Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite
Forster's Reise um die Welt

1774.
Junius.
Te-Uwa no te malama
Te-Uwa te hinarro.

Das ist:

Das Wölkchen in dem Monde
Das Wölkchen liebe ich!

Daß übrigens die tahitische Göttin des Mondes nicht die keusche Diana der
Alten, sondern vielmehr die phönicische Astarte seyn müsse, werden meine
Leser wohl nicht in Abrede seyn. Die Sterne sind durch eine Göttin hervorge-
bracht, welche Tetu-matarau genannt wird, und die Winde stehen unter der
Bothmäßigkeit des Gottes Orri-Orri.

Außer diesen größern Gottheiten haben sie noch eine ansehnliche Menge von
geringerem Range. Einige derselben sollen Unheil stiften und Leute im Schlafe
tödten. Diese werden bey den vornehmsten Marais, oder steinernen Denkmä-
lern, öffentlich durch den Tahowa-rahai, oder den Hohenpriester der Insel ver-
ehret. An die wohlthätigen Götter richtet man Gebethe, die aber nicht laut
ausgesprochen, sondern bloß durch die Bewegung der Lippen angedeutet werden.
Der Priester sieht dabey gen Himmel, und man glaubt, der Eatua oder Gott
komme zu ihm herab und rede mit ihm, bleibe aber dem Volk unsichtbar, und
werde nur ganz allein von dem Priester gehört und verstanden. Dies ist
ein deutlicher Beweis von Pfaffenlist, deren großer Endzweck überall darauf
hinaus lief, die Religion in Geheimnisse zu hüllen. Daher liegt auch meines
Erachtens, der deutlichste Beweis von dem wahrhaft göttlichen Ursprunge der
christlichen Religion darinn, daß sie in diesem Punkt gerade das Widerspiel aller
übrigen Religionen ist, in so fern sie alle betrügerische Menschensatzungen ver-
wirft und dem Verstande freye Prüfung gestattet. Ihre ursprüngliche Reinigkeit
verträgt sich nicht mit absichtvollen Zierrathen, und sie ist nicht in Geheimnisse ge-
hüllt, die gemeiniglich nur zu Begünstigung gewisser Dunkelheiten dienen müssen,
sondern sie läßt vielmehr aus eigner innerer Kraft ein reines, beständiges Licht um
sich her leuchten. Die ächten, würdigen Diener derselben, haben uns auch
zu allen Zeiten versichert und bewiesen, daß ihnen keine besondre eigenthümliche
Wissenschaft mitgetheilt wäre, sondern daß allen denen, die vor dem Herrn
die Knie beugen, ohne Unterschied, ein gleiches Maaß von Erkenntniß
freystehe, weil alle ihn kennen sollen, vom Größten bis zum Geringsten.
Ebräer VIII. 11.


Die
Forſter’s Reiſe um die Welt

1774.
Junius.
Te-Uwa no te malama
Te-Uwa te hinàrro.

Das iſt:

Das Woͤlkchen in dem Monde
Das Woͤlkchen liebe ich!

Daß uͤbrigens die tahitiſche Goͤttin des Mondes nicht die keuſche Diana der
Alten, ſondern vielmehr die phoͤniciſche Aſtarte ſeyn muͤſſe, werden meine
Leſer wohl nicht in Abrede ſeyn. Die Sterne ſind durch eine Goͤttin hervorge-
bracht, welche Tetu-matarau genannt wird, und die Winde ſtehen unter der
Bothmaͤßigkeit des Gottes Orri-Orri.

Außer dieſen groͤßern Gottheiten haben ſie noch eine anſehnliche Menge von
geringerem Range. Einige derſelben ſollen Unheil ſtiften und Leute im Schlafe
toͤdten. Dieſe werden bey den vornehmſten Marais, oder ſteinernen Denkmaͤ-
lern, oͤffentlich durch den Tahowa-rahai, oder den Hohenprieſter der Inſel ver-
ehret. An die wohlthaͤtigen Goͤtter richtet man Gebethe, die aber nicht laut
ausgeſprochen, ſondern bloß durch die Bewegung der Lippen angedeutet werden.
Der Prieſter ſieht dabey gen Himmel, und man glaubt, der Eatua oder Gott
komme zu ihm herab und rede mit ihm, bleibe aber dem Volk unſichtbar, und
werde nur ganz allein von dem Prieſter gehoͤrt und verſtanden. Dies iſt
ein deutlicher Beweis von Pfaffenliſt, deren großer Endzweck uͤberall darauf
hinaus lief, die Religion in Geheimniſſe zu huͤllen. Daher liegt auch meines
Erachtens, der deutlichſte Beweis von dem wahrhaft goͤttlichen Urſprunge der
chriſtlichen Religion darinn, daß ſie in dieſem Punkt gerade das Widerſpiel aller
uͤbrigen Religionen iſt, in ſo fern ſie alle betruͤgeriſche Menſchenſatzungen ver-
wirft und dem Verſtande freye Pruͤfung geſtattet. Ihre urſpruͤngliche Reinigkeit
vertraͤgt ſich nicht mit abſichtvollen Zierrathen, und ſie iſt nicht in Geheimniſſe ge-
huͤllt, die gemeiniglich nur zu Beguͤnſtigung gewiſſer Dunkelheiten dienen muͤſſen,
ſondern ſie laͤßt vielmehr aus eigner innerer Kraft ein reines, beſtaͤndiges Licht um
ſich her leuchten. Die aͤchten, wuͤrdigen Diener derſelben, haben uns auch
zu allen Zeiten verſichert und bewieſen, daß ihnen keine beſondre eigenthuͤmliche
Wiſſenſchaft mitgetheilt waͤre, ſondern daß allen denen, die vor dem Herrn
die Knie beugen, ohne Unterſchied, ein gleiches Maaß von Erkenntniß
freyſtehe, weil alle ihn kennen ſollen, vom Groͤßten bis zum Geringſten.
Ebraͤer VIII. 11.


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0132" n="120"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi> </fw><lb/>
        <note place="left">1774.<lb/>
Junius.</note>
        <lg type="poem">
          <l>Te-Uwa no te malama</l><lb/>
          <l>Te-Uwa te hin<hi rendition="#aq">à</hi>rro.</l>
        </lg><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">Das i&#x017F;t:</hi> </p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Das Wo&#x0364;lkchen in dem Monde</l><lb/>
          <l>Das Wo&#x0364;lkchen liebe ich!</l>
        </lg><lb/>
        <p>Daß u&#x0364;brigens die <hi rendition="#fr">tahiti&#x017F;che</hi> Go&#x0364;ttin des Mondes nicht die keu&#x017F;che <hi rendition="#fr">Diana</hi> der<lb/>
Alten, &#x017F;ondern vielmehr die <hi rendition="#fr">pho&#x0364;nici&#x017F;che A&#x017F;tarte</hi> &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, werden meine<lb/>
Le&#x017F;er wohl nicht in Abrede &#x017F;eyn. Die Sterne &#x017F;ind durch eine Go&#x0364;ttin hervorge-<lb/>
bracht, welche <hi rendition="#fr">Tetu-matarau</hi> genannt wird, und die Winde &#x017F;tehen unter der<lb/>
Bothma&#x0364;ßigkeit des Gottes <hi rendition="#fr">Orri-Orri</hi>.</p><lb/>
        <p>Außer die&#x017F;en gro&#x0364;ßern Gottheiten haben &#x017F;ie noch eine an&#x017F;ehnliche Menge von<lb/>
geringerem Range. Einige der&#x017F;elben &#x017F;ollen Unheil &#x017F;tiften und Leute im Schlafe<lb/>
to&#x0364;dten. Die&#x017F;e werden bey den vornehm&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Marais</hi>, oder &#x017F;teinernen Denkma&#x0364;-<lb/>
lern, o&#x0364;ffentlich durch den <hi rendition="#fr">Tahowa-rahai</hi>, oder den Hohenprie&#x017F;ter der In&#x017F;el ver-<lb/>
ehret. An die wohltha&#x0364;tigen Go&#x0364;tter richtet man Gebethe, die aber nicht laut<lb/>
ausge&#x017F;prochen, &#x017F;ondern bloß durch die Bewegung der Lippen angedeutet werden.<lb/>
Der Prie&#x017F;ter &#x017F;ieht dabey gen Himmel, und man glaubt, der <hi rendition="#fr">Eatua</hi> oder Gott<lb/>
komme zu ihm herab und rede mit ihm, bleibe aber dem Volk un&#x017F;ichtbar, und<lb/>
werde nur ganz allein von dem Prie&#x017F;ter geho&#x0364;rt und ver&#x017F;tanden. Dies i&#x017F;t<lb/>
ein deutlicher Beweis von Pfaffenli&#x017F;t, deren großer Endzweck u&#x0364;berall darauf<lb/>
hinaus lief, die Religion in Geheimni&#x017F;&#x017F;e zu hu&#x0364;llen. Daher liegt auch meines<lb/>
Erachtens, der deutlich&#x017F;te Beweis von dem wahrhaft <hi rendition="#fr">go&#x0364;ttlichen</hi> Ur&#x017F;prunge der<lb/>
chri&#x017F;tlichen Religion darinn, daß &#x017F;ie in die&#x017F;em Punkt gerade das Wider&#x017F;piel aller<lb/>
u&#x0364;brigen Religionen i&#x017F;t, in &#x017F;o fern &#x017F;ie alle betru&#x0364;geri&#x017F;che Men&#x017F;chen&#x017F;atzungen ver-<lb/>
wirft und dem Ver&#x017F;tande freye Pru&#x0364;fung ge&#x017F;tattet. Ihre ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Reinigkeit<lb/>
vertra&#x0364;gt &#x017F;ich nicht mit ab&#x017F;ichtvollen Zierrathen, und &#x017F;ie i&#x017F;t nicht in Geheimni&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
hu&#x0364;llt, die gemeiniglich nur zu Begu&#x0364;n&#x017F;tigung gewi&#x017F;&#x017F;er Dunkelheiten dienen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ie la&#x0364;ßt vielmehr aus eigner innerer Kraft ein reines, be&#x017F;ta&#x0364;ndiges Licht um<lb/>
&#x017F;ich her leuchten. Die a&#x0364;chten, wu&#x0364;rdigen Diener der&#x017F;elben, haben uns auch<lb/>
zu allen Zeiten ver&#x017F;ichert und bewie&#x017F;en, daß ihnen keine be&#x017F;ondre eigenthu&#x0364;mliche<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft mitgetheilt wa&#x0364;re, &#x017F;ondern daß allen denen, die vor dem Herrn<lb/>
die Knie beugen, ohne Unter&#x017F;chied, ein gleiches Maaß von Erkenntniß<lb/>
frey&#x017F;tehe, weil alle ihn kennen &#x017F;ollen, vom Gro&#x0364;ßten bis zum Gering&#x017F;ten.<lb/><hi rendition="#fr">Ebra&#x0364;er</hi> <hi rendition="#aq">VIII.</hi> 11.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0132] Forſter’s Reiſe um die Welt Te-Uwa no te malama Te-Uwa te hinàrro. Das iſt: Das Woͤlkchen in dem Monde Das Woͤlkchen liebe ich! Daß uͤbrigens die tahitiſche Goͤttin des Mondes nicht die keuſche Diana der Alten, ſondern vielmehr die phoͤniciſche Aſtarte ſeyn muͤſſe, werden meine Leſer wohl nicht in Abrede ſeyn. Die Sterne ſind durch eine Goͤttin hervorge- bracht, welche Tetu-matarau genannt wird, und die Winde ſtehen unter der Bothmaͤßigkeit des Gottes Orri-Orri. Außer dieſen groͤßern Gottheiten haben ſie noch eine anſehnliche Menge von geringerem Range. Einige derſelben ſollen Unheil ſtiften und Leute im Schlafe toͤdten. Dieſe werden bey den vornehmſten Marais, oder ſteinernen Denkmaͤ- lern, oͤffentlich durch den Tahowa-rahai, oder den Hohenprieſter der Inſel ver- ehret. An die wohlthaͤtigen Goͤtter richtet man Gebethe, die aber nicht laut ausgeſprochen, ſondern bloß durch die Bewegung der Lippen angedeutet werden. Der Prieſter ſieht dabey gen Himmel, und man glaubt, der Eatua oder Gott komme zu ihm herab und rede mit ihm, bleibe aber dem Volk unſichtbar, und werde nur ganz allein von dem Prieſter gehoͤrt und verſtanden. Dies iſt ein deutlicher Beweis von Pfaffenliſt, deren großer Endzweck uͤberall darauf hinaus lief, die Religion in Geheimniſſe zu huͤllen. Daher liegt auch meines Erachtens, der deutlichſte Beweis von dem wahrhaft goͤttlichen Urſprunge der chriſtlichen Religion darinn, daß ſie in dieſem Punkt gerade das Widerſpiel aller uͤbrigen Religionen iſt, in ſo fern ſie alle betruͤgeriſche Menſchenſatzungen ver- wirft und dem Verſtande freye Pruͤfung geſtattet. Ihre urſpruͤngliche Reinigkeit vertraͤgt ſich nicht mit abſichtvollen Zierrathen, und ſie iſt nicht in Geheimniſſe ge- huͤllt, die gemeiniglich nur zu Beguͤnſtigung gewiſſer Dunkelheiten dienen muͤſſen, ſondern ſie laͤßt vielmehr aus eigner innerer Kraft ein reines, beſtaͤndiges Licht um ſich her leuchten. Die aͤchten, wuͤrdigen Diener derſelben, haben uns auch zu allen Zeiten verſichert und bewieſen, daß ihnen keine beſondre eigenthuͤmliche Wiſſenſchaft mitgetheilt waͤre, ſondern daß allen denen, die vor dem Herrn die Knie beugen, ohne Unterſchied, ein gleiches Maaß von Erkenntniß freyſtehe, weil alle ihn kennen ſollen, vom Groͤßten bis zum Geringſten. Ebraͤer VIII. 11. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/132
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/132>, abgerufen am 27.11.2024.