1774. Julius.an der südlichen Spitze von Apih, verschiedne kleine Eylande näher in Augenschein zu nehmen. Bey dieser Gelegenheit erblickten wir in Süd-Osten einen hohen Berg und hinter demselben einen ziemlich weitläuftigen Strich Landes. Nach gerade fingen wir an, uns über die große Zahl der Eylande, die hier auf einem Haufen beysammen lagen, zu verwundern und ihrer südöstlichen Richtung wegen, zu vermuthen, daß sie bis nach Neu-Seeland reichen, mithin noch eine ganze Kette von Entdeckungen uns gewähren dürften.
Nachmittags gelangten wir auf unserm Laufe an die nordöstlichsten unter die- sen Eylanden. Sie waren durchgehends weit kleiner als Mallicollo, Ambrrymm und Apih, ja nicht einmal so groß als Three-Hills Eyland und Pa-uhm. Demohngeachtet fanden wir die meisten bewohnt; dies konnte man vorzüglich des Abends bemerken, indem, so bald es dunkel ward, so gar auf den steilsten Felsen, de- nen wir bey Tage alle Einwohner abgesprochen hatten, Feuer zu sehen waren. Nach Sonnen-Untergang fiel eine Windstille ein, die etliche Stunden lang dauerte. Die Nacht war ausnehmend dunkel, welches, bey den vielen einzelnen Klippen die sich auf allen Seiten um uns her befanden, unsre Lage doppelt gefährlich machte. Und wahrlich! der Seemann, der neue Inseln entdecken, und ihre Lage genau bestimmen will, muß fast alle Augenblick zu scheitern befürchten. Um die Kü- sten eines unbekannten Landes gehörig zu untersuchen, muß er dicht an denselben hinseegeln und es gleichsam auf gut Glück ankommen lassen, ob nicht ein plötz- licher Sturm, verborgne Klippen, oder reißende Strömungen der See, alle seine ruhmsüchtigen Hofnungen auf einmal zernichten werden? Klugheit und Vorsicht werden zwar zu jeder großen Unternehmung erfordert; aber bey Entde- ckungen zur See, und fast in allen andern wichtigen Fällen, scheint ein gewisser Grad von Verwegenheit, und unbedingtes Zutrauen auf einen guten Ausgang, der rechte Weg zum Ruhme zu seyn, der von dieser Seite betrachtet, oft mit größe- ren Belohnungen gekrönet wird, als er im Grunde verdienen mag.
Diese gefährlichen Eylande wurden, dem Professor der Sternkunde in Cambridge Dr. Anton Shepherd zu Ehren, Shepherds-Eylande ge- nannt. In der Nacht verstärkte sich der Wind, und wir lavirten bis zu Tages Anbruch ab und zu. Mit Sonnen-Aufgang seegelten wir von der südlichsten der Shepherds-Inseln ab, und richteten unsern Lauf nach dem Lande hin, wel-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Julius.an der ſuͤdlichen Spitze von Apih, verſchiedne kleine Eylande naͤher in Augenſchein zu nehmen. Bey dieſer Gelegenheit erblickten wir in Suͤd-Oſten einen hohen Berg und hinter demſelben einen ziemlich weitlaͤuftigen Strich Landes. Nach gerade fingen wir an, uns uͤber die große Zahl der Eylande, die hier auf einem Haufen beyſammen lagen, zu verwundern und ihrer ſuͤdoͤſtlichen Richtung wegen, zu vermuthen, daß ſie bis nach Neu-Seeland reichen, mithin noch eine ganze Kette von Entdeckungen uns gewaͤhren duͤrften.
Nachmittags gelangten wir auf unſerm Laufe an die nordoͤſtlichſten unter die- ſen Eylanden. Sie waren durchgehends weit kleiner als Mallicollo, Ambrrymm und Apih, ja nicht einmal ſo groß als Three-Hills Eyland und Pa-uhm. Demohngeachtet fanden wir die meiſten bewohnt; dies konnte man vorzuͤglich des Abends bemerken, indem, ſo bald es dunkel ward, ſo gar auf den ſteilſten Felſen, de- nen wir bey Tage alle Einwohner abgeſprochen hatten, Feuer zu ſehen waren. Nach Sonnen-Untergang fiel eine Windſtille ein, die etliche Stunden lang dauerte. Die Nacht war ausnehmend dunkel, welches, bey den vielen einzelnen Klippen die ſich auf allen Seiten um uns her befanden, unſre Lage doppelt gefaͤhrlich machte. Und wahrlich! der Seemann, der neue Inſeln entdecken, und ihre Lage genau beſtimmen will, muß faſt alle Augenblick zu ſcheitern befuͤrchten. Um die Kuͤ- ſten eines unbekannten Landes gehoͤrig zu unterſuchen, muß er dicht an denſelben hinſeegeln und es gleichſam auf gut Gluͤck ankommen laſſen, ob nicht ein ploͤtz- licher Sturm, verborgne Klippen, oder reißende Stroͤmungen der See, alle ſeine ruhmſuͤchtigen Hofnungen auf einmal zernichten werden? Klugheit und Vorſicht werden zwar zu jeder großen Unternehmung erfordert; aber bey Entde- ckungen zur See, und faſt in allen andern wichtigen Faͤllen, ſcheint ein gewiſſer Grad von Verwegenheit, und unbedingtes Zutrauen auf einen guten Ausgang, der rechte Weg zum Ruhme zu ſeyn, der von dieſer Seite betrachtet, oft mit groͤße- ren Belohnungen gekroͤnet wird, als er im Grunde verdienen mag.
Dieſe gefaͤhrlichen Eylande wurden, dem Profeſſor der Sternkunde in Cambridge Dr. Anton Shepherd zu Ehren, Shepherds-Eylande ge- nannt. In der Nacht verſtaͤrkte ſich der Wind, und wir lavirten bis zu Tages Anbruch ab und zu. Mit Sonnen-Aufgang ſeegelten wir von der ſuͤdlichſten der Shepherds-Inſeln ab, und richteten unſern Lauf nach dem Lande hin, wel-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
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zu nehmen. Bey dieſer Gelegenheit erblickten wir in Suͤd-Oſten einen hohen
Berg und hinter demſelben einen ziemlich weitlaͤuftigen Strich Landes. Nach
gerade fingen wir an, uns uͤber die große Zahl der Eylande, die hier auf einem
Haufen beyſammen lagen, zu verwundern und ihrer ſuͤdoͤſtlichen Richtung wegen,
zu vermuthen, daß ſie bis nach Neu-Seeland reichen, mithin noch eine ganze
Kette von Entdeckungen uns gewaͤhren duͤrften.
1774.
Julius.
Nachmittags gelangten wir auf unſerm Laufe an die nordoͤſtlichſten unter die-
ſen Eylanden. Sie waren durchgehends weit kleiner als Mallicollo, Ambrrymm
und Apih, ja nicht einmal ſo groß als Three-Hills Eyland und Pa-uhm.
Demohngeachtet fanden wir die meiſten bewohnt; dies konnte man vorzuͤglich des
Abends bemerken, indem, ſo bald es dunkel ward, ſo gar auf den ſteilſten Felſen, de-
nen wir bey Tage alle Einwohner abgeſprochen hatten, Feuer zu ſehen waren. Nach
Sonnen-Untergang fiel eine Windſtille ein, die etliche Stunden lang dauerte.
Die Nacht war ausnehmend dunkel, welches, bey den vielen einzelnen Klippen die
ſich auf allen Seiten um uns her befanden, unſre Lage doppelt gefaͤhrlich machte.
Und wahrlich! der Seemann, der neue Inſeln entdecken, und ihre Lage genau
beſtimmen will, muß faſt alle Augenblick zu ſcheitern befuͤrchten. Um die Kuͤ-
ſten eines unbekannten Landes gehoͤrig zu unterſuchen, muß er dicht an denſelben
hinſeegeln und es gleichſam auf gut Gluͤck ankommen laſſen, ob nicht ein ploͤtz-
licher Sturm, verborgne Klippen, oder reißende Stroͤmungen der See, alle
ſeine ruhmſuͤchtigen Hofnungen auf einmal zernichten werden? Klugheit und
Vorſicht werden zwar zu jeder großen Unternehmung erfordert; aber bey Entde-
ckungen zur See, und faſt in allen andern wichtigen Faͤllen, ſcheint ein gewiſſer
Grad von Verwegenheit, und unbedingtes Zutrauen auf einen guten Ausgang, der
rechte Weg zum Ruhme zu ſeyn, der von dieſer Seite betrachtet, oft mit groͤße-
ren Belohnungen gekroͤnet wird, als er im Grunde verdienen mag.
Dieſe gefaͤhrlichen Eylande wurden, dem Profeſſor der Sternkunde in
Cambridge Dr. Anton Shepherd zu Ehren, Shepherds-Eylande ge-
nannt. In der Nacht verſtaͤrkte ſich der Wind, und wir lavirten bis zu Tages
Anbruch ab und zu. Mit Sonnen-Aufgang ſeegelten wir von der ſuͤdlichſten
der Shepherds-Inſeln ab, und richteten unſern Lauf nach dem Lande hin, wel-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/204>, abgerufen am 15.08.2024.
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