Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.Forster's Reise um die Welt 1774.Junius.jener Seite aber, welche die Indianer eingenommen hatten, ward das Fett und das Blut hingesetzt, welches beydes sie auch allein verzehrten und für ungemein schmackhaft ausgaben. Dagegen ließen wir uns das Fleisch nicht minder gut schme- cken, weil es in der That ganz vortreflich zubereitet war, auch die Leute, welche die Küche besorgten, in allen Stücken eine nachahmenswerthe Reinlichkeit beobachtet hatten. *) -- Kaum war das Schwein zerlegt, als die angesehensten Befehlshaber und Errioys gemeinschaftlich darüber herfielen und ganze Hände voll davon auf einmal verschlangen. Ueberhaupt aßen alle unsre Tischgenossen mit ungewöhnlicher Gierigkeit, indeß die armen Tautaus, die in großer Menge um uns her standen, sich an dem bloßen Zusehen genügen lassen mußten, denn für sie blieb auch nicht ein Bissen übrig. Unter allen Zuschauern waren Orea's Frau und Tochter die einzigen die etwas bekamen, und beyde wickelten ihre Por- tionen sorgfältig in Blätter, um sie an einem abgesonderten Platze zu verzehren. Hier schien es, daß die Frauensleute essen dürfen, was durch Männer zubereitet und ausgetheilt wird; bey andern Gelegenheiten aber war es uns vor- gekommen, als ob gewisse Leute nicht essen dürften, was von dieser oder jener Person in der Familie war berühret worden. **) Doch können wir nicht eigent- lich bestimmen, nach was für Regeln sie sich in diesem Stück richten mögen. Zwar sind die Tahitier nicht das einzige Volk, wo die Männer von den Wei- bern abgesondert speisen; vielmehr ist diese Gewohnheit auch bey einigen Na- tionen unter den Negern, imgleichen bey den Einwohnern auf Labrador einge- führt. Allein, so wohl jene Neger, als auch die Eskimaux, bezeigen überhaupt eine ganz ungewöhnliche Verachtung für das andre Geschlecht, und eben diese mag denn auch Schuld daran seyn, daß sie nicht gemeinschaftlich mit ihren Frauen essen wol- len. Bey den Tahitiern hingegen, wo den Weibern in allen übrigen Stücken so gut und artig begegnet wird, muß jene befremdliche Ungeselligkeit noch eine andre Ursach zum Grunde haben, die sich vielleicht künftig einmal, vermittelst genauer Beobachtungen wird entdecken lassen. Der Capitain hatte die Vorsorge gehabt, einige Flaschen Brandtewein *) So weit Capitain Cook. **) Siehe Hawkesworths Gesch. der engl. See-Reisen, in 4. II. Th. S. 151.
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Junius.jener Seite aber, welche die Indianer eingenommen hatten, ward das Fett und das Blut hingeſetzt, welches beydes ſie auch allein verzehrten und fuͤr ungemein ſchmackhaft ausgaben. Dagegen ließen wir uns das Fleiſch nicht minder gut ſchme- cken, weil es in der That ganz vortreflich zubereitet war, auch die Leute, welche die Kuͤche beſorgten, in allen Stuͤcken eine nachahmenswerthe Reinlichkeit beobachtet hatten. *) — Kaum war das Schwein zerlegt, als die angeſehenſten Befehlshaber und Errioys gemeinſchaftlich daruͤber herfielen und ganze Haͤnde voll davon auf einmal verſchlangen. Ueberhaupt aßen alle unſre Tiſchgenoſſen mit ungewoͤhnlicher Gierigkeit, indeß die armen Tautaus, die in großer Menge um uns her ſtanden, ſich an dem bloßen Zuſehen genuͤgen laſſen mußten, denn fuͤr ſie blieb auch nicht ein Biſſen uͤbrig. Unter allen Zuſchauern waren Orea’s Frau und Tochter die einzigen die etwas bekamen, und beyde wickelten ihre Por- tionen ſorgfaͤltig in Blaͤtter, um ſie an einem abgeſonderten Platze zu verzehren. Hier ſchien es, daß die Frauensleute eſſen duͤrfen, was durch Maͤnner zubereitet und ausgetheilt wird; bey andern Gelegenheiten aber war es uns vor- gekommen, als ob gewiſſe Leute nicht eſſen duͤrften, was von dieſer oder jener Perſon in der Familie war beruͤhret worden. **) Doch koͤnnen wir nicht eigent- lich beſtimmen, nach was fuͤr Regeln ſie ſich in dieſem Stuͤck richten moͤgen. Zwar ſind die Tahitier nicht das einzige Volk, wo die Maͤnner von den Wei- bern abgeſondert ſpeiſen; vielmehr iſt dieſe Gewohnheit auch bey einigen Na- tionen unter den Negern, imgleichen bey den Einwohnern auf Labrador einge- fuͤhrt. Allein, ſo wohl jene Neger, als auch die Eskimaux, bezeigen uͤberhaupt eine ganz ungewoͤhnliche Verachtung fuͤr das andre Geſchlecht, und eben dieſe mag denn auch Schuld daran ſeyn, daß ſie nicht gemeinſchaftlich mit ihren Frauen eſſen wol- len. Bey den Tahitiern hingegen, wo den Weibern in allen uͤbrigen Stuͤcken ſo gut und artig begegnet wird, muß jene befremdliche Ungeſelligkeit noch eine andre Urſach zum Grunde haben, die ſich vielleicht kuͤnftig einmal, vermittelſt genauer Beobachtungen wird entdecken laſſen. Der Capitain hatte die Vorſorge gehabt, einige Flaſchen Brandtewein *) So weit Capitain Cook. **) Siehe Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen, in 4. II. Th. S. 151.
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Forſter’s Reiſe um die Welt
jener Seite aber, welche die Indianer eingenommen hatten, ward das Fett und
das Blut hingeſetzt, welches beydes ſie auch allein verzehrten und fuͤr ungemein
ſchmackhaft ausgaben. Dagegen ließen wir uns das Fleiſch nicht minder gut ſchme-
cken, weil es in der That ganz vortreflich zubereitet war, auch die Leute, welche
die Kuͤche beſorgten, in allen Stuͤcken eine nachahmenswerthe Reinlichkeit
beobachtet hatten. *) — Kaum war das Schwein zerlegt, als die angeſehenſten
Befehlshaber und Errioys gemeinſchaftlich daruͤber herfielen und ganze Haͤnde
voll davon auf einmal verſchlangen. Ueberhaupt aßen alle unſre Tiſchgenoſſen
mit ungewoͤhnlicher Gierigkeit, indeß die armen Tautaus, die in großer Menge
um uns her ſtanden, ſich an dem bloßen Zuſehen genuͤgen laſſen mußten, denn
fuͤr ſie blieb auch nicht ein Biſſen uͤbrig. Unter allen Zuſchauern waren Orea’s
Frau und Tochter die einzigen die etwas bekamen, und beyde wickelten ihre Por-
tionen ſorgfaͤltig in Blaͤtter, um ſie an einem abgeſonderten Platze zu verzehren.
Hier ſchien es, daß die Frauensleute eſſen duͤrfen, was durch Maͤnner zubereitet
und ausgetheilt wird; bey andern Gelegenheiten aber war es uns vor-
gekommen, als ob gewiſſe Leute nicht eſſen duͤrften, was von dieſer oder jener
Perſon in der Familie war beruͤhret worden. **) Doch koͤnnen wir nicht eigent-
lich beſtimmen, nach was fuͤr Regeln ſie ſich in dieſem Stuͤck richten moͤgen.
Zwar ſind die Tahitier nicht das einzige Volk, wo die Maͤnner von den Wei-
bern abgeſondert ſpeiſen; vielmehr iſt dieſe Gewohnheit auch bey einigen Na-
tionen unter den Negern, imgleichen bey den Einwohnern auf Labrador einge-
fuͤhrt. Allein, ſo wohl jene Neger, als auch die Eskimaux, bezeigen uͤberhaupt eine
ganz ungewoͤhnliche Verachtung fuͤr das andre Geſchlecht, und eben dieſe mag denn
auch Schuld daran ſeyn, daß ſie nicht gemeinſchaftlich mit ihren Frauen eſſen wol-
len. Bey den Tahitiern hingegen, wo den Weibern in allen uͤbrigen Stuͤcken ſo
gut und artig begegnet wird, muß jene befremdliche Ungeſelligkeit noch eine andre
Urſach zum Grunde haben, die ſich vielleicht kuͤnftig einmal, vermittelſt genauer
Beobachtungen wird entdecken laſſen.
1774.
Junius.
Der Capitain hatte die Vorſorge gehabt, einige Flaſchen Brandtewein
mitzunehmen, der mit Waſſer verduͤnnt, das Lieblingsgetraͤnk der Seeleute, den
ſogenannten Grog, ausmacht. Die Errioys und einige andre vornehme India-
ner fanden dies Gemiſche ſtark und faſt eben ſo ſehr nach ihrem Geſchmack als
*) So weit Capitain Cook.
**) Siehe Hawkesworths Geſch. der engl. See-Reiſen, in 4. II. Th. S. 151.
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