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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
Vor allen Dingen aber, setzte er hinzu, würden dergleichen Mordthaten so1774.
May.

ganz insgeheim verübt, daß auch nicht einmal die Tautaus, oder Bedienten des
Hauses, etwas davon erführen; weil, wenn es ruchtbar würde; der Mörder
mit dem Leben dafür büßen müßte. Auf solche Art könnte denn freylich den Ta-
hitiern
und ihren Nachbaren, in diesem Punkte, nicht mehr zur Last gelegt
werden, als was sich leyder, von jedem anderen Volke sagen läßt, nemlich
daß es einzelne Bösewichter unter ihnen giebt, die barbarisch genug sind,
ihre eigne Kinder umzubringen. Und folglich dürfen auch diejenigen, die das
menschliche Herz bey allen Gelegenheiten zu verketzern suchen, nicht länger
frohlockend wähnen, als ob es eine ganze Nation gebe, die Mord und Todtschlag
begehen könne, ohne zu fühlen, daß sie daran Unrecht thue. *)

Bey aller ihrer Schwelgerey vergaßen die hier versammleten Errioys
doch der Gastfreyheit nicht; sondern ladeten uns fleißig ein, an ihrem Mahle Theil
zu nehmen; da wir selbst aber eben von Tisch aufgestanden waren, so giengen wir
statt dessen lieber spatzieren, und kehrten erst gegen Sonnen-Untergang wieder
nach dem Schiffe zurück, welches Maheine, das Mädchen, und die übrigen
indianischen Passagiers in der Zwischenzeit verlassen hatten.

Am folgenden Morgen besuchten uns viele von den Insulanern in ihren
Canots, und die Frauensleute kamen nicht nur in Menge an Bord, sondern lies-
sen sichs zum Theil auch die Nacht über bey unsern Matrosen gefallen. Zu Hua-
heine
waren dergleichen Besuche ungleich sparsamer gewesen; wenigstens hatten
sich dort mehrentheils nur solche Frauenspersonen dazu verstanden, die auf der In-
sel selbst fremd waren. Die Matrosen fiengen also, nach einer kleinen Pause, ihre
Tahitische Lebensart hier mit desto größerer Begierde wiederum an. Wir nahmen
heut einen Spatziergang nach dem Nord-Ende der Insel vor, schossen daselbst etli-
che wilde Endten, und wurden in verschiednen Gegenden sehr gastfrey aufgenommen.

Des nächsten Tages war das Wetter überaus angenehm, zumal da ein
starker Ost-Wind die gewöhnliche Hitze um vieles mäßigte. Wir hatten vor-

*) Wie groß die Verderbniß der Sitten in Europa sey, kann man unter andern daraus abneh-
men, daß es zu London Buben giebt, die sich ihrer Geschicklichkeit, in der Kunst Abortantia
zu präpariren, öffentlich rühmen, und in diesem Fach ihre Dienste anbieten. Avertissements
von solchem Innhalt werden auf den Straßen ohne Scheu ausgetheilt und finden sich auch
fast in allen Zeitungen.
Forsters Reise u. d. W. zweyter Th. O

in den Jahren 1772 bis 1775.
Vor allen Dingen aber, ſetzte er hinzu, wuͤrden dergleichen Mordthaten ſo1774.
May.

ganz insgeheim veruͤbt, daß auch nicht einmal die Tautaus, oder Bedienten des
Hauſes, etwas davon erfuͤhren; weil, wenn es ruchtbar wuͤrde; der Moͤrder
mit dem Leben dafuͤr buͤßen muͤßte. Auf ſolche Art koͤnnte denn freylich den Ta-
hitiern
und ihren Nachbaren, in dieſem Punkte, nicht mehr zur Laſt gelegt
werden, als was ſich leyder, von jedem anderen Volke ſagen laͤßt, nemlich
daß es einzelne Boͤſewichter unter ihnen giebt, die barbariſch genug ſind,
ihre eigne Kinder umzubringen. Und folglich duͤrfen auch diejenigen, die das
menſchliche Herz bey allen Gelegenheiten zu verketzern ſuchen, nicht laͤnger
frohlockend waͤhnen, als ob es eine ganze Nation gebe, die Mord und Todtſchlag
begehen koͤnne, ohne zu fuͤhlen, daß ſie daran Unrecht thue. *)

Bey aller ihrer Schwelgerey vergaßen die hier verſammleten Errioys
doch der Gaſtfreyheit nicht; ſondern ladeten uns fleißig ein, an ihrem Mahle Theil
zu nehmen; da wir ſelbſt aber eben von Tiſch aufgeſtanden waren, ſo giengen wir
ſtatt deſſen lieber ſpatzieren, und kehrten erſt gegen Sonnen-Untergang wieder
nach dem Schiffe zuruͤck, welches Maheine, das Maͤdchen, und die uͤbrigen
indianiſchen Paſſagiers in der Zwiſchenzeit verlaſſen hatten.

Am folgenden Morgen beſuchten uns viele von den Inſulanern in ihren
Canots, und die Frauensleute kamen nicht nur in Menge an Bord, ſondern lieſ-
ſen ſichs zum Theil auch die Nacht uͤber bey unſern Matroſen gefallen. Zu Hua-
heine
waren dergleichen Beſuche ungleich ſparſamer geweſen; wenigſtens hatten
ſich dort mehrentheils nur ſolche Frauensperſonen dazu verſtanden, die auf der In-
ſel ſelbſt fremd waren. Die Matroſen fiengen alſo, nach einer kleinen Pauſe, ihre
Tahitiſche Lebensart hier mit deſto groͤßerer Begierde wiederum an. Wir nahmen
heut einen Spatziergang nach dem Nord-Ende der Inſel vor, ſchoſſen daſelbſt etli-
che wilde Endten, und wurden in verſchiednen Gegenden ſehr gaſtfrey aufgenommen.

Des naͤchſten Tages war das Wetter uͤberaus angenehm, zumal da ein
ſtarker Oſt-Wind die gewoͤhnliche Hitze um vieles maͤßigte. Wir hatten vor-

*) Wie groß die Verderbniß der Sitten in Europa ſey, kann man unter andern daraus abneh-
men, daß es zu London Buben giebt, die ſich ihrer Geſchicklichkeit, in der Kunſt Abortantia
zu praͤpariren, oͤffentlich ruͤhmen, und in dieſem Fach ihre Dienſte anbieten. Avertiſſements
von ſolchem Innhalt werden auf den Straßen ohne Scheu ausgetheilt und finden ſich auch
faſt in allen Zeitungen.
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[105/0117] in den Jahren 1772 bis 1775. Vor allen Dingen aber, ſetzte er hinzu, wuͤrden dergleichen Mordthaten ſo ganz insgeheim veruͤbt, daß auch nicht einmal die Tautaus, oder Bedienten des Hauſes, etwas davon erfuͤhren; weil, wenn es ruchtbar wuͤrde; der Moͤrder mit dem Leben dafuͤr buͤßen muͤßte. Auf ſolche Art koͤnnte denn freylich den Ta- hitiern und ihren Nachbaren, in dieſem Punkte, nicht mehr zur Laſt gelegt werden, als was ſich leyder, von jedem anderen Volke ſagen laͤßt, nemlich daß es einzelne Boͤſewichter unter ihnen giebt, die barbariſch genug ſind, ihre eigne Kinder umzubringen. Und folglich duͤrfen auch diejenigen, die das menſchliche Herz bey allen Gelegenheiten zu verketzern ſuchen, nicht laͤnger frohlockend waͤhnen, als ob es eine ganze Nation gebe, die Mord und Todtſchlag begehen koͤnne, ohne zu fuͤhlen, daß ſie daran Unrecht thue. *) 1774. May. Bey aller ihrer Schwelgerey vergaßen die hier verſammleten Errioys doch der Gaſtfreyheit nicht; ſondern ladeten uns fleißig ein, an ihrem Mahle Theil zu nehmen; da wir ſelbſt aber eben von Tiſch aufgeſtanden waren, ſo giengen wir ſtatt deſſen lieber ſpatzieren, und kehrten erſt gegen Sonnen-Untergang wieder nach dem Schiffe zuruͤck, welches Maheine, das Maͤdchen, und die uͤbrigen indianiſchen Paſſagiers in der Zwiſchenzeit verlaſſen hatten. Am folgenden Morgen beſuchten uns viele von den Inſulanern in ihren Canots, und die Frauensleute kamen nicht nur in Menge an Bord, ſondern lieſ- ſen ſichs zum Theil auch die Nacht uͤber bey unſern Matroſen gefallen. Zu Hua- heine waren dergleichen Beſuche ungleich ſparſamer geweſen; wenigſtens hatten ſich dort mehrentheils nur ſolche Frauensperſonen dazu verſtanden, die auf der In- ſel ſelbſt fremd waren. Die Matroſen fiengen alſo, nach einer kleinen Pauſe, ihre Tahitiſche Lebensart hier mit deſto groͤßerer Begierde wiederum an. Wir nahmen heut einen Spatziergang nach dem Nord-Ende der Inſel vor, ſchoſſen daſelbſt etli- che wilde Endten, und wurden in verſchiednen Gegenden ſehr gaſtfrey aufgenommen. Des naͤchſten Tages war das Wetter uͤberaus angenehm, zumal da ein ſtarker Oſt-Wind die gewoͤhnliche Hitze um vieles maͤßigte. Wir hatten vor- *) Wie groß die Verderbniß der Sitten in Europa ſey, kann man unter andern daraus abneh- men, daß es zu London Buben giebt, die ſich ihrer Geſchicklichkeit, in der Kunſt Abortantia zu praͤpariren, oͤffentlich ruͤhmen, und in dieſem Fach ihre Dienſte anbieten. Avertiſſements von ſolchem Innhalt werden auf den Straßen ohne Scheu ausgetheilt und finden ſich auch faſt in allen Zeitungen. Forſters Reiſe u. d. W. zweyter Th. O

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/117>, abgerufen am 25.11.2024.