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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
gehends eine oder mehrere Personen in diese Gesellschaft treten, deren unabän-1774.
May.

derliches Grundgesetz ist, daß keines ihrer Mitglieder Kinder haben dürfe. So
viel wir aus den Berichten der verständigsten Indianer abnehmen konnten,
mußten die Errioys, der ersten Einrichtung nach, underheirathet bleiben; da
aber in diesem heißen Lande der Trieb zur Fortpflanzung sehr stark seyn muß,
so hat man sich nach und nach von jener Einrichtung entfernt, und die Heira-
then zugelassen. Um aber doch die Absicht des ledigen Standes beyzubehalten, so ist
man darauf verfallen, die unglücklichen Kinder gleich nach der Geburt umzubringen.

Die Errioys genießen mancherley Vorrechte, und werden in allen
Societäts-Inseln sehr hoch geachtet. Das sonderbarste ist, daß sie selbst ihre
größte Ehre darinn setzen, keine Kinder zu haben. Als Tupaya hörte, daß
der König von England eine zahlreiche Familie habe, dünkte er sich weit vor-
nehmer als der König zu seyn, blos weil auch er, als ein Errioy, keine Kinder
hatte. *) Fast in allen andern Ländern ists eine Ehre, Vater zu heißen; wenn
aber zu Tahiti ein Errioy jemanden den Vater-Namen beylegt, so hat er es
als einen verächtlichen Schimpf-Namen und Vorwurf anzusehen. Zu gewissen
Zeiten halten sie große Versammlungen und reisen von einer Insel zur andern.
Denn schmausen sie die besten Früchte und verzehren eine Menge von Schwei-
nen, Hunden, Fischen und Hühnern, welche die Tautaus, oder die geringste
Classe, zu Bewirthung dieser Schwelger herbeyschaffen muß. An einer guten
Portion des berauschenden Pfefferwurzel-Trankes, darf es bey solchen Gelegen-
heiten nicht fehlen, denn diese Herren zechen sämmtlich gern. Ueberhaupt hal-
ten sie es mit allen Arten von sinnlichen Freuden; und daher ist Musik und Tanz
allenthalben ihr Zeitvertreib. Diese Tänze sollen des Nachts ungebührlich
ausschweifend seyn, doch wird keinem, als blos den Mitgliedern der Gesell-
schaft
, der Zutritt verstattet.

In einem Lande, das so weit, als Tahiti, sich der Barbarey entrissen,
würde man eine Gesellschaft, welche dem ganzen Volke so nachtheilig zu seyn scheint,
gewiß nicht bis jetzt haben fortdauern lassen, wenn nicht die Nation, auf ei-
ner andern Seite, wichtige Vortheile davon hätte. Die vornehmste Ursach,

*) Capitain Cook hat uns diese Anecdote mehrmalen selbst erzählt.
N 3

in den Jahren 1772 bis 1775.
gehends eine oder mehrere Perſonen in dieſe Geſellſchaft treten, deren unabaͤn-1774.
May.

derliches Grundgeſetz iſt, daß keines ihrer Mitglieder Kinder haben duͤrfe. So
viel wir aus den Berichten der verſtaͤndigſten Indianer abnehmen konnten,
mußten die Errioys, der erſten Einrichtung nach, underheirathet bleiben; da
aber in dieſem heißen Lande der Trieb zur Fortpflanzung ſehr ſtark ſeyn muß,
ſo hat man ſich nach und nach von jener Einrichtung entfernt, und die Heira-
then zugelaſſen. Um aber doch die Abſicht des ledigen Standes beyzubehalten, ſo iſt
man darauf verfallen, die ungluͤcklichen Kinder gleich nach der Geburt umzubringen.

Die Errioys genießen mancherley Vorrechte, und werden in allen
Societaͤts-Inſeln ſehr hoch geachtet. Das ſonderbarſte iſt, daß ſie ſelbſt ihre
groͤßte Ehre darinn ſetzen, keine Kinder zu haben. Als Tupaya hoͤrte, daß
der Koͤnig von England eine zahlreiche Familie habe, duͤnkte er ſich weit vor-
nehmer als der Koͤnig zu ſeyn, blos weil auch er, als ein Errioy, keine Kinder
hatte. *) Faſt in allen andern Laͤndern iſts eine Ehre, Vater zu heißen; wenn
aber zu Tahiti ein Errioy jemanden den Vater-Namen beylegt, ſo hat er es
als einen veraͤchtlichen Schimpf-Namen und Vorwurf anzuſehen. Zu gewiſſen
Zeiten halten ſie große Verſammlungen und reiſen von einer Inſel zur andern.
Denn ſchmauſen ſie die beſten Fruͤchte und verzehren eine Menge von Schwei-
nen, Hunden, Fiſchen und Huͤhnern, welche die Tautaus, oder die geringſte
Claſſe, zu Bewirthung dieſer Schwelger herbeyſchaffen muß. An einer guten
Portion des berauſchenden Pfefferwurzel-Trankes, darf es bey ſolchen Gelegen-
heiten nicht fehlen, denn dieſe Herren zechen ſaͤmmtlich gern. Ueberhaupt hal-
ten ſie es mit allen Arten von ſinnlichen Freuden; und daher iſt Muſik und Tanz
allenthalben ihr Zeitvertreib. Dieſe Taͤnze ſollen des Nachts ungebuͤhrlich
ausſchweifend ſeyn, doch wird keinem, als blos den Mitgliedern der Geſell-
ſchaft
, der Zutritt verſtattet.

In einem Lande, das ſo weit, als Tahiti, ſich der Barbarey entriſſen,
wuͤrde man eine Geſellſchaft, welche dem ganzen Volke ſo nachtheilig zu ſeyn ſcheint,
gewiß nicht bis jetzt haben fortdauern laſſen, wenn nicht die Nation, auf ei-
ner andern Seite, wichtige Vortheile davon haͤtte. Die vornehmſte Urſach,

*) Capitain Cook hat uns dieſe Anecdote mehrmalen ſelbſt erzaͤhlt.
N 3
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[101/0113] in den Jahren 1772 bis 1775. gehends eine oder mehrere Perſonen in dieſe Geſellſchaft treten, deren unabaͤn- derliches Grundgeſetz iſt, daß keines ihrer Mitglieder Kinder haben duͤrfe. So viel wir aus den Berichten der verſtaͤndigſten Indianer abnehmen konnten, mußten die Errioys, der erſten Einrichtung nach, underheirathet bleiben; da aber in dieſem heißen Lande der Trieb zur Fortpflanzung ſehr ſtark ſeyn muß, ſo hat man ſich nach und nach von jener Einrichtung entfernt, und die Heira- then zugelaſſen. Um aber doch die Abſicht des ledigen Standes beyzubehalten, ſo iſt man darauf verfallen, die ungluͤcklichen Kinder gleich nach der Geburt umzubringen. 1774. May. Die Errioys genießen mancherley Vorrechte, und werden in allen Societaͤts-Inſeln ſehr hoch geachtet. Das ſonderbarſte iſt, daß ſie ſelbſt ihre groͤßte Ehre darinn ſetzen, keine Kinder zu haben. Als Tupaya hoͤrte, daß der Koͤnig von England eine zahlreiche Familie habe, duͤnkte er ſich weit vor- nehmer als der Koͤnig zu ſeyn, blos weil auch er, als ein Errioy, keine Kinder hatte. *) Faſt in allen andern Laͤndern iſts eine Ehre, Vater zu heißen; wenn aber zu Tahiti ein Errioy jemanden den Vater-Namen beylegt, ſo hat er es als einen veraͤchtlichen Schimpf-Namen und Vorwurf anzuſehen. Zu gewiſſen Zeiten halten ſie große Verſammlungen und reiſen von einer Inſel zur andern. Denn ſchmauſen ſie die beſten Fruͤchte und verzehren eine Menge von Schwei- nen, Hunden, Fiſchen und Huͤhnern, welche die Tautaus, oder die geringſte Claſſe, zu Bewirthung dieſer Schwelger herbeyſchaffen muß. An einer guten Portion des berauſchenden Pfefferwurzel-Trankes, darf es bey ſolchen Gelegen- heiten nicht fehlen, denn dieſe Herren zechen ſaͤmmtlich gern. Ueberhaupt hal- ten ſie es mit allen Arten von ſinnlichen Freuden; und daher iſt Muſik und Tanz allenthalben ihr Zeitvertreib. Dieſe Taͤnze ſollen des Nachts ungebuͤhrlich ausſchweifend ſeyn, doch wird keinem, als blos den Mitgliedern der Geſell- ſchaft, der Zutritt verſtattet. In einem Lande, das ſo weit, als Tahiti, ſich der Barbarey entriſſen, wuͤrde man eine Geſellſchaft, welche dem ganzen Volke ſo nachtheilig zu ſeyn ſcheint, gewiß nicht bis jetzt haben fortdauern laſſen, wenn nicht die Nation, auf ei- ner andern Seite, wichtige Vortheile davon haͤtte. Die vornehmſte Urſach, *) Capitain Cook hat uns dieſe Anecdote mehrmalen ſelbſt erzaͤhlt. N 3

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/113>, abgerufen am 25.11.2024.