Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

in den Jahren 1772 bis 1775.
fanden es dem Ansehen nach nicht so stark bewohnt, als die nördlichen Ey-1774.
Julius.
lande, die wir nun hinter uns gelassen hatten. Dieser Umstand würde die Anle-
gung eines Pflanzorts um ein Großes erleichtern und wenn sich jemalen bey Kolo-
nisten menschenfreundliche Gesinnungen vermuthen ließen, so könnten sie hier
mit geringer Mühe wahrhafte Wohlthäter der Einwohner werden; denn letztere
sind mit den Mallicollesern von einer Nation, das ist, so viel wir bemerkt ha-
ben, eine sehr verständige Art von Leuten; welche leicht zu bewegen seyn würden,
die Verbesserungen des civilisirten Lebens anzunehmen. Am nordwestlichen Ende
der Insel war, dem Anschein nach, eine weit ins Land hinauf reichende Bay
vorhanden, wir konnten sie aber nicht genauer untersuchen, weil an der Ostseite
einige Riefe und kleine Eylande den Zugang versperrten. Von der West-
seite mögte man vermuthlich besser haben einlaufen können. Capitain Cook
nannte diese große Insel Sandwich; die gegen Norden gelegene, Hinching-
brook, und die östliche Montague, dem ersten Lord des Admiralitäts-Colle-
gii und seinen beyden Söhnen zu Ehren. Der mittlere Theil der Insel
Sandwich liegt unterm 17°. 40'. S. Br. und im 168°. 30'. Oestl. Länge.

Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch steuerten wir gegen
Süd-Osten. Bey Tages Anbruch befanden wir uns ohngefähr vierzehen See-
meilen von der Insel Sandwich, und fast eben so weit von einem vor uns lie-
genden neuen Eylande. Jetzt sahe es auf unserm Schiffe nicht viel besser aus, als in
einem Hospitale. Die vergifteten Patienten waren immer noch übel dran; das Bauch-
weh und die Schmerzen in den Knochen wollten gar nicht nachlassen; außer-
halb dem Bette konnten sie vor Schwindel kaum den Kopf aufrecht halten, und
wenn sie sich niederlegten, so vermehrte die Bettwärme das Glieder-Reißen der-
maaßen, daß sie kein Auge dafür schließen konnten. Auch der Speichelfluß hielt
noch beständig an; dabey schälte sich die äußere Haut am ganzen Cörper, und auf
den Händen kam eine Menge kleiner Geschwüre zum Vorschein. Manche klagten
nicht so sehr über Schmerzen, als vielmehr über Mattigkeit, und krochen blaß
und abgezehrt wie die Schatten umher. Von den Lieutenants war nicht ein
einziger im Stande Wache zu thun; und weil ein Unter-Pilote, nebst meh-
reren Cadetten ebenfalls von diesem unglücklichen Fisch gegessen hatten, so mußte
das Commando bey der Schiffswacht, wechselsweise dem Constabel und den

Forster's Reise u. d. W. zweyter Th. B b

in den Jahren 1772 bis 1775.
fanden es dem Anſehen nach nicht ſo ſtark bewohnt, als die noͤrdlichen Ey-1774.
Julius.
lande, die wir nun hinter uns gelaſſen hatten. Dieſer Umſtand wuͤrde die Anle-
gung eines Pflanzorts um ein Großes erleichtern und wenn ſich jemalen bey Kolo-
niſten menſchenfreundliche Geſinnungen vermuthen ließen, ſo koͤnnten ſie hier
mit geringer Muͤhe wahrhafte Wohlthaͤter der Einwohner werden; denn letztere
ſind mit den Mallicolleſern von einer Nation, das iſt, ſo viel wir bemerkt ha-
ben, eine ſehr verſtaͤndige Art von Leuten; welche leicht zu bewegen ſeyn wuͤrden,
die Verbeſſerungen des civiliſirten Lebens anzunehmen. Am nordweſtlichen Ende
der Inſel war, dem Anſchein nach, eine weit ins Land hinauf reichende Bay
vorhanden, wir konnten ſie aber nicht genauer unterſuchen, weil an der Oſtſeite
einige Riefe und kleine Eylande den Zugang verſperrten. Von der Weſt-
ſeite moͤgte man vermuthlich beſſer haben einlaufen koͤnnen. Capitain Cook
nannte dieſe große Inſel Sandwich; die gegen Norden gelegene, Hinching-
brook, und die oͤſtliche Montague, dem erſten Lord des Admiralitaͤts-Colle-
gii und ſeinen beyden Soͤhnen zu Ehren. Der mittlere Theil der Inſel
Sandwich liegt unterm 17°. 40′. S. Br. und im 168°. 30′. Oeſtl. Laͤnge.

Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch ſteuerten wir gegen
Suͤd-Oſten. Bey Tages Anbruch befanden wir uns ohngefaͤhr vierzehen See-
meilen von der Inſel Sandwich, und faſt eben ſo weit von einem vor uns lie-
genden neuen Eylande. Jetzt ſahe es auf unſerm Schiffe nicht viel beſſer aus, als in
einem Hoſpitale. Die vergifteten Patienten waren immer noch uͤbel dran; das Bauch-
weh und die Schmerzen in den Knochen wollten gar nicht nachlaſſen; außer-
halb dem Bette konnten ſie vor Schwindel kaum den Kopf aufrecht halten, und
wenn ſie ſich niederlegten, ſo vermehrte die Bettwaͤrme das Glieder-Reißen der-
maaßen, daß ſie kein Auge dafuͤr ſchließen konnten. Auch der Speichelfluß hielt
noch beſtaͤndig an; dabey ſchaͤlte ſich die aͤußere Haut am ganzen Coͤrper, und auf
den Haͤnden kam eine Menge kleiner Geſchwuͤre zum Vorſchein. Manche klagten
nicht ſo ſehr uͤber Schmerzen, als vielmehr uͤber Mattigkeit, und krochen blaß
und abgezehrt wie die Schatten umher. Von den Lieutenants war nicht ein
einziger im Stande Wache zu thun; und weil ein Unter-Pilote, nebſt meh-
reren Cadetten ebenfalls von dieſem ungluͤcklichen Fiſch gegeſſen hatten, ſo mußte
das Commando bey der Schiffswacht, wechſelsweiſe dem Conſtabel und den

Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. B b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="193"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
fanden es dem An&#x017F;ehen nach nicht &#x017F;o &#x017F;tark bewohnt, als die no&#x0364;rdlichen Ey-<note place="right">1774.<lb/>
Julius.</note><lb/>
lande, die wir nun hinter uns gela&#x017F;&#x017F;en hatten. Die&#x017F;er Um&#x017F;tand wu&#x0364;rde die Anle-<lb/>
gung eines Pflanzorts um ein Großes erleichtern und wenn &#x017F;ich jemalen bey Kolo-<lb/>
ni&#x017F;ten men&#x017F;chenfreundliche Ge&#x017F;innungen vermuthen ließen, &#x017F;o ko&#x0364;nnten &#x017F;ie hier<lb/>
mit geringer Mu&#x0364;he wahrhafte Wohltha&#x0364;ter der Einwohner werden; denn letztere<lb/>
&#x017F;ind mit den <hi rendition="#fr">Mallicolle&#x017F;ern</hi> von einer Nation, das i&#x017F;t, &#x017F;o viel wir bemerkt ha-<lb/>
ben, eine &#x017F;ehr ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Art von Leuten; welche leicht zu bewegen &#x017F;eyn wu&#x0364;rden,<lb/>
die Verbe&#x017F;&#x017F;erungen des civili&#x017F;irten Lebens anzunehmen. Am nordwe&#x017F;tlichen Ende<lb/>
der In&#x017F;el war, dem An&#x017F;chein nach, eine weit ins Land hinauf reichende Bay<lb/>
vorhanden, wir konnten &#x017F;ie aber nicht genauer unter&#x017F;uchen, weil an der O&#x017F;t&#x017F;eite<lb/>
einige Riefe und kleine Eylande den Zugang ver&#x017F;perrten. Von der We&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;eite mo&#x0364;gte man vermuthlich be&#x017F;&#x017F;er haben einlaufen ko&#x0364;nnen. Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi><lb/>
nannte die&#x017F;e große In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Sandwich</placeName></hi>; die gegen Norden gelegene, <hi rendition="#fr"><placeName>Hinching-<lb/>
brook</placeName></hi>, und die o&#x0364;&#x017F;tliche <hi rendition="#fr"><placeName>Montague</placeName></hi>, dem er&#x017F;ten Lord des Admiralita&#x0364;ts-Colle-<lb/>
gii und &#x017F;einen beyden So&#x0364;hnen zu Ehren. Der mittlere Theil der In&#x017F;el<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Sandwich</placeName></hi> liegt unterm 17°. 40&#x2032;. S. Br. und im 168°. 30&#x2032;. Oe&#x017F;tl. La&#x0364;nge.</p><lb/>
        <p>Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch &#x017F;teuerten wir gegen<lb/><hi rendition="#fr">Su&#x0364;d-O&#x017F;ten</hi>. Bey Tages Anbruch befanden wir uns ohngefa&#x0364;hr vierzehen See-<lb/>
meilen von der In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Sandwich</placeName></hi>, und fa&#x017F;t eben &#x017F;o weit von einem vor uns lie-<lb/>
genden neuen Eylande. Jetzt &#x017F;ahe es auf un&#x017F;erm Schiffe nicht viel be&#x017F;&#x017F;er aus, als in<lb/>
einem Ho&#x017F;pitale. Die vergifteten Patienten waren immer noch u&#x0364;bel dran; das Bauch-<lb/>
weh und die Schmerzen in den Knochen wollten gar nicht nachla&#x017F;&#x017F;en; außer-<lb/>
halb dem Bette konnten &#x017F;ie vor Schwindel kaum den Kopf aufrecht halten, und<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich niederlegten, &#x017F;o vermehrte die Bettwa&#x0364;rme das Glieder-Reißen der-<lb/>
maaßen, daß &#x017F;ie kein Auge dafu&#x0364;r &#x017F;chließen konnten. Auch der Speichelfluß hielt<lb/>
noch be&#x017F;ta&#x0364;ndig an; dabey &#x017F;cha&#x0364;lte &#x017F;ich die a&#x0364;ußere Haut am ganzen Co&#x0364;rper, und auf<lb/>
den Ha&#x0364;nden kam eine Menge kleiner Ge&#x017F;chwu&#x0364;re zum Vor&#x017F;chein. Manche klagten<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;ehr u&#x0364;ber Schmerzen, als vielmehr u&#x0364;ber Mattigkeit, und krochen blaß<lb/>
und abgezehrt wie die Schatten umher. Von den Lieutenants war nicht ein<lb/>
einziger im Stande Wache zu thun; und weil ein Unter-Pilote, neb&#x017F;t meh-<lb/>
reren Cadetten ebenfalls von die&#x017F;em unglu&#x0364;cklichen Fi&#x017F;ch gege&#x017F;&#x017F;en hatten, &#x017F;o mußte<lb/>
das Commando bey der Schiffswacht, wech&#x017F;elswei&#x017F;e dem Con&#x017F;tabel und den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e u. d. W. zweyter Th.</hi> B b</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0207] in den Jahren 1772 bis 1775. fanden es dem Anſehen nach nicht ſo ſtark bewohnt, als die noͤrdlichen Ey- lande, die wir nun hinter uns gelaſſen hatten. Dieſer Umſtand wuͤrde die Anle- gung eines Pflanzorts um ein Großes erleichtern und wenn ſich jemalen bey Kolo- niſten menſchenfreundliche Geſinnungen vermuthen ließen, ſo koͤnnten ſie hier mit geringer Muͤhe wahrhafte Wohlthaͤter der Einwohner werden; denn letztere ſind mit den Mallicolleſern von einer Nation, das iſt, ſo viel wir bemerkt ha- ben, eine ſehr verſtaͤndige Art von Leuten; welche leicht zu bewegen ſeyn wuͤrden, die Verbeſſerungen des civiliſirten Lebens anzunehmen. Am nordweſtlichen Ende der Inſel war, dem Anſchein nach, eine weit ins Land hinauf reichende Bay vorhanden, wir konnten ſie aber nicht genauer unterſuchen, weil an der Oſtſeite einige Riefe und kleine Eylande den Zugang verſperrten. Von der Weſt- ſeite moͤgte man vermuthlich beſſer haben einlaufen koͤnnen. Capitain Cook nannte dieſe große Inſel Sandwich; die gegen Norden gelegene, Hinching- brook, und die oͤſtliche Montague, dem erſten Lord des Admiralitaͤts-Colle- gii und ſeinen beyden Soͤhnen zu Ehren. Der mittlere Theil der Inſel Sandwich liegt unterm 17°. 40′. S. Br. und im 168°. 30′. Oeſtl. Laͤnge. 1774. Julius. Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch ſteuerten wir gegen Suͤd-Oſten. Bey Tages Anbruch befanden wir uns ohngefaͤhr vierzehen See- meilen von der Inſel Sandwich, und faſt eben ſo weit von einem vor uns lie- genden neuen Eylande. Jetzt ſahe es auf unſerm Schiffe nicht viel beſſer aus, als in einem Hoſpitale. Die vergifteten Patienten waren immer noch uͤbel dran; das Bauch- weh und die Schmerzen in den Knochen wollten gar nicht nachlaſſen; außer- halb dem Bette konnten ſie vor Schwindel kaum den Kopf aufrecht halten, und wenn ſie ſich niederlegten, ſo vermehrte die Bettwaͤrme das Glieder-Reißen der- maaßen, daß ſie kein Auge dafuͤr ſchließen konnten. Auch der Speichelfluß hielt noch beſtaͤndig an; dabey ſchaͤlte ſich die aͤußere Haut am ganzen Coͤrper, und auf den Haͤnden kam eine Menge kleiner Geſchwuͤre zum Vorſchein. Manche klagten nicht ſo ſehr uͤber Schmerzen, als vielmehr uͤber Mattigkeit, und krochen blaß und abgezehrt wie die Schatten umher. Von den Lieutenants war nicht ein einziger im Stande Wache zu thun; und weil ein Unter-Pilote, nebſt meh- reren Cadetten ebenfalls von dieſem ungluͤcklichen Fiſch gegeſſen hatten, ſo mußte das Commando bey der Schiffswacht, wechſelsweiſe dem Conſtabel und den Forſter’s Reiſe u. d. W. zweyter Th. B b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/207
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/207>, abgerufen am 22.11.2024.