine Zuflucht zu einem andern Hülfsmittel. Er blies nemlich, wie
auf einem Horne, durch die hohle Hand; auf dieses Signal ward an verschiede-
nen Seiten des Berges, gleichsam zur Antwort, in die Trompeten-Muschel ge-
stoßen. So bald er dieses hörte, rief er, so laut als möglich, seinen
Landsleuten zu: wie viel unsrer wären; vermuthlich, damit sie sich in genugsa-
mer Anzahl versammeln und zur Wehr setzen möchten. Wir hatten uns mitt-
lerweile von neuem verirrt, und waren in ein schönes, einsam gelegenes, und
rings herum mit hohen schattigten Bäumen eingeschlossenes Thal gekommen, wo
sich eine Menge Tauben und Papagoyen aufhielten. Von diesen schossen wir
unterschiedene. Der Knall unserer Gewehre brachte bald einige Insulaner und

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Auguſt.
etlichen Tagen mit eignen Augen geſehen, den Indianern nicht wenig Zeit
und Muͤhe gekoſtet haben. Wir kamen bey verſchiedenen Huͤtten voruͤber,
trafen aber nirgends einen Einwohner an, ausgenommen in einer ſehr wohlgehalte-
nen Plantage. Dort war ein einzelner Mann beſchaͤftigt, Yam-Wurzeln zu ſetzen.
Unſre unvermuthete Gegenwart jagte ihm keinen geringen Schreck ein, da er
aber hoͤrte, daß wir nur den naͤchſten Weg nach dem Vulcan zu wiſſen verlangten,
ſo faßte er ſich bald wieder, zeigte uns einen Fußpfad, der gerade darnach
hin fuͤhren ſollte, und fuhr hierauf getroſt in ſeiner Arbeit fort. Bey den Woh-
nungen ſahen wir etliche Schweine und Huͤner, die frey herumliefen. Um
dieſer Thiere willen geſchiehet es vermuthlich, daß die Einwohner ihre Laͤn-
dereyen mit Zaͤunen und Hecken einfaſſen. Etwas weiter hinauf kamen zween
Indianer aus einem benachbarten Piſang-Garten, und geſelleten ſich zu uns.
Mit dieſen geriethen wir an einen Scheideweg. In dem einen, der tiefer ins
Land gieng, ſtand ein Wilder, der uns mit aufgehabnem Speer das Weitergehen
verbieten wollte. Wir ſagten ihm, daß wir blos nach dem Vulcan hin-
zukommen wuͤnſchten; ſo muͤßt ihr, erwiederte er, den andern Fußſteig waͤh-
len, und damit gieng er ſelbſt voran. Indem wir ihm folgten, ſahe er
ſich zu verſchiednenmalen um, und zaͤhlte wie viel unſerer waͤren; nach Verlauf
einiger Zeit erreichten wir einen offenen Platz, wo das Land weit und breit zu
uͤberſehen war, und nun zeigte ſich, daß er uns gefliſſentlich irre gefuͤhrt hatte.
Wir kehrten alſo, aller ſeiner Zeichen ohnerachtet, wieder um. Da er ſeine Liſt
entdeckt, und ſich allein nicht ſtark genug fand, Gewalt gegen uns zu gebrauchen;
ſo nahm er ſeine Zuflucht zu einem andern Huͤlfsmittel. Er blies nemlich, wie
auf einem Horne, durch die hohle Hand; auf dieſes Signal ward an verſchiede-
nen Seiten des Berges, gleichſam zur Antwort, in die Trompeten-Muſchel ge-
ſtoßen. So bald er dieſes hoͤrte, rief er, ſo laut als moͤglich, ſeinen
Landsleuten zu: wie viel unſrer waͤren; vermuthlich, damit ſie ſich in genugſa-
mer Anzahl verſammeln und zur Wehr ſetzen moͤchten. Wir hatten uns mitt-
lerweile von neuem verirrt, und waren in ein ſchoͤnes, einſam gelegenes, und
rings herum mit hohen ſchattigten Baͤumen eingeſchloſſenes Thal gekommen, wo
ſich eine Menge Tauben und Papagoyen aufhielten. Von dieſen ſchoſſen wir
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[260/0274] Forſter’s Reiſe um die Welt etlichen Tagen mit eignen Augen geſehen, den Indianern nicht wenig Zeit und Muͤhe gekoſtet haben. Wir kamen bey verſchiedenen Huͤtten voruͤber, trafen aber nirgends einen Einwohner an, ausgenommen in einer ſehr wohlgehalte- nen Plantage. Dort war ein einzelner Mann beſchaͤftigt, Yam-Wurzeln zu ſetzen. Unſre unvermuthete Gegenwart jagte ihm keinen geringen Schreck ein, da er aber hoͤrte, daß wir nur den naͤchſten Weg nach dem Vulcan zu wiſſen verlangten, ſo faßte er ſich bald wieder, zeigte uns einen Fußpfad, der gerade darnach hin fuͤhren ſollte, und fuhr hierauf getroſt in ſeiner Arbeit fort. Bey den Woh- nungen ſahen wir etliche Schweine und Huͤner, die frey herumliefen. Um dieſer Thiere willen geſchiehet es vermuthlich, daß die Einwohner ihre Laͤn- dereyen mit Zaͤunen und Hecken einfaſſen. Etwas weiter hinauf kamen zween Indianer aus einem benachbarten Piſang-Garten, und geſelleten ſich zu uns. Mit dieſen geriethen wir an einen Scheideweg. In dem einen, der tiefer ins Land gieng, ſtand ein Wilder, der uns mit aufgehabnem Speer das Weitergehen verbieten wollte. Wir ſagten ihm, daß wir blos nach dem Vulcan hin- zukommen wuͤnſchten; ſo muͤßt ihr, erwiederte er, den andern Fußſteig waͤh- len, und damit gieng er ſelbſt voran. Indem wir ihm folgten, ſahe er ſich zu verſchiednenmalen um, und zaͤhlte wie viel unſerer waͤren; nach Verlauf einiger Zeit erreichten wir einen offenen Platz, wo das Land weit und breit zu uͤberſehen war, und nun zeigte ſich, daß er uns gefliſſentlich irre gefuͤhrt hatte. Wir kehrten alſo, aller ſeiner Zeichen ohnerachtet, wieder um. Da er ſeine Liſt entdeckt, und ſich allein nicht ſtark genug fand, Gewalt gegen uns zu gebrauchen; ſo nahm er ſeine Zuflucht zu einem andern Huͤlfsmittel. Er blies nemlich, wie auf einem Horne, durch die hohle Hand; auf dieſes Signal ward an verſchiede- nen Seiten des Berges, gleichſam zur Antwort, in die Trompeten-Muſchel ge- ſtoßen. So bald er dieſes hoͤrte, rief er, ſo laut als moͤglich, ſeinen Landsleuten zu: wie viel unſrer waͤren; vermuthlich, damit ſie ſich in genugſa- mer Anzahl verſammeln und zur Wehr ſetzen moͤchten. Wir hatten uns mitt- lerweile von neuem verirrt, und waren in ein ſchoͤnes, einſam gelegenes, und rings herum mit hohen ſchattigten Baͤumen eingeſchloſſenes Thal gekommen, wo ſich eine Menge Tauben und Papagoyen aufhielten. Von dieſen ſchoſſen wir unterſchiedene. Der Knall unſerer Gewehre brachte bald einige Inſulaner und 1774. Auguſt.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/274>, abgerufen am 22.11.2024.