nach uns ausstreckte, und das dauerte fort, bis man ihn nicht länger unterschei-1774. Junius. den konnte.
So verließen wir denn ein liebenswürdiges Volk, welches bey allen seinen Unvollkommenheiten, vielleicht unschuldigern und reinern Herzens ist, als manche andre, die es in der Verfeinerung der Sitten weiter gebracht und bessern Un- terricht genossen haben. Sie kennen die geselligen Tugenden und Pflichten und üben sie auch getreulich aus. Die Gutherzigkeit, welche der ehrliche Maheine bey jeder Gelegenheit bewies, ist ein ziemlich richtiger Maasstab, nach welchem sich der Character dieses Volkes überhaupt beurtheilen läßt. Wie oft habe ich gesehen, daß eine Menge von ihnen sich recht brüderlich in eine einzige Brod- frucht oder in ein Paar Cocos-Nüsse theilte, und daß sie mit den geringsten Por- tionen zufrieden waren, damit nur keiner leer ausgehen mögte! Auch schränkte sich diese hülfreiche Einträchtigkeit keinesweges auf bloße Kleinigkeiten ein; son- dern, so bereitwillig sie waren einander mit Lebensmitteln auszuhelfen, eben so gern und uneigennützig theilten sie einander auch Kleidungsstücke und Sachen von beträchtlicherem Werthe mit.
Selbst mit uns, die wir Fremdlinge in ihrem Lande waren, giengen sie auf das liebreichste um: Wenn wir aus den Booten ans Land, oder vom Ufer wieder in die Boote steigen wollten, so erboten sie sich jederzeit uns auf dem Rücken hinüber zu bringen, damit wir uns die Füße nicht naß machen soll- ten. Oft haben sie uns die Seltenheiten, die wir eingekauft, nachgetragen; und gemeiniglich waren sie auch gutwillig genug, wie die Hühnerhunde ins Was- ser zu gehen, um die Vögel herauszuholen, die wir geschossen hatten. Wenn uns Regenwetter überfiel, oder wenn wir für Hitze und Müdigkeit oft nicht mehr fort konnten, so bathen sie uns, in ihren Hütten auszuruhen und bewirtheten uns mit ihren besten Vorräthen. Der gastfreye Hauswirth stand in solchen Fällen ganz bescheiden von fern und wollte nicht eher vor sich selbst etwas nehmen, als bis wir ihn ausdrücklich dazu einluden; andre von den Hausgenossen fächerten uns indeß mit Baumblättern oder buschigten Zweigen, Kühlung zu, und beym Abschiede wurden wir gemeiniglich in die Familie, nach Maasgabe unsers Alters, entweder als Vater, oder Bruder, oder als Söhne, aufgenommen. Dies thaten sie in der Meynung, daß unsre Officiers und alle die sich zu denselben
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in den Jahren 1772 bis 1775.
nach uns ausſtreckte, und das dauerte fort, bis man ihn nicht laͤnger unterſchei-1774. Junius. den konnte.
So verließen wir denn ein liebenswuͤrdiges Volk, welches bey allen ſeinen Unvollkommenheiten, vielleicht unſchuldigern und reinern Herzens iſt, als manche andre, die es in der Verfeinerung der Sitten weiter gebracht und beſſern Un- terricht genoſſen haben. Sie kennen die geſelligen Tugenden und Pflichten und uͤben ſie auch getreulich aus. Die Gutherzigkeit, welche der ehrliche Maheine bey jeder Gelegenheit bewies, iſt ein ziemlich richtiger Maasſtab, nach welchem ſich der Character dieſes Volkes uͤberhaupt beurtheilen laͤßt. Wie oft habe ich geſehen, daß eine Menge von ihnen ſich recht bruͤderlich in eine einzige Brod- frucht oder in ein Paar Cocos-Nuͤſſe theilte, und daß ſie mit den geringſten Por- tionen zufrieden waren, damit nur keiner leer ausgehen moͤgte! Auch ſchraͤnkte ſich dieſe huͤlfreiche Eintraͤchtigkeit keinesweges auf bloße Kleinigkeiten ein; ſon- dern, ſo bereitwillig ſie waren einander mit Lebensmitteln auszuhelfen, eben ſo gern und uneigennuͤtzig theilten ſie einander auch Kleidungsſtuͤcke und Sachen von betraͤchtlicherem Werthe mit.
Selbſt mit uns, die wir Fremdlinge in ihrem Lande waren, giengen ſie auf das liebreichſte um: Wenn wir aus den Booten ans Land, oder vom Ufer wieder in die Boote ſteigen wollten, ſo erboten ſie ſich jederzeit uns auf dem Ruͤcken hinuͤber zu bringen, damit wir uns die Fuͤße nicht naß machen ſoll- ten. Oft haben ſie uns die Seltenheiten, die wir eingekauft, nachgetragen; und gemeiniglich waren ſie auch gutwillig genug, wie die Huͤhnerhunde ins Waſ- ſer zu gehen, um die Voͤgel herauszuholen, die wir geſchoſſen hatten. Wenn uns Regenwetter uͤberfiel, oder wenn wir fuͤr Hitze und Muͤdigkeit oft nicht mehr fort konnten, ſo bathen ſie uns, in ihren Huͤtten auszuruhen und bewirtheten uns mit ihren beſten Vorraͤthen. Der gaſtfreye Hauswirth ſtand in ſolchen Faͤllen ganz beſcheiden von fern und wollte nicht eher vor ſich ſelbſt etwas nehmen, als bis wir ihn ausdruͤcklich dazu einluden; andre von den Hausgenoſſen faͤcherten uns indeß mit Baumblaͤttern oder buſchigten Zweigen, Kuͤhlung zu, und beym Abſchiede wurden wir gemeiniglich in die Familie, nach Maasgabe unſers Alters, entweder als Vater, oder Bruder, oder als Soͤhne, aufgenommen. Dies thaten ſie in der Meynung, daß unſre Officiers und alle die ſich zu denſelben
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in den Jahren 1772 bis 1775.
nach uns ausſtreckte, und das dauerte fort, bis man ihn nicht laͤnger unterſchei-
den konnte.
1774.
Junius.
So verließen wir denn ein liebenswuͤrdiges Volk, welches bey allen ſeinen
Unvollkommenheiten, vielleicht unſchuldigern und reinern Herzens iſt, als manche
andre, die es in der Verfeinerung der Sitten weiter gebracht und beſſern Un-
terricht genoſſen haben. Sie kennen die geſelligen Tugenden und Pflichten und
uͤben ſie auch getreulich aus. Die Gutherzigkeit, welche der ehrliche Maheine
bey jeder Gelegenheit bewies, iſt ein ziemlich richtiger Maasſtab, nach welchem
ſich der Character dieſes Volkes uͤberhaupt beurtheilen laͤßt. Wie oft habe ich
geſehen, daß eine Menge von ihnen ſich recht bruͤderlich in eine einzige Brod-
frucht oder in ein Paar Cocos-Nuͤſſe theilte, und daß ſie mit den geringſten Por-
tionen zufrieden waren, damit nur keiner leer ausgehen moͤgte! Auch ſchraͤnkte
ſich dieſe huͤlfreiche Eintraͤchtigkeit keinesweges auf bloße Kleinigkeiten ein; ſon-
dern, ſo bereitwillig ſie waren einander mit Lebensmitteln auszuhelfen, eben ſo
gern und uneigennuͤtzig theilten ſie einander auch Kleidungsſtuͤcke und Sachen
von betraͤchtlicherem Werthe mit.
Selbſt mit uns, die wir Fremdlinge in ihrem Lande waren, giengen
ſie auf das liebreichſte um: Wenn wir aus den Booten ans Land, oder vom
Ufer wieder in die Boote ſteigen wollten, ſo erboten ſie ſich jederzeit uns auf
dem Ruͤcken hinuͤber zu bringen, damit wir uns die Fuͤße nicht naß machen ſoll-
ten. Oft haben ſie uns die Seltenheiten, die wir eingekauft, nachgetragen;
und gemeiniglich waren ſie auch gutwillig genug, wie die Huͤhnerhunde ins Waſ-
ſer zu gehen, um die Voͤgel herauszuholen, die wir geſchoſſen hatten. Wenn uns
Regenwetter uͤberfiel, oder wenn wir fuͤr Hitze und Muͤdigkeit oft nicht mehr
fort konnten, ſo bathen ſie uns, in ihren Huͤtten auszuruhen und bewirtheten
uns mit ihren beſten Vorraͤthen. Der gaſtfreye Hauswirth ſtand in ſolchen
Faͤllen ganz beſcheiden von fern und wollte nicht eher vor ſich ſelbſt etwas nehmen,
als bis wir ihn ausdruͤcklich dazu einluden; andre von den Hausgenoſſen faͤcherten
uns indeß mit Baumblaͤttern oder buſchigten Zweigen, Kuͤhlung zu, und beym
Abſchiede wurden wir gemeiniglich in die Familie, nach Maasgabe unſers
Alters, entweder als Vater, oder Bruder, oder als Soͤhne, aufgenommen.
Dies thaten ſie in der Meynung, daß unſre Officiers und alle die ſich zu denſelben
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/137>, abgerufen am 27.11.2024.
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