Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
nothwendiger Zubereitung seyn; aus bloßer Wirthschaftlichkeit kann es we-1774.
August.

nigstens nicht geschehen, denn sonst würden sie in dem großen Hayn von wilden
Cocos-Palmen, der längst dieser bebauten Anhöhe ohnweit dem Ufer stand, nicht
so viel Nüsse unter den Bäumen haben liegen und verderben lassen. Rund um
den grünen Platz hiengen, auf den Gebüschchen, kleine Lappen von dem Zeuge
welches sie aus der Rinde eines Feigenbaumes machen und in Form eines
Gürtels oder einer Scherpe zu tragen pflegen. Die Geschenke die Pao-
vjangom
von uns erhalten, worunter sich auch ein Tressen-Huth befand,
waren auf eben diese Art, gleichsam als Ehrenzeichen, zur Schau gestellet.
Dies sorglose Verfahren dünkt mir ein unleugbarer Beweis von der allgemeinen
Ehrlichkeit der Tanneser unter sich. In Tahlti muß jeder Eigenthümer schon
seine kleine Haabe ans Dach hängen, und die Leiter des Nachts statt eines
Kissens unter den Kopf legen, um vor Dieben sicher zu seyn; hier hingegen
ist alles auf dem ersten besten Strauch in Sicherheit. Daher kam es auch,
daß wir während unsers Aufenthalts unter diesen Insulanern (von Tanna,)
nicht das geringste durch Diebstahl eingebüßt haben. Sobald die Bewohner
vorgedachter Hütten sahen, daß wir in ihren Wohnungen keinen Unfug anrichte-
ten, nichts wegnahmen, oder auch nur verschoben, so ließen sie sich unsere Gegen-
wart ganz gern gefallen. Die Jugend die, mit Mistrauen und Argwohn noch
unbekannt, gemeiniglich die ganze Welt für so offenherzig und ehrlich hält als sie
es selbst ist, gewann bald Zutrauen zu uns. Jungen von sechs bis vierzehn Jah-
ren, die anfänglich in einiger Entfernung geblieben waren, kamen unvermerkt
näher, und ließen sich bey der Hand nehmen. Wir theilten Medaillen an seid-
nen Bändern imgleichen Stücken von Tahitischen Zeug unter sie aus, wel-
ches ihnen denn vollends alle Furcht und Schüchternheit benahm. Wir
fragten auch nach ihren Namen, und suchten sie auswendig zu behalten. Die-
ser kleine Kunstgriff brachte uns ihr ganzes Vertrauen zuwege. Sie freuten
sich unbeschreiblich sehr, daß wir ihre Namen zu nennen wußten, und liefen sich
schier ausser Athem, wenn wir sie herbey riefen. Endlich standen wir auf, um
nach dem Strande zurück zu kehren. Unser gewöhnlicher Begleiter, der alte Pao-
vjangom
, wollte diesmahl nicht mitgehen, weil es schon Abend zu werden anfieng,
dagegen gab er uns drey von seinen Landsleuten zu Führern, und trug ihnen ausdrück-

Forsters Reise u. d. W. Zweyter Th. H h

in den Jahren 1772 bis 1775.
nothwendiger Zubereitung ſeyn; aus bloßer Wirthſchaftlichkeit kann es we-1774.
Auguſt.

nigſtens nicht geſchehen, denn ſonſt wuͤrden ſie in dem großen Hayn von wilden
Cocos-Palmen, der laͤngſt dieſer bebauten Anhoͤhe ohnweit dem Ufer ſtand, nicht
ſo viel Nuͤſſe unter den Baͤumen haben liegen und verderben laſſen. Rund um
den gruͤnen Platz hiengen, auf den Gebuͤſchchen, kleine Lappen von dem Zeuge
welches ſie aus der Rinde eines Feigenbaumes machen und in Form eines
Guͤrtels oder einer Scherpe zu tragen pflegen. Die Geſchenke die Pao-
vjangom
von uns erhalten, worunter ſich auch ein Treſſen-Huth befand,
waren auf eben dieſe Art, gleichſam als Ehrenzeichen, zur Schau geſtellet.
Dies ſorgloſe Verfahren duͤnkt mir ein unleugbarer Beweis von der allgemeinen
Ehrlichkeit der Tanneſer unter ſich. In Tahlti muß jeder Eigenthuͤmer ſchon
ſeine kleine Haabe ans Dach haͤngen, und die Leiter des Nachts ſtatt eines
Kiſſens unter den Kopf legen, um vor Dieben ſicher zu ſeyn; hier hingegen
iſt alles auf dem erſten beſten Strauch in Sicherheit. Daher kam es auch,
daß wir waͤhrend unſers Aufenthalts unter dieſen Inſulanern (von Tanna,)
nicht das geringſte durch Diebſtahl eingebuͤßt haben. Sobald die Bewohner
vorgedachter Huͤtten ſahen, daß wir in ihren Wohnungen keinen Unfug anrichte-
ten, nichts wegnahmen, oder auch nur verſchoben, ſo ließen ſie ſich unſere Gegen-
wart ganz gern gefallen. Die Jugend die, mit Mistrauen und Argwohn noch
unbekannt, gemeiniglich die ganze Welt fuͤr ſo offenherzig und ehrlich haͤlt als ſie
es ſelbſt iſt, gewann bald Zutrauen zu uns. Jungen von ſechs bis vierzehn Jah-
ren, die anfaͤnglich in einiger Entfernung geblieben waren, kamen unvermerkt
naͤher, und ließen ſich bey der Hand nehmen. Wir theilten Medaillen an ſeid-
nen Baͤndern imgleichen Stuͤcken von Tahitiſchen Zeug unter ſie aus, wel-
ches ihnen denn vollends alle Furcht und Schuͤchternheit benahm. Wir
fragten auch nach ihren Namen, und ſuchten ſie auswendig zu behalten. Die-
ſer kleine Kunſtgriff brachte uns ihr ganzes Vertrauen zuwege. Sie freuten
ſich unbeſchreiblich ſehr, daß wir ihre Namen zu nennen wußten, und liefen ſich
ſchier auſſer Athem, wenn wir ſie herbey riefen. Endlich ſtanden wir auf, um
nach dem Strande zuruͤck zu kehren. Unſer gewoͤhnlicher Begleiter, der alte Pao-
vjangom
, wollte diesmahl nicht mitgehen, weil es ſchon Abend zu werden anfieng,
dagegen gab er uns drey von ſeinen Landsleuten zu Fuͤhrern, und trug ihnen ausdruͤck-

Forſters Reiſe u. d. W. Zweyter Th. H h
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0255" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
nothwendiger Zubereitung &#x017F;eyn; aus bloßer Wirth&#x017F;chaftlichkeit kann es we-<note place="right">1774.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note><lb/>
nig&#x017F;tens nicht ge&#x017F;chehen, denn &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rden &#x017F;ie in dem großen Hayn von wilden<lb/>
Cocos-Palmen, der la&#x0364;ng&#x017F;t die&#x017F;er bebauten Anho&#x0364;he ohnweit dem Ufer &#x017F;tand, nicht<lb/>
&#x017F;o viel Nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e unter den Ba&#x0364;umen haben liegen und verderben la&#x017F;&#x017F;en. Rund um<lb/>
den gru&#x0364;nen Platz hiengen, auf den Gebu&#x0364;&#x017F;chchen, kleine Lappen von dem Zeuge<lb/>
welches &#x017F;ie aus der Rinde eines Feigenbaumes machen und in Form eines<lb/>
Gu&#x0364;rtels oder einer Scherpe zu tragen pflegen. Die Ge&#x017F;chenke die <hi rendition="#fr"><persName>Pao-<lb/>
vjangom</persName></hi> von uns erhalten, worunter &#x017F;ich auch ein Tre&#x017F;&#x017F;en-Huth befand,<lb/>
waren auf eben die&#x017F;e Art, gleich&#x017F;am als Ehrenzeichen, zur Schau ge&#x017F;tellet.<lb/>
Dies &#x017F;orglo&#x017F;e Verfahren du&#x0364;nkt mir ein unleugbarer Beweis von der allgemeinen<lb/>
Ehrlichkeit der <hi rendition="#fr">Tanne&#x017F;er</hi> unter &#x017F;ich. In Tahlti muß jeder Eigenthu&#x0364;mer &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;eine kleine Haabe ans Dach ha&#x0364;ngen, und die Leiter des Nachts &#x017F;tatt eines<lb/>
Ki&#x017F;&#x017F;ens unter den Kopf legen, um vor Dieben &#x017F;icher zu &#x017F;eyn; hier hingegen<lb/>
i&#x017F;t alles auf dem er&#x017F;ten be&#x017F;ten Strauch in Sicherheit. Daher kam es auch,<lb/>
daß wir wa&#x0364;hrend un&#x017F;ers Aufenthalts unter die&#x017F;en In&#x017F;ulanern (von <hi rendition="#fr"><placeName>Tanna</placeName></hi>,)<lb/>
nicht das gering&#x017F;te durch Dieb&#x017F;tahl eingebu&#x0364;ßt haben. Sobald die Bewohner<lb/>
vorgedachter Hu&#x0364;tten &#x017F;ahen, daß wir in ihren Wohnungen keinen Unfug anrichte-<lb/>
ten, nichts wegnahmen, oder auch nur ver&#x017F;choben, &#x017F;o ließen &#x017F;ie &#x017F;ich un&#x017F;ere Gegen-<lb/>
wart ganz gern gefallen. Die Jugend die, mit Mistrauen und Argwohn noch<lb/>
unbekannt, gemeiniglich die ganze Welt fu&#x0364;r &#x017F;o offenherzig und ehrlich ha&#x0364;lt als &#x017F;ie<lb/>
es &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, gewann bald Zutrauen zu uns. Jungen von &#x017F;echs bis vierzehn Jah-<lb/>
ren, die anfa&#x0364;nglich in einiger Entfernung geblieben waren, kamen unvermerkt<lb/>
na&#x0364;her, und ließen &#x017F;ich bey der Hand nehmen. Wir theilten Medaillen an &#x017F;eid-<lb/>
nen Ba&#x0364;ndern imgleichen Stu&#x0364;cken von Tahiti&#x017F;chen Zeug unter &#x017F;ie aus, wel-<lb/>
ches ihnen denn vollends alle Furcht und Schu&#x0364;chternheit benahm. Wir<lb/>
fragten auch nach ihren Namen, und &#x017F;uchten &#x017F;ie auswendig zu behalten. Die-<lb/>
&#x017F;er kleine Kun&#x017F;tgriff brachte uns ihr ganzes Vertrauen zuwege. Sie freuten<lb/>
&#x017F;ich unbe&#x017F;chreiblich &#x017F;ehr, daß wir ihre Namen zu nennen wußten, und liefen &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chier au&#x017F;&#x017F;er Athem, wenn wir &#x017F;ie herbey riefen. Endlich &#x017F;tanden wir auf, um<lb/>
nach dem Strande zuru&#x0364;ck zu kehren. Un&#x017F;er gewo&#x0364;hnlicher Begleiter, der alte <hi rendition="#fr"><persName>Pao-<lb/>
vjangom</persName></hi>, wollte diesmahl nicht mitgehen, weil es &#x017F;chon Abend zu werden anfieng,<lb/>
dagegen gab er uns drey von &#x017F;einen Landsleuten zu Fu&#x0364;hrern, und trug ihnen ausdru&#x0364;ck-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ters</persName> Rei&#x017F;e u. d. W. Zweyter Th.</hi> H h</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0255] in den Jahren 1772 bis 1775. nothwendiger Zubereitung ſeyn; aus bloßer Wirthſchaftlichkeit kann es we- nigſtens nicht geſchehen, denn ſonſt wuͤrden ſie in dem großen Hayn von wilden Cocos-Palmen, der laͤngſt dieſer bebauten Anhoͤhe ohnweit dem Ufer ſtand, nicht ſo viel Nuͤſſe unter den Baͤumen haben liegen und verderben laſſen. Rund um den gruͤnen Platz hiengen, auf den Gebuͤſchchen, kleine Lappen von dem Zeuge welches ſie aus der Rinde eines Feigenbaumes machen und in Form eines Guͤrtels oder einer Scherpe zu tragen pflegen. Die Geſchenke die Pao- vjangom von uns erhalten, worunter ſich auch ein Treſſen-Huth befand, waren auf eben dieſe Art, gleichſam als Ehrenzeichen, zur Schau geſtellet. Dies ſorgloſe Verfahren duͤnkt mir ein unleugbarer Beweis von der allgemeinen Ehrlichkeit der Tanneſer unter ſich. In Tahlti muß jeder Eigenthuͤmer ſchon ſeine kleine Haabe ans Dach haͤngen, und die Leiter des Nachts ſtatt eines Kiſſens unter den Kopf legen, um vor Dieben ſicher zu ſeyn; hier hingegen iſt alles auf dem erſten beſten Strauch in Sicherheit. Daher kam es auch, daß wir waͤhrend unſers Aufenthalts unter dieſen Inſulanern (von Tanna,) nicht das geringſte durch Diebſtahl eingebuͤßt haben. Sobald die Bewohner vorgedachter Huͤtten ſahen, daß wir in ihren Wohnungen keinen Unfug anrichte- ten, nichts wegnahmen, oder auch nur verſchoben, ſo ließen ſie ſich unſere Gegen- wart ganz gern gefallen. Die Jugend die, mit Mistrauen und Argwohn noch unbekannt, gemeiniglich die ganze Welt fuͤr ſo offenherzig und ehrlich haͤlt als ſie es ſelbſt iſt, gewann bald Zutrauen zu uns. Jungen von ſechs bis vierzehn Jah- ren, die anfaͤnglich in einiger Entfernung geblieben waren, kamen unvermerkt naͤher, und ließen ſich bey der Hand nehmen. Wir theilten Medaillen an ſeid- nen Baͤndern imgleichen Stuͤcken von Tahitiſchen Zeug unter ſie aus, wel- ches ihnen denn vollends alle Furcht und Schuͤchternheit benahm. Wir fragten auch nach ihren Namen, und ſuchten ſie auswendig zu behalten. Die- ſer kleine Kunſtgriff brachte uns ihr ganzes Vertrauen zuwege. Sie freuten ſich unbeſchreiblich ſehr, daß wir ihre Namen zu nennen wußten, und liefen ſich ſchier auſſer Athem, wenn wir ſie herbey riefen. Endlich ſtanden wir auf, um nach dem Strande zuruͤck zu kehren. Unſer gewoͤhnlicher Begleiter, der alte Pao- vjangom, wollte diesmahl nicht mitgehen, weil es ſchon Abend zu werden anfieng, dagegen gab er uns drey von ſeinen Landsleuten zu Fuͤhrern, und trug ihnen ausdruͤck- 1774. Auguſt. Forſters Reiſe u. d. W. Zweyter Th. H h

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/255
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/255>, abgerufen am 25.11.2024.