Des folgenden Tages seegelten wir zwischen den Riefen und niedrigen Inseln1774. Junius. durch, in deren Bezirk die See ganz still und eben war. Diese Eylande ragten aber um etwas höher, als die gewöhnlichen Coral-Inseln, aus dem Meer empor, waren auch mit Gruppen von Bäumen, ja mit ganzen Waldungen versehen, welches ihnen ein reizendes Ansehen gab. Sie schienen überhaupt an nichts Mangel zu leiden, und mußten auch gut bewohnt seyn, denn man entdeckte schon am Strande eine Menge Häuser unter den Bäumen. Am östlichen Ende ei- ner von diesen Inseln befand sich eine weiße senkrechte Klippe, welche horizontale Schichten zu haben schien. Von fern sahe sie der Bastey eines verfallnen Kastels ähnlich, und hatte ein um so mehr mahlerisches Ansehen, weil sie oben mit niederm Gesträuch und hohen Palmen bewachsen war. Gegen Mittag ließ der Wind nach; und dieß machten sich die Insulaner zu Nutze. Sie brachten von unterschiedenen dieser Eylande ihre Canots ins Wasser, um zu uns herüber zu kommen, und, ohnerachtet das Schiff noch eine starke Seemeile weit von ih- nen entfernt lag, ruderten doch einige so scharf, daß sie binnen einer Stunde heran waren. Als sie ohngefähr noch einen Flinten-Schuß vom Schiffe seyn mochten, fiengen sie an uns von Zeit zu Zeit zuzurufen, und kamen unter die- sem Zuruf immer näher. In dem ersten Fahrzeuge befanden sich drey Per- sonen, die dem äußern Ansehn nach den Einwohnern von Ea-Uwhe und Ton- gatabu (welche beyde Inseln wir im October 1773 besucht hatten,) vollkom- men ähnlich waren. So bäld sie das Schiff erreicht hatten, wurden ihnen ei- nige Glas-Corallen und Nägel an einer Leine herabgelassen, wogegen sie uns unverzüglich einige Büschel Pisangs und etliche überaus schmackhafte Pom- pelmuße (Shaddocks oder Citrus decumanus) aufs Verdeck schickten. Die- sem Gegengeschenk fügten sie auch einen Stengel voller rothen Palm-Ruß- Früchte oder Pandangs (athrodactylis) bey, als welche hier für Freund- schafts-Zeichen gelten. Sobald dadurch gleichsam die Präliminarien unterzeichnet waren, verkauften sie uns ihren ganzen Vorrath von Pompelmußen und andern Früchten, und kamen darauf selbst an Bord. Mittlerweile lang- ten die übrigen Canots ebenfalls an, und überließen uns ihre Waaren mit so gutem Zutrauen, als ob wir einander schon lange gekannt hätten. Sie sag- ten uns die Namen aller benachbarten Inseln her. Die mit der hohen Klippe hies
in den Jahren 1772 bis 1775.
Des folgenden Tages ſeegelten wir zwiſchen den Riefen und niedrigen Inſeln1774. Junius. durch, in deren Bezirk die See ganz ſtill und eben war. Dieſe Eylande ragten aber um etwas hoͤher, als die gewoͤhnlichen Coral-Inſeln, aus dem Meer empor, waren auch mit Gruppen von Baͤumen, ja mit ganzen Waldungen verſehen, welches ihnen ein reizendes Anſehen gab. Sie ſchienen uͤberhaupt an nichts Mangel zu leiden, und mußten auch gut bewohnt ſeyn, denn man entdeckte ſchon am Strande eine Menge Haͤuſer unter den Baͤumen. Am oͤſtlichen Ende ei- ner von dieſen Inſeln befand ſich eine weiße ſenkrechte Klippe, welche horizontale Schichten zu haben ſchien. Von fern ſahe ſie der Baſtey eines verfallnen Kaſtels aͤhnlich, und hatte ein um ſo mehr mahleriſches Anſehen, weil ſie oben mit niederm Geſtraͤuch und hohen Palmen bewachſen war. Gegen Mittag ließ der Wind nach; und dieß machten ſich die Inſulaner zu Nutze. Sie brachten von unterſchiedenen dieſer Eylande ihre Canots ins Waſſer, um zu uns heruͤber zu kommen, und, ohnerachtet das Schiff noch eine ſtarke Seemeile weit von ih- nen entfernt lag, ruderten doch einige ſo ſcharf, daß ſie binnen einer Stunde heran waren. Als ſie ohngefaͤhr noch einen Flinten-Schuß vom Schiffe ſeyn mochten, fiengen ſie an uns von Zeit zu Zeit zuzurufen, und kamen unter die- ſem Zuruf immer naͤher. In dem erſten Fahrzeuge befanden ſich drey Per- ſonen, die dem aͤußern Anſehn nach den Einwohnern von Ea-Uwhe und Ton- gatabu (welche beyde Inſeln wir im October 1773 beſucht hatten,) vollkom- men aͤhnlich waren. So baͤld ſie das Schiff erreicht hatten, wurden ihnen ei- nige Glas-Corallen und Naͤgel an einer Leine herabgelaſſen, wogegen ſie uns unverzuͤglich einige Buͤſchel Piſangs und etliche uͤberaus ſchmackhafte Pom- pelmuße (Shaddocks oder Citrus decumanus) aufs Verdeck ſchickten. Die- ſem Gegengeſchenk fuͤgten ſie auch einen Stengel voller rothen Palm-Ruß- Fruͤchte oder Pandangs (athrodactylis) bey, als welche hier fuͤr Freund- ſchafts-Zeichen gelten. Sobald dadurch gleichſam die Praͤliminarien unterzeichnet waren, verkauften ſie uns ihren ganzen Vorrath von Pompelmußen und andern Fruͤchten, und kamen darauf ſelbſt an Bord. Mittlerweile lang- ten die uͤbrigen Canots ebenfalls an, und uͤberließen uns ihre Waaren mit ſo gutem Zutrauen, als ob wir einander ſchon lange gekannt haͤtten. Sie ſag- ten uns die Namen aller benachbarten Inſeln her. Die mit der hohen Klippe hies
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Des folgenden Tages ſeegelten wir zwiſchen den Riefen und niedrigen Inſeln
durch, in deren Bezirk die See ganz ſtill und eben war. Dieſe Eylande ragten aber
um etwas hoͤher, als die gewoͤhnlichen Coral-Inſeln, aus dem Meer empor,
waren auch mit Gruppen von Baͤumen, ja mit ganzen Waldungen verſehen,
welches ihnen ein reizendes Anſehen gab. Sie ſchienen uͤberhaupt an nichts
Mangel zu leiden, und mußten auch gut bewohnt ſeyn, denn man entdeckte ſchon
am Strande eine Menge Haͤuſer unter den Baͤumen. Am oͤſtlichen Ende ei-
ner von dieſen Inſeln befand ſich eine weiße ſenkrechte Klippe, welche horizontale
Schichten zu haben ſchien. Von fern ſahe ſie der Baſtey eines verfallnen Kaſtels
aͤhnlich, und hatte ein um ſo mehr mahleriſches Anſehen, weil ſie oben mit
niederm Geſtraͤuch und hohen Palmen bewachſen war. Gegen Mittag ließ
der Wind nach; und dieß machten ſich die Inſulaner zu Nutze. Sie brachten von
unterſchiedenen dieſer Eylande ihre Canots ins Waſſer, um zu uns heruͤber
zu kommen, und, ohnerachtet das Schiff noch eine ſtarke Seemeile weit von ih-
nen entfernt lag, ruderten doch einige ſo ſcharf, daß ſie binnen einer Stunde
heran waren. Als ſie ohngefaͤhr noch einen Flinten-Schuß vom Schiffe ſeyn
mochten, fiengen ſie an uns von Zeit zu Zeit zuzurufen, und kamen unter die-
ſem Zuruf immer naͤher. In dem erſten Fahrzeuge befanden ſich drey Per-
ſonen, die dem aͤußern Anſehn nach den Einwohnern von Ea-Uwhe und Ton-
gatabu (welche beyde Inſeln wir im October 1773 beſucht hatten,) vollkom-
men aͤhnlich waren. So baͤld ſie das Schiff erreicht hatten, wurden ihnen ei-
nige Glas-Corallen und Naͤgel an einer Leine herabgelaſſen, wogegen ſie uns
unverzuͤglich einige Buͤſchel Piſangs und etliche uͤberaus ſchmackhafte Pom-
pelmuße (Shaddocks oder Citrus decumanus) aufs Verdeck ſchickten. Die-
ſem Gegengeſchenk fuͤgten ſie auch einen Stengel voller rothen Palm-Ruß-
Fruͤchte oder Pandangs (athrodactylis) bey, als welche hier fuͤr Freund-
ſchafts-Zeichen gelten. Sobald dadurch gleichſam die Praͤliminarien unterzeichnet
waren, verkauften ſie uns ihren ganzen Vorrath von Pompelmußen und
andern Fruͤchten, und kamen darauf ſelbſt an Bord. Mittlerweile lang-
ten die uͤbrigen Canots ebenfalls an, und uͤberließen uns ihre Waaren mit ſo
gutem Zutrauen, als ob wir einander ſchon lange gekannt haͤtten. Sie ſag-
ten uns die Namen aller benachbarten Inſeln her. Die mit der hohen Klippe hies
1774.
Junius.
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/147>, abgerufen am 27.11.2024.
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