1774. Julius.vorbereitet zu seyn. Als sie uns nahe genug waren, ließen wir ihnen ein Paar Stücke Tahitisches Zeug herab, welches sie überaus begierig annahmen, aber auch sogleich etliche Pfeile zum Gegengeschenk ins Schiff reichten. Die erstern hatten nur hölzerne Spitzen, bald hernach aber gaben sie uns auch einige, die mit Knochen zu- gespitzt und mit einer schwarzen, Gummi-ähnlichen Materie beschmieret waren, welche wir für eine Art von Gift ansahen. Um Gewißheit darüber zu bekom- men, brachten wir einem jungen tahitischen Hunde mit einem solchen Pfeile am Schenkel eine Wunde bey; es erfolgten aber keine gefährlichen Zufälle darnach.
Die Sprache dieses Volkes war von allen uns bekannten Süd-See- Dialecten dermaßen unterschieden, daß wir auch nicht ein einziges Wort davon verstehen konnten. Sie lautete ungleich härter, indem das R. S. Ch. und an- dere Consonanten sehr häufig darinn vorkamen. Auch der cörperlichen Bil- dung nach, fanden wir diese Leute ganz eigenthümlich ausgezeichnet. Sie wa- ren von außerordentlich schlaukem Wuchs, nicht leicht über 5 Fuß 4 Zoll groß, und den Gliedmaaßen fehlte es an Ebenmaaß. Arme und Beine waren gemei- niglich lang und sehr dünn, die Farbe der Haut schwarzbraun und die Haare ebenfalls schwarz und woll-artig gekräuselt. Das allersonderbarste lag in der Gesichtsbildung. Sie hatten, gleich den Negers, flache, breite Nasen und hervorstehende Backenknochen; dabey eine kurze Stirn, die zuweilen seltsam gestaltet war und platter als bey andern wohlgebildeten Menschen zu seyn schien. Hiezu kam noch, daß sich manche das Gesicht und die Brust schwarz gefärbt hatten, welches sie denn um ein gutes Theil häßlicher machte. Einige wenige trugen kleine, aus Matten verfertigte Mützen auf dem Kopfe; sonst aber giengen sie insgesammt gänzlich nackend. Ein Strick war das einzige, was sie um den Unterleib gebunden hatten, und zwar so fest, daß er einen tiefen Ein- schnitt machte. Fast alle andre Völker haben aus einem Gefühl von Schaam- haftigkeit, zur Bedeckung des Cörpers, Kleidungen erfunden; hier aber waren die Geschlechtstheile der Männer blos mit Zeug umwickelt, und so, in ihrer natürlichen Form, aufwärts an den Strick oder Gürtel festgebunden, mithin nicht sowohl verhüllt, als vielmehr sichtbar gemacht, und zwar, nach unsern Begriffen, in einer höchst unanständigen Lage sichtbar gemacht.
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Julius.vorbereitet zu ſeyn. Als ſie uns nahe genug waren, ließen wir ihnen ein Paar Stuͤcke Tahitiſches Zeug herab, welches ſie uͤberaus begierig annahmen, aber auch ſogleich etliche Pfeile zum Gegengeſchenk ins Schiff reichten. Die erſtern hatten nur hoͤlzerne Spitzen, bald hernach aber gaben ſie uns auch einige, die mit Knochen zu- geſpitzt und mit einer ſchwarzen, Gummi-aͤhnlichen Materie beſchmieret waren, welche wir fuͤr eine Art von Gift anſahen. Um Gewißheit daruͤber zu bekom- men, brachten wir einem jungen tahitiſchen Hunde mit einem ſolchen Pfeile am Schenkel eine Wunde bey; es erfolgten aber keine gefaͤhrlichen Zufaͤlle darnach.
Die Sprache dieſes Volkes war von allen uns bekannten Suͤd-See- Dialecten dermaßen unterſchieden, daß wir auch nicht ein einziges Wort davon verſtehen konnten. Sie lautete ungleich haͤrter, indem das R. S. Ch. und an- dere Conſonanten ſehr haͤufig darinn vorkamen. Auch der coͤrperlichen Bil- dung nach, fanden wir dieſe Leute ganz eigenthuͤmlich ausgezeichnet. Sie wa- ren von außerordentlich ſchlaukem Wuchs, nicht leicht uͤber 5 Fuß 4 Zoll groß, und den Gliedmaaßen fehlte es an Ebenmaaß. Arme und Beine waren gemei- niglich lang und ſehr duͤnn, die Farbe der Haut ſchwarzbraun und die Haare ebenfalls ſchwarz und woll-artig gekraͤuſelt. Das allerſonderbarſte lag in der Geſichtsbildung. Sie hatten, gleich den Negers, flache, breite Naſen und hervorſtehende Backenknochen; dabey eine kurze Stirn, die zuweilen ſeltſam geſtaltet war und platter als bey andern wohlgebildeten Menſchen zu ſeyn ſchien. Hiezu kam noch, daß ſich manche das Geſicht und die Bruſt ſchwarz gefaͤrbt hatten, welches ſie denn um ein gutes Theil haͤßlicher machte. Einige wenige trugen kleine, aus Matten verfertigte Muͤtzen auf dem Kopfe; ſonſt aber giengen ſie insgeſammt gaͤnzlich nackend. Ein Strick war das einzige, was ſie um den Unterleib gebunden hatten, und zwar ſo feſt, daß er einen tiefen Ein- ſchnitt machte. Faſt alle andre Voͤlker haben aus einem Gefuͤhl von Schaam- haftigkeit, zur Bedeckung des Coͤrpers, Kleidungen erfunden; hier aber waren die Geſchlechtstheile der Maͤnner blos mit Zeug umwickelt, und ſo, in ihrer natuͤrlichen Form, aufwaͤrts an den Strick oder Guͤrtel feſtgebunden, mithin nicht ſowohl verhuͤllt, als vielmehr ſichtbar gemacht, und zwar, nach unſern Begriffen, in einer hoͤchſt unanſtaͤndigen Lage ſichtbar gemacht.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
vorbereitet zu ſeyn. Als ſie uns nahe genug waren, ließen wir ihnen ein Paar
Stuͤcke Tahitiſches Zeug herab, welches ſie uͤberaus begierig annahmen, aber auch
ſogleich etliche Pfeile zum Gegengeſchenk ins Schiff reichten. Die erſtern hatten nur
hoͤlzerne Spitzen, bald hernach aber gaben ſie uns auch einige, die mit Knochen zu-
geſpitzt und mit einer ſchwarzen, Gummi-aͤhnlichen Materie beſchmieret waren,
welche wir fuͤr eine Art von Gift anſahen. Um Gewißheit daruͤber zu bekom-
men, brachten wir einem jungen tahitiſchen Hunde mit einem ſolchen Pfeile am
Schenkel eine Wunde bey; es erfolgten aber keine gefaͤhrlichen Zufaͤlle darnach.
1774.
Julius.
Die Sprache dieſes Volkes war von allen uns bekannten Suͤd-See-
Dialecten dermaßen unterſchieden, daß wir auch nicht ein einziges Wort davon
verſtehen konnten. Sie lautete ungleich haͤrter, indem das R. S. Ch. und an-
dere Conſonanten ſehr haͤufig darinn vorkamen. Auch der coͤrperlichen Bil-
dung nach, fanden wir dieſe Leute ganz eigenthuͤmlich ausgezeichnet. Sie wa-
ren von außerordentlich ſchlaukem Wuchs, nicht leicht uͤber 5 Fuß 4 Zoll groß,
und den Gliedmaaßen fehlte es an Ebenmaaß. Arme und Beine waren gemei-
niglich lang und ſehr duͤnn, die Farbe der Haut ſchwarzbraun und die Haare
ebenfalls ſchwarz und woll-artig gekraͤuſelt. Das allerſonderbarſte lag in der
Geſichtsbildung. Sie hatten, gleich den Negers, flache, breite Naſen und
hervorſtehende Backenknochen; dabey eine kurze Stirn, die zuweilen ſeltſam
geſtaltet war und platter als bey andern wohlgebildeten Menſchen zu ſeyn ſchien.
Hiezu kam noch, daß ſich manche das Geſicht und die Bruſt ſchwarz gefaͤrbt
hatten, welches ſie denn um ein gutes Theil haͤßlicher machte. Einige
wenige trugen kleine, aus Matten verfertigte Muͤtzen auf dem Kopfe; ſonſt aber
giengen ſie insgeſammt gaͤnzlich nackend. Ein Strick war das einzige, was ſie
um den Unterleib gebunden hatten, und zwar ſo feſt, daß er einen tiefen Ein-
ſchnitt machte. Faſt alle andre Voͤlker haben aus einem Gefuͤhl von Schaam-
haftigkeit, zur Bedeckung des Coͤrpers, Kleidungen erfunden; hier aber waren
die Geſchlechtstheile der Maͤnner blos mit Zeug umwickelt, und ſo, in ihrer
natuͤrlichen Form, aufwaͤrts an den Strick oder Guͤrtel feſtgebunden, mithin
nicht ſowohl verhuͤllt, als vielmehr ſichtbar gemacht, und zwar, nach unſern
Begriffen, in einer hoͤchſt unanſtaͤndigen Lage ſichtbar gemacht.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/176>, abgerufen am 16.07.2024.
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