Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
August.
erhalten, und diese bleiben sich auch unter allen Himmelsstrichen gleich. Dahin gehört
die väterliche Liebe, von welcher wir diesen Abend ein redendes Beyspiel sahen. Ein
kleines hübsches Mädchen von ohngefähr acht Jahren, suchte uns zwischen den
Köpfen der Leute, die um uns hersaßen, ungesehen zu betrachten; als sie aber merkte,
daß wir es gewahr wurden, lief sie eilfertig nach der Hütte zurück. Ich zeigte
ihr ein Stück tahitisches Zeug, und winkte daß sie sichs abholen möchte, allein sie
wagte es nicht. Endlich stand ihr Vater auf und bewog sie, durch Zureden, her-
anzukommen. Darauf nahm ich sie freundlich bey der Hand, gab ihr den Zeug
nebst allerhand kleinen Zierrathen, und sahe mit Vergnügen, wie die Freude
über das Glück seines Kindes, des Vaters ganzes Gesicht erheiterte, und ihm
dankbar aus den Augen strahlte.

Wir blieben bey diesen guten Indianern bis gegen Sonnen-Unter-
gang, hörten ihren Gesängen zu, und bewunderten ihre Geschicklichkeit in
Waffen-Uebungen. Sie schossen ihre Pfeile, je nach dem wir es verlangten, theils
in die Höhe, theils gerade vor sich nach einem Ziele. Sehr hoch konnten sie sol-
che zwar nicht treiben, in einer geringen horizontalen Entfernung aber waren sie,
wie ich bereits erwähnt, vortrefliche Schützen. Auch wußten sie, mit den
Keulen oder Streitkolben, die Wurfspieße fast auf eben die Art als die Ta-
hitier
abzuwenden. Die Keulen die an beyden Seiten mit einem hervorra-
genden Zapfen versehen sind, (der flach und ohngefähr wie die Lanzetten der
Roß-Aerzte gestaltet ist, S. oben pag. 219) kommen, ihrer Aussage nach,
von der niedrigen Insel Immer; ob sie aber von den dortigen Einwohnern
verfertiget werden, oder ob das Eyland unbewohnt ist, und um des Muschel-
fangs, imgleichen um diese Holzart zu holen, nur von Zeit zu Zeit besucht wird?
konnten wir nicht herausbringen. Ehe wir sie verliessen, zündeten die Weiber
zu Vereitung des Abendbrodtes, theils in- theils ausserhalb den Hütten ver-
schiedene Feuer an, zu welchen die Männer und Kinder sich sehr hinzu drängten,
weil sie bey nacktem Leibe, die Abendlust etwas kühl finden mochten. Etliche
hatten eine Geschwulst am obersten Augenlied, welche aus der Gewohnheit
öfters im Rauche zu sitzen, entstanden zu seyn schien. Es hinderte sie derge-
stalt im Sehen, daß sie den Kopf zurück biegen mußten, bis das Auge mit dem
Object in gleicher Linie war. Diese fehlerhafte Beschaffenheit fand sich be-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Auguſt.
erhalten, und dieſe bleiben ſich auch unter allen Himmelsſtrichen gleich. Dahin gehoͤrt
die vaͤterliche Liebe, von welcher wir dieſen Abend ein redendes Beyſpiel ſahen. Ein
kleines huͤbſches Maͤdchen von ohngefaͤhr acht Jahren, ſuchte uns zwiſchen den
Koͤpfen der Leute, die um uns herſaßen, ungeſehen zu betrachten; als ſie aber merkte,
daß wir es gewahr wurden, lief ſie eilfertig nach der Huͤtte zuruͤck. Ich zeigte
ihr ein Stuͤck tahitiſches Zeug, und winkte daß ſie ſichs abholen moͤchte, allein ſie
wagte es nicht. Endlich ſtand ihr Vater auf und bewog ſie, durch Zureden, her-
anzukommen. Darauf nahm ich ſie freundlich bey der Hand, gab ihr den Zeug
nebſt allerhand kleinen Zierrathen, und ſahe mit Vergnuͤgen, wie die Freude
uͤber das Gluͤck ſeines Kindes, des Vaters ganzes Geſicht erheiterte, und ihm
dankbar aus den Augen ſtrahlte.

Wir blieben bey dieſen guten Indianern bis gegen Sonnen-Unter-
gang, hoͤrten ihren Geſaͤngen zu, und bewunderten ihre Geſchicklichkeit in
Waffen-Uebungen. Sie ſchoſſen ihre Pfeile, je nach dem wir es verlangten, theils
in die Hoͤhe, theils gerade vor ſich nach einem Ziele. Sehr hoch konnten ſie ſol-
che zwar nicht treiben, in einer geringen horizontalen Entfernung aber waren ſie,
wie ich bereits erwaͤhnt, vortrefliche Schuͤtzen. Auch wußten ſie, mit den
Keulen oder Streitkolben, die Wurfſpieße faſt auf eben die Art als die Ta-
hitier
abzuwenden. Die Keulen die an beyden Seiten mit einem hervorra-
genden Zapfen verſehen ſind, (der flach und ohngefaͤhr wie die Lanzetten der
Roß-Aerzte geſtaltet iſt, S. oben pag. 219) kommen, ihrer Ausſage nach,
von der niedrigen Inſel Immer; ob ſie aber von den dortigen Einwohnern
verfertiget werden, oder ob das Eyland unbewohnt iſt, und um des Muſchel-
fangs, imgleichen um dieſe Holzart zu holen, nur von Zeit zu Zeit beſucht wird?
konnten wir nicht herausbringen. Ehe wir ſie verlieſſen, zuͤndeten die Weiber
zu Vereitung des Abendbrodtes, theils in- theils auſſerhalb den Huͤtten ver-
ſchiedene Feuer an, zu welchen die Maͤnner und Kinder ſich ſehr hinzu draͤngten,
weil ſie bey nacktem Leibe, die Abendluſt etwas kuͤhl finden mochten. Etliche
hatten eine Geſchwulſt am oberſten Augenlied, welche aus der Gewohnheit
oͤfters im Rauche zu ſitzen, entſtanden zu ſeyn ſchien. Es hinderte ſie derge-
ſtalt im Sehen, daß ſie den Kopf zuruͤck biegen mußten, bis das Auge mit dem
Object in gleicher Linie war. Dieſe fehlerhafte Beſchaffenheit fand ſich be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="258"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note>erhalten, und die&#x017F;e bleiben &#x017F;ich auch unter allen Himmels&#x017F;trichen gleich. Dahin geho&#x0364;rt<lb/>
die va&#x0364;terliche Liebe, von welcher wir die&#x017F;en Abend ein redendes Bey&#x017F;piel &#x017F;ahen. Ein<lb/>
kleines hu&#x0364;b&#x017F;ches Ma&#x0364;dchen von ohngefa&#x0364;hr acht Jahren, &#x017F;uchte uns zwi&#x017F;chen den<lb/>
Ko&#x0364;pfen der Leute, die um uns her&#x017F;aßen, unge&#x017F;ehen zu betrachten; als &#x017F;ie aber merkte,<lb/>
daß wir es gewahr wurden, lief &#x017F;ie eilfertig nach der Hu&#x0364;tte zuru&#x0364;ck. Ich zeigte<lb/>
ihr ein Stu&#x0364;ck tahiti&#x017F;ches Zeug, und winkte daß &#x017F;ie &#x017F;ichs abholen mo&#x0364;chte, allein &#x017F;ie<lb/>
wagte es nicht. Endlich &#x017F;tand ihr Vater auf und bewog &#x017F;ie, durch Zureden, her-<lb/>
anzukommen. Darauf nahm ich &#x017F;ie freundlich bey der Hand, gab ihr den Zeug<lb/>
neb&#x017F;t allerhand kleinen Zierrathen, und &#x017F;ahe mit Vergnu&#x0364;gen, wie die Freude<lb/>
u&#x0364;ber das Glu&#x0364;ck &#x017F;eines Kindes, des Vaters ganzes Ge&#x017F;icht erheiterte, und ihm<lb/>
dankbar aus den Augen &#x017F;trahlte.</p><lb/>
        <p>Wir blieben bey die&#x017F;en guten Indianern bis gegen Sonnen-Unter-<lb/>
gang, ho&#x0364;rten ihren Ge&#x017F;a&#x0364;ngen zu, und bewunderten ihre Ge&#x017F;chicklichkeit in<lb/>
Waffen-Uebungen. Sie &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en ihre Pfeile, je nach dem wir es verlangten, theils<lb/>
in die Ho&#x0364;he, theils gerade vor &#x017F;ich nach einem Ziele. Sehr hoch konnten &#x017F;ie &#x017F;ol-<lb/>
che zwar nicht treiben, in einer geringen horizontalen Entfernung aber waren &#x017F;ie,<lb/>
wie ich bereits erwa&#x0364;hnt, vortrefliche Schu&#x0364;tzen. Auch wußten &#x017F;ie, mit den<lb/>
Keulen oder Streitkolben, die Wurf&#x017F;pieße fa&#x017F;t auf eben die Art als die <hi rendition="#fr">Ta-<lb/>
hitier</hi> abzuwenden. Die Keulen die an beyden Seiten mit einem hervorra-<lb/>
genden Zapfen ver&#x017F;ehen &#x017F;ind, (der flach und ohngefa&#x0364;hr wie die Lanzetten der<lb/>
Roß-Aerzte ge&#x017F;taltet i&#x017F;t, S. oben <hi rendition="#aq">pag.</hi> 219) kommen, ihrer Aus&#x017F;age nach,<lb/>
von der niedrigen In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Immer</placeName></hi>; ob &#x017F;ie aber von den dortigen Einwohnern<lb/>
verfertiget werden, oder ob das Eyland unbewohnt i&#x017F;t, und um des Mu&#x017F;chel-<lb/>
fangs, imgleichen um die&#x017F;e Holzart zu holen, nur von Zeit zu Zeit be&#x017F;ucht wird?<lb/>
konnten wir nicht herausbringen. Ehe wir &#x017F;ie verlie&#x017F;&#x017F;en, zu&#x0364;ndeten die Weiber<lb/>
zu Vereitung des Abendbrodtes, theils in- theils au&#x017F;&#x017F;erhalb den Hu&#x0364;tten ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Feuer an, zu welchen die Ma&#x0364;nner und Kinder &#x017F;ich &#x017F;ehr hinzu dra&#x0364;ngten,<lb/>
weil &#x017F;ie bey nacktem Leibe, die Abendlu&#x017F;t etwas ku&#x0364;hl finden mochten. Etliche<lb/>
hatten eine Ge&#x017F;chwul&#x017F;t am ober&#x017F;ten Augenlied, welche aus der Gewohnheit<lb/>
o&#x0364;fters im Rauche zu &#x017F;itzen, ent&#x017F;tanden zu &#x017F;eyn &#x017F;chien. Es hinderte &#x017F;ie derge-<lb/>
&#x017F;talt im Sehen, daß &#x017F;ie den Kopf zuru&#x0364;ck biegen mußten, bis das Auge mit dem<lb/>
Object in gleicher Linie war. Die&#x017F;e fehlerhafte Be&#x017F;chaffenheit fand &#x017F;ich be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0272] Forſter’s Reiſe um die Welt erhalten, und dieſe bleiben ſich auch unter allen Himmelsſtrichen gleich. Dahin gehoͤrt die vaͤterliche Liebe, von welcher wir dieſen Abend ein redendes Beyſpiel ſahen. Ein kleines huͤbſches Maͤdchen von ohngefaͤhr acht Jahren, ſuchte uns zwiſchen den Koͤpfen der Leute, die um uns herſaßen, ungeſehen zu betrachten; als ſie aber merkte, daß wir es gewahr wurden, lief ſie eilfertig nach der Huͤtte zuruͤck. Ich zeigte ihr ein Stuͤck tahitiſches Zeug, und winkte daß ſie ſichs abholen moͤchte, allein ſie wagte es nicht. Endlich ſtand ihr Vater auf und bewog ſie, durch Zureden, her- anzukommen. Darauf nahm ich ſie freundlich bey der Hand, gab ihr den Zeug nebſt allerhand kleinen Zierrathen, und ſahe mit Vergnuͤgen, wie die Freude uͤber das Gluͤck ſeines Kindes, des Vaters ganzes Geſicht erheiterte, und ihm dankbar aus den Augen ſtrahlte. 1774. Auguſt. Wir blieben bey dieſen guten Indianern bis gegen Sonnen-Unter- gang, hoͤrten ihren Geſaͤngen zu, und bewunderten ihre Geſchicklichkeit in Waffen-Uebungen. Sie ſchoſſen ihre Pfeile, je nach dem wir es verlangten, theils in die Hoͤhe, theils gerade vor ſich nach einem Ziele. Sehr hoch konnten ſie ſol- che zwar nicht treiben, in einer geringen horizontalen Entfernung aber waren ſie, wie ich bereits erwaͤhnt, vortrefliche Schuͤtzen. Auch wußten ſie, mit den Keulen oder Streitkolben, die Wurfſpieße faſt auf eben die Art als die Ta- hitier abzuwenden. Die Keulen die an beyden Seiten mit einem hervorra- genden Zapfen verſehen ſind, (der flach und ohngefaͤhr wie die Lanzetten der Roß-Aerzte geſtaltet iſt, S. oben pag. 219) kommen, ihrer Ausſage nach, von der niedrigen Inſel Immer; ob ſie aber von den dortigen Einwohnern verfertiget werden, oder ob das Eyland unbewohnt iſt, und um des Muſchel- fangs, imgleichen um dieſe Holzart zu holen, nur von Zeit zu Zeit beſucht wird? konnten wir nicht herausbringen. Ehe wir ſie verlieſſen, zuͤndeten die Weiber zu Vereitung des Abendbrodtes, theils in- theils auſſerhalb den Huͤtten ver- ſchiedene Feuer an, zu welchen die Maͤnner und Kinder ſich ſehr hinzu draͤngten, weil ſie bey nacktem Leibe, die Abendluſt etwas kuͤhl finden mochten. Etliche hatten eine Geſchwulſt am oberſten Augenlied, welche aus der Gewohnheit oͤfters im Rauche zu ſitzen, entſtanden zu ſeyn ſchien. Es hinderte ſie derge- ſtalt im Sehen, daß ſie den Kopf zuruͤck biegen mußten, bis das Auge mit dem Object in gleicher Linie war. Dieſe fehlerhafte Beſchaffenheit fand ſich be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/272
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/272>, abgerufen am 25.11.2024.