Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
August.
hen. Zur Vogeljagd und zum Fischen gebrauchen sie Pfeile die drey Spitzen
haben. Die Schlendern werden aus Cocos-Fasern, und zwar in der Mitte wo
der Stein zu liegen kommt, etwas breiter gemacht als an den Enden. Sie pfle-
gen solche um den Arm oder um den Leib, die Steine aber besonders in ein
großes Blatt gewickelt, mit sich herum zu tragen. Die dritte Art von Wurf-
Gewehren sind die Spieße oder Speere. Gemeiniglich nehmen sie dazu knotige
ungestaltete Stecken, kaum eines halben Zolls dick, aber neun bis zehn Fuß lang;
das dickste Ende derselben macht eine dreyeckigte Spitze von sechs bis acht Zoll
aus, die auf allen dreyen Seiten ohngefähr zehn Einschnitte oder Wiederha-
ken hat. Mit einem dergleichen Speere verfehlt der Tanneser, zumal wenn die
Entfernung gering ist, nicht leicht sein Ziel. Hiezu ist ihm ein vier bis fünf Zoll
langes, aus Baumrinde geflochtnes Stück von einem Stricke behülflich, das an
einem Ende einen Knoten, an dem andern aber eine Schleife hat, und auf fol-
gende Art gebraucht wird. Durch die Schleife steckt man den Zeigefinger,
ergreift hierauf mit diesem Finger und dem Daume das Spieß, und wickelt das
andre Ende jenes Strickes, oberhalb der Hand, einmal um den Schaft des
Speers herum; wird nun der Speer abgeworfen, so kann er aus der Richtung
die man ihm gegeben, wenigstens nicht ehe weichen, als bis er die Schlinge mit
Gewalt auseinander getrieben hat, und diese bleibt dann, in ihrer ursprüngli-
chen Form, an dem Zeigefinger des Schützen, woran sie befestigt ist, zurück.
Ich habe mehr als einen solchen Wurf gesehen, wo auf eine Entfernung
von dreyßig bis vierzig Fuß, die zackigte Spitze des Speeres durch einen
vier Zoll dicken Pfahl glatt hindurch gieng. (*) So gehet es auch mit ihren

(*) Capit. Cook führt an dem Orte seiner Reisebeschreibung, wo er von diesen Speeren re-
det, (Vol. II. pag. 82.) eine Stelle aus des Hrn. Wales Tagebuch an, die der Ueber-
setzung werth ist. "Ich gestehe," sagt dieser gelehrte Astronom, "daß ich oft geglaubt,
"Homer habe in den Thaten, welche er seine Helden mit dem Speer verrichten läßt,
"zu sehr das Wunderbare gesucht: wenigstens dünkte es mir, nach den strengen Regeln
"des Aristoteles, in einem epischen Gedichte etwas zu auffallend. Selbst Pope, der
"eifrigste Vertheidiger Homers, gesteht, daß ihm diese Helden-Thaten verdächtig
"vorgekommen wären. Allein, seitdem ich die Tanneser kennen gelernt, und gesehen
"habe, wie viel sie mit ihren hölzernen, stumpfen und nicht gar harten Speeren ausrich-
"ten, finde ich gegen alle diese Stellen Homers nicht das geringste mehr einzuwenden.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Auguſt.
hen. Zur Vogeljagd und zum Fiſchen gebrauchen ſie Pfeile die drey Spitzen
haben. Die Schlendern werden aus Cocos-Faſern, und zwar in der Mitte wo
der Stein zu liegen kommt, etwas breiter gemacht als an den Enden. Sie pfle-
gen ſolche um den Arm oder um den Leib, die Steine aber beſonders in ein
großes Blatt gewickelt, mit ſich herum zu tragen. Die dritte Art von Wurf-
Gewehren ſind die Spieße oder Speere. Gemeiniglich nehmen ſie dazu knotige
ungeſtaltete Stecken, kaum eines halben Zolls dick, aber neun bis zehn Fuß lang;
das dickſte Ende derſelben macht eine dreyeckigte Spitze von ſechs bis acht Zoll
aus, die auf allen dreyen Seiten ohngefaͤhr zehn Einſchnitte oder Wiederha-
ken hat. Mit einem dergleichen Speere verfehlt der Tanneſer, zumal wenn die
Entfernung gering iſt, nicht leicht ſein Ziel. Hiezu iſt ihm ein vier bis fuͤnf Zoll
langes, aus Baumrinde geflochtnes Stuͤck von einem Stricke behuͤlflich, das an
einem Ende einen Knoten, an dem andern aber eine Schleife hat, und auf fol-
gende Art gebraucht wird. Durch die Schleife ſteckt man den Zeigefinger,
ergreift hierauf mit dieſem Finger und dem Daume das Spieß, und wickelt das
andre Ende jenes Strickes, oberhalb der Hand, einmal um den Schaft des
Speers herum; wird nun der Speer abgeworfen, ſo kann er aus der Richtung
die man ihm gegeben, wenigſtens nicht ehe weichen, als bis er die Schlinge mit
Gewalt auseinander getrieben hat, und dieſe bleibt dann, in ihrer urſpruͤngli-
chen Form, an dem Zeigefinger des Schuͤtzen, woran ſie befeſtigt iſt, zuruͤck.
Ich habe mehr als einen ſolchen Wurf geſehen, wo auf eine Entfernung
von dreyßig bis vierzig Fuß, die zackigte Spitze des Speeres durch einen
vier Zoll dicken Pfahl glatt hindurch gieng. (*) So gehet es auch mit ihren

(*) Capit. Cook fuͤhrt an dem Orte ſeiner Reiſebeſchreibung, wo er von dieſen Speeren re-
det, (Vol. II. pag. 82.) eine Stelle aus des Hrn. Wales Tagebuch an, die der Ueber-
ſetzung werth iſt. „Ich geſtehe,” ſagt dieſer gelehrte Aſtronom, „daß ich oft geglaubt,
Homer habe in den Thaten, welche er ſeine Helden mit dem Speer verrichten laͤßt,
„zu ſehr das Wunderbare geſucht: wenigſtens duͤnkte es mir, nach den ſtrengen Regeln
„des Ariſtoteles, in einem epiſchen Gedichte etwas zu auffallend. Selbſt Pope, der
„eifrigſte Vertheidiger Homers, geſteht, daß ihm dieſe Helden-Thaten verdaͤchtig
„vorgekommen waͤren. Allein, ſeitdem ich die Tanneſer kennen gelernt, und geſehen
„habe, wie viel ſie mit ihren hoͤlzernen, ſtumpfen und nicht gar harten Speeren ausrich-
„ten, finde ich gegen alle dieſe Stellen Homers nicht das geringſte mehr einzuwenden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0234" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Augu&#x017F;t.</note>hen. Zur Vogeljagd und zum Fi&#x017F;chen gebrauchen &#x017F;ie Pfeile die drey Spitzen<lb/>
haben. Die Schlendern werden aus Cocos-Fa&#x017F;ern, und zwar in der Mitte wo<lb/>
der Stein zu liegen kommt, etwas breiter gemacht als an den Enden. Sie pfle-<lb/>
gen &#x017F;olche um den Arm oder um den Leib, die Steine aber be&#x017F;onders in ein<lb/>
großes Blatt gewickelt, mit &#x017F;ich herum zu tragen. Die dritte Art von Wurf-<lb/>
Gewehren &#x017F;ind die Spieße oder Speere. Gemeiniglich nehmen &#x017F;ie dazu knotige<lb/>
unge&#x017F;taltete Stecken, kaum eines halben Zolls dick, aber neun bis zehn Fuß lang;<lb/>
das dick&#x017F;te Ende der&#x017F;elben macht eine dreyeckigte Spitze von &#x017F;echs bis acht Zoll<lb/>
aus, die auf allen dreyen Seiten ohngefa&#x0364;hr zehn Ein&#x017F;chnitte oder Wiederha-<lb/>
ken hat. Mit einem dergleichen Speere verfehlt der Tanne&#x017F;er, zumal wenn die<lb/>
Entfernung gering i&#x017F;t, nicht leicht &#x017F;ein Ziel. Hiezu i&#x017F;t ihm ein vier bis fu&#x0364;nf Zoll<lb/>
langes, aus Baumrinde geflochtnes Stu&#x0364;ck von einem Stricke behu&#x0364;lflich, das an<lb/>
einem Ende einen Knoten, an dem andern aber eine Schleife hat, und auf fol-<lb/>
gende Art gebraucht wird. Durch die Schleife &#x017F;teckt man den Zeigefinger,<lb/>
ergreift hierauf mit die&#x017F;em Finger und dem Daume das Spieß, und wickelt das<lb/>
andre Ende jenes Strickes, oberhalb der Hand, einmal um den Schaft des<lb/>
Speers herum; wird nun der Speer abgeworfen, &#x017F;o kann er aus der Richtung<lb/>
die man ihm gegeben, wenig&#x017F;tens nicht ehe weichen, als bis er die Schlinge mit<lb/>
Gewalt auseinander getrieben hat, und die&#x017F;e bleibt dann, in ihrer ur&#x017F;pru&#x0364;ngli-<lb/>
chen Form, an dem Zeigefinger des Schu&#x0364;tzen, woran &#x017F;ie befe&#x017F;tigt i&#x017F;t, zuru&#x0364;ck.<lb/>
Ich habe mehr als <hi rendition="#fr">einen</hi> &#x017F;olchen Wurf ge&#x017F;ehen, wo auf eine Entfernung<lb/>
von dreyßig bis vierzig Fuß, die zackigte Spitze des Speeres durch einen<lb/>
vier Zoll dicken Pfahl glatt hindurch gieng. <note xml:id="note-0234" next="#note-0235" place="foot" n="(*)">Capit. <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi> fu&#x0364;hrt an dem Orte &#x017F;einer Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreibung, wo er von die&#x017F;en Speeren re-<lb/>
det, (<hi rendition="#aq">Vol. II. pag.</hi> 82.) eine Stelle aus des Hrn. <hi rendition="#fr"><persName>Wales</persName> Tagebuch</hi> an, die der Ueber-<lb/>
&#x017F;etzung werth i&#x017F;t. &#x201E;Ich ge&#x017F;tehe,&#x201D; &#x017F;agt die&#x017F;er gelehrte A&#x017F;tronom, &#x201E;daß ich oft geglaubt,<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr"><persName>Homer</persName></hi> habe in den Thaten, welche er &#x017F;eine Helden mit dem Speer verrichten la&#x0364;ßt,<lb/>
&#x201E;zu &#x017F;ehr das Wunderbare ge&#x017F;ucht: wenig&#x017F;tens du&#x0364;nkte es mir, nach den &#x017F;trengen Regeln<lb/>
&#x201E;des <persName>Ari&#x017F;toteles</persName>, in einem epi&#x017F;chen Gedichte etwas zu auffallend. Selb&#x017F;t <hi rendition="#fr"><persName>Pope</persName></hi>, der<lb/>
&#x201E;eifrig&#x017F;te Vertheidiger <hi rendition="#fr"><persName>Homers</persName></hi>, ge&#x017F;teht, daß ihm die&#x017F;e Helden-Thaten verda&#x0364;chtig<lb/>
&#x201E;vorgekommen wa&#x0364;ren. Allein, &#x017F;eitdem ich die <hi rendition="#fr">Tanne&#x017F;er</hi> kennen gelernt, und ge&#x017F;ehen<lb/>
&#x201E;habe, wie viel &#x017F;ie mit ihren ho&#x0364;lzernen, &#x017F;tumpfen und nicht gar harten Speeren ausrich-<lb/>
&#x201E;ten, finde ich gegen alle die&#x017F;e Stellen <hi rendition="#fr"><persName>Homers</persName></hi> nicht das gering&#x017F;te mehr einzuwenden.</note> So gehet es auch mit ihren<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0234] Forſter’s Reiſe um die Welt hen. Zur Vogeljagd und zum Fiſchen gebrauchen ſie Pfeile die drey Spitzen haben. Die Schlendern werden aus Cocos-Faſern, und zwar in der Mitte wo der Stein zu liegen kommt, etwas breiter gemacht als an den Enden. Sie pfle- gen ſolche um den Arm oder um den Leib, die Steine aber beſonders in ein großes Blatt gewickelt, mit ſich herum zu tragen. Die dritte Art von Wurf- Gewehren ſind die Spieße oder Speere. Gemeiniglich nehmen ſie dazu knotige ungeſtaltete Stecken, kaum eines halben Zolls dick, aber neun bis zehn Fuß lang; das dickſte Ende derſelben macht eine dreyeckigte Spitze von ſechs bis acht Zoll aus, die auf allen dreyen Seiten ohngefaͤhr zehn Einſchnitte oder Wiederha- ken hat. Mit einem dergleichen Speere verfehlt der Tanneſer, zumal wenn die Entfernung gering iſt, nicht leicht ſein Ziel. Hiezu iſt ihm ein vier bis fuͤnf Zoll langes, aus Baumrinde geflochtnes Stuͤck von einem Stricke behuͤlflich, das an einem Ende einen Knoten, an dem andern aber eine Schleife hat, und auf fol- gende Art gebraucht wird. Durch die Schleife ſteckt man den Zeigefinger, ergreift hierauf mit dieſem Finger und dem Daume das Spieß, und wickelt das andre Ende jenes Strickes, oberhalb der Hand, einmal um den Schaft des Speers herum; wird nun der Speer abgeworfen, ſo kann er aus der Richtung die man ihm gegeben, wenigſtens nicht ehe weichen, als bis er die Schlinge mit Gewalt auseinander getrieben hat, und dieſe bleibt dann, in ihrer urſpruͤngli- chen Form, an dem Zeigefinger des Schuͤtzen, woran ſie befeſtigt iſt, zuruͤck. Ich habe mehr als einen ſolchen Wurf geſehen, wo auf eine Entfernung von dreyßig bis vierzig Fuß, die zackigte Spitze des Speeres durch einen vier Zoll dicken Pfahl glatt hindurch gieng. (*) So gehet es auch mit ihren 1774. Auguſt. (*) Capit. Cook fuͤhrt an dem Orte ſeiner Reiſebeſchreibung, wo er von dieſen Speeren re- det, (Vol. II. pag. 82.) eine Stelle aus des Hrn. Wales Tagebuch an, die der Ueber- ſetzung werth iſt. „Ich geſtehe,” ſagt dieſer gelehrte Aſtronom, „daß ich oft geglaubt, „Homer habe in den Thaten, welche er ſeine Helden mit dem Speer verrichten laͤßt, „zu ſehr das Wunderbare geſucht: wenigſtens duͤnkte es mir, nach den ſtrengen Regeln „des Ariſtoteles, in einem epiſchen Gedichte etwas zu auffallend. Selbſt Pope, der „eifrigſte Vertheidiger Homers, geſteht, daß ihm dieſe Helden-Thaten verdaͤchtig „vorgekommen waͤren. Allein, ſeitdem ich die Tanneſer kennen gelernt, und geſehen „habe, wie viel ſie mit ihren hoͤlzernen, ſtumpfen und nicht gar harten Speeren ausrich- „ten, finde ich gegen alle dieſe Stellen Homers nicht das geringſte mehr einzuwenden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/234
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/234>, abgerufen am 25.11.2024.