1774. Julius.10 Uhr blieben wir in der fürchterlichsten Ungewißheit über unser Schicksal! Die Boote in See zu setzen und das Schiff boogsiren zu lassen, wäre bey der Heftig- keit der Strömung verlohrne Mühe gewesen. Die Wellen tummelten das Schiff wie im Kreise herum, so daß es bald der Queere, bald mit dem Vorder- dann wie- der mit dem Hinter-Theile nach dem Ufer zugekehret wurde. Wie hallte das Ge- räusch der tobenden Wellen so fürchterlich vom Felsen zurück! Schrecklicher war uns das Getöse der Brandung noch nie vorgekommen, denn noch nie hatte sie uns mit so augenscheinlicher Gefahr bedrohet. Endlich trieb uns die Strömung, zwar knapp genug, doch ohne Schaden bey dem Lande vorüber.
Sobald es Tag wurde erhob sich der Wind wieder, worauf wir zwi- schen den beyden Inseln hindurch seegelten. Die östlichste, mochte kaum acht oder neun Meilen im Umfange haben, war aber dennoch bewohnet. Eine Menge von Leuten kamen mit Bogen, Pfeilen und Wurfspießen bewaffnet an den Strand herab, um uns anzugaffen. Das Eyland hatte einen ziemlich ho- hen Hügel in der Mitte, der mehrentheils von Waldung entblößt war. Am Fuße, so wie auch unterhalb desselben, entdeckte man bearbeitetes Land, imgleichen ein Gebüsch von Cocos-Palmen, Pisangs, und mancherley andern Bäumen, in deren Schatten wir etliche Hütten, am Ufer aber, verschiedene auf den Strand gezogene Canots gewahr wurden. Die andere Insel lag dieser gerade gegen über, vier bis fünf Seemeilen weiter gegen Westen. Es zeigte sich aber, daß auch dieser Fleck Landes aus zwo Inseln bestand. Die nordwärts gelege- ne, war eben diejenige, daran wir beynahe gescheitert wären. Sie hatte nicht über zwölf bis funfzehn Meilen im Umfange, war mit der östlichen von einer- ley Höhe, und gleichförmigen Ansehen. Das größte Eiland lag weiter gen Süden, und erstreckte sich wenigstens zehn gute Seemeilen weit von Nordwest gegen Südosten. Es war, so wie die beyden vorigen, ziemlich bergigt, aber nirgends steil, und ergötzte das Auge durch eine Menge herrlicher Aussichten. Finstre Wälder wechselten, sehr angenehm, mit großen freyen Strecken ab, die, ihrer schönen goldgelben Farbe wegen, den europäischen reifen Kornfeldern ähnlich sahen. Ueberhaupt dünkte uns dies Eyland von der ganzen bisher entdeck- ten Gruppe eines der schönsten und zu einer europäischen Kolonie besonders wohl gelegen zu seyn. Wir seegelten ziemlich weit von der Küste vorüber, und
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Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Julius.10 Uhr blieben wir in der fuͤrchterlichſten Ungewißheit uͤber unſer Schickſal! Die Boote in See zu ſetzen und das Schiff boogſiren zu laſſen, waͤre bey der Heftig- keit der Stroͤmung verlohrne Muͤhe geweſen. Die Wellen tummelten das Schiff wie im Kreiſe herum, ſo daß es bald der Queere, bald mit dem Vorder- dann wie- der mit dem Hinter-Theile nach dem Ufer zugekehret wurde. Wie hallte das Ge- raͤuſch der tobenden Wellen ſo fuͤrchterlich vom Felſen zuruͤck! Schrecklicher war uns das Getoͤſe der Brandung noch nie vorgekommen, denn noch nie hatte ſie uns mit ſo augenſcheinlicher Gefahr bedrohet. Endlich trieb uns die Stroͤmung, zwar knapp genug, doch ohne Schaden bey dem Lande voruͤber.
Sobald es Tag wurde erhob ſich der Wind wieder, worauf wir zwi- ſchen den beyden Inſeln hindurch ſeegelten. Die oͤſtlichſte, mochte kaum acht oder neun Meilen im Umfange haben, war aber dennoch bewohnet. Eine Menge von Leuten kamen mit Bogen, Pfeilen und Wurfſpießen bewaffnet an den Strand herab, um uns anzugaffen. Das Eyland hatte einen ziemlich ho- hen Huͤgel in der Mitte, der mehrentheils von Waldung entbloͤßt war. Am Fuße, ſo wie auch unterhalb deſſelben, entdeckte man bearbeitetes Land, imgleichen ein Gebuͤſch von Cocos-Palmen, Piſangs, und mancherley andern Baͤumen, in deren Schatten wir etliche Huͤtten, am Ufer aber, verſchiedene auf den Strand gezogene Canots gewahr wurden. Die andere Inſel lag dieſer gerade gegen uͤber, vier bis fuͤnf Seemeilen weiter gegen Weſten. Es zeigte ſich aber, daß auch dieſer Fleck Landes aus zwo Inſeln beſtand. Die nordwaͤrts gelege- ne, war eben diejenige, daran wir beynahe geſcheitert waͤren. Sie hatte nicht uͤber zwoͤlf bis funfzehn Meilen im Umfange, war mit der oͤſtlichen von einer- ley Hoͤhe, und gleichfoͤrmigen Anſehen. Das groͤßte Eiland lag weiter gen Suͤden, und erſtreckte ſich wenigſtens zehn gute Seemeilen weit von Nordweſt gegen Suͤdoſten. Es war, ſo wie die beyden vorigen, ziemlich bergigt, aber nirgends ſteil, und ergoͤtzte das Auge durch eine Menge herrlicher Ausſichten. Finſtre Waͤlder wechſelten, ſehr angenehm, mit großen freyen Strecken ab, die, ihrer ſchoͤnen goldgelben Farbe wegen, den europaͤiſchen reifen Kornfeldern aͤhnlich ſahen. Ueberhaupt duͤnkte uns dies Eyland von der ganzen bisher entdeck- ten Gruppe eines der ſchoͤnſten und zu einer europaͤiſchen Kolonie beſonders wohl gelegen zu ſeyn. Wir ſeegelten ziemlich weit von der Kuͤſte voruͤber, und
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Forſter’s Reiſe um die Welt
10 Uhr blieben wir in der fuͤrchterlichſten Ungewißheit uͤber unſer Schickſal! Die
Boote in See zu ſetzen und das Schiff boogſiren zu laſſen, waͤre bey der Heftig-
keit der Stroͤmung verlohrne Muͤhe geweſen. Die Wellen tummelten das Schiff
wie im Kreiſe herum, ſo daß es bald der Queere, bald mit dem Vorder- dann wie-
der mit dem Hinter-Theile nach dem Ufer zugekehret wurde. Wie hallte das Ge-
raͤuſch der tobenden Wellen ſo fuͤrchterlich vom Felſen zuruͤck! Schrecklicher war
uns das Getoͤſe der Brandung noch nie vorgekommen, denn noch nie hatte ſie
uns mit ſo augenſcheinlicher Gefahr bedrohet. Endlich trieb uns die Stroͤmung,
zwar knapp genug, doch ohne Schaden bey dem Lande voruͤber.
1774.
Julius.
Sobald es Tag wurde erhob ſich der Wind wieder, worauf wir zwi-
ſchen den beyden Inſeln hindurch ſeegelten. Die oͤſtlichſte, mochte kaum acht
oder neun Meilen im Umfange haben, war aber dennoch bewohnet. Eine
Menge von Leuten kamen mit Bogen, Pfeilen und Wurfſpießen bewaffnet an
den Strand herab, um uns anzugaffen. Das Eyland hatte einen ziemlich ho-
hen Huͤgel in der Mitte, der mehrentheils von Waldung entbloͤßt war. Am
Fuße, ſo wie auch unterhalb deſſelben, entdeckte man bearbeitetes Land, imgleichen
ein Gebuͤſch von Cocos-Palmen, Piſangs, und mancherley andern Baͤumen, in
deren Schatten wir etliche Huͤtten, am Ufer aber, verſchiedene auf den Strand
gezogene Canots gewahr wurden. Die andere Inſel lag dieſer gerade gegen
uͤber, vier bis fuͤnf Seemeilen weiter gegen Weſten. Es zeigte ſich aber,
daß auch dieſer Fleck Landes aus zwo Inſeln beſtand. Die nordwaͤrts gelege-
ne, war eben diejenige, daran wir beynahe geſcheitert waͤren. Sie hatte nicht
uͤber zwoͤlf bis funfzehn Meilen im Umfange, war mit der oͤſtlichen von einer-
ley Hoͤhe, und gleichfoͤrmigen Anſehen. Das groͤßte Eiland lag weiter gen
Suͤden, und erſtreckte ſich wenigſtens zehn gute Seemeilen weit von Nordweſt
gegen Suͤdoſten. Es war, ſo wie die beyden vorigen, ziemlich bergigt, aber
nirgends ſteil, und ergoͤtzte das Auge durch eine Menge herrlicher Ausſichten.
Finſtre Waͤlder wechſelten, ſehr angenehm, mit großen freyen Strecken ab,
die, ihrer ſchoͤnen goldgelben Farbe wegen, den europaͤiſchen reifen Kornfeldern
aͤhnlich ſahen. Ueberhaupt duͤnkte uns dies Eyland von der ganzen bisher entdeck-
ten Gruppe eines der ſchoͤnſten und zu einer europaͤiſchen Kolonie beſonders
wohl gelegen zu ſeyn. Wir ſeegelten ziemlich weit von der Kuͤſte voruͤber, und
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/206>, abgerufen am 15.08.2024.
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