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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
May.
uns die gute Frau nicht nur das Schwein zum Geschenk an, sondern bat zugleich,
daß wir mit nach ihrer Wohnung kommen mögten, die ziemlich weit von hier
liegen sollte. Da wir uns bey diesem Spatziergange eben keinen bestimmten
Plan gemacht hatten, so war es uns ziemlich gleichgültig, hie oder da hinzuge-
rathen, und also folgten wir ihr. Der Regen hatte den Weg so schlüpfrig ge-
macht, daß man sehr behutsam gehen mußte: doch wurden wir, für diese Unan-
nehmlichkeit, durch die Menge neuer Pflanzen, welche hier anzutreffen wa-
ren, vollkommen schadlos gehalten. Unsere Führerin brachte uns, von dem
Berge, nach der andern Seite der Insel, gegen das Meer zu, herab, und ehe
wir noch die Ebene erreichten, hatte sich das Wetter schon völlig wieder auf-
geklärt. Das Gestade machte in dieser Gegend eine angenehme Bay aus,
die durch einen weit ins Meer laufenden Corallen-Rief gedeckt war, und inner-
halb desselben lag eine kleine Insel, auf welcher sich ganze Heerden von wilden
Enten, Brachhühnern und Schnepfen aufhielten. Indeß wir hier eine Weile
auf der Jagd zubrachten, sorgte unsre gutherzige Freundin dafür, daß die an-
wesenden Indianer allerhand Erfrischungen herbeyschaffen mußten, und nachdem
wir Wildpret genug geschossen, so folgten wir ihr von neuem über einen seitwärts
gelegnen Berg, und kamen endlich, durch ein schönes, angebautes Thal, zu
ihrer Wohnung, die am Ufer des Meetes lag. Hier trafen wir einen Alten,
der ihr Ehemann war, und eine zahlreiche, zum Theil schon erwachsene Familie
an; Sie bewirtheten uns recht herrlich mit gestobten Hühnern, Brodfrucht und
Cocos-Nüssen, und ließen uns nach der Mahlzeit in ihrem Canot wieder aus Schiff
bringen, welches zur See 5 Meilen, aber dem Landwege nach, wohl noch einmal so
weit von hier entfernet lag. In dem Betragen dieser guten alten Frau, war
etwas so sorgsames, als ich, selbst an den gastfreyesten Personen, deren mir
in diesen Inseln doch so viele vorgekommen waren, nicht leicht bemerkt hatte.
Und wie herzlich freute es mich, hier einen abermaligen Beweis von der ur-
sprünglichen Güte des menschlichen Herzens vor mir zu sehen, das in dem sich
selbst überlaßnen Stande der Einfalt, von Ehrgeiz, Wollust und andern Leiden-
schaften noch unverdorben, gewiß nicht böse ist.

Am folgenden Tage (den 20sten) blieben wir den ganzen Vormittag über
am Bord; nach Tische aber giengen wir mit Capitain Cook aus Land, und nach

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
May.
uns die gute Frau nicht nur das Schwein zum Geſchenk an, ſondern bat zugleich,
daß wir mit nach ihrer Wohnung kommen moͤgten, die ziemlich weit von hier
liegen ſollte. Da wir uns bey dieſem Spatziergange eben keinen beſtimmten
Plan gemacht hatten, ſo war es uns ziemlich gleichguͤltig, hie oder da hinzuge-
rathen, und alſo folgten wir ihr. Der Regen hatte den Weg ſo ſchluͤpfrig ge-
macht, daß man ſehr behutſam gehen mußte: doch wurden wir, fuͤr dieſe Unan-
nehmlichkeit, durch die Menge neuer Pflanzen, welche hier anzutreffen wa-
ren, vollkommen ſchadlos gehalten. Unſere Fuͤhrerin brachte uns, von dem
Berge, nach der andern Seite der Inſel, gegen das Meer zu, herab, und ehe
wir noch die Ebene erreichten, hatte ſich das Wetter ſchon voͤllig wieder auf-
geklaͤrt. Das Geſtade machte in dieſer Gegend eine angenehme Bay aus,
die durch einen weit ins Meer laufenden Corallen-Rief gedeckt war, und inner-
halb deſſelben lag eine kleine Inſel, auf welcher ſich ganze Heerden von wilden
Enten, Brachhuͤhnern und Schnepfen aufhielten. Indeß wir hier eine Weile
auf der Jagd zubrachten, ſorgte unſre gutherzige Freundin dafuͤr, daß die an-
weſenden Indianer allerhand Erfriſchungen herbeyſchaffen mußten, und nachdem
wir Wildpret genug geſchoſſen, ſo folgten wir ihr von neuem uͤber einen ſeitwaͤrts
gelegnen Berg, und kamen endlich, durch ein ſchoͤnes, angebautes Thal, zu
ihrer Wohnung, die am Ufer des Meetes lag. Hier trafen wir einen Alten,
der ihr Ehemann war, und eine zahlreiche, zum Theil ſchon erwachſene Familie
an; Sie bewirtheten uns recht herrlich mit geſtobten Huͤhnern, Brodfrucht und
Cocos-Nuͤſſen, und ließen uns nach der Mahlzeit in ihrem Canot wieder aus Schiff
bringen, welches zur See 5 Meilen, aber dem Landwege nach, wohl noch einmal ſo
weit von hier entfernet lag. In dem Betragen dieſer guten alten Frau, war
etwas ſo ſorgſames, als ich, ſelbſt an den gaſtfreyeſten Perſonen, deren mir
in dieſen Inſeln doch ſo viele vorgekommen waren, nicht leicht bemerkt hatte.
Und wie herzlich freute es mich, hier einen abermaligen Beweis von der ur-
ſpruͤnglichen Guͤte des menſchlichen Herzens vor mir zu ſehen, das in dem ſich
ſelbſt uͤberlaßnen Stande der Einfalt, von Ehrgeiz, Wolluſt und andern Leiden-
ſchaften noch unverdorben, gewiß nicht boͤſe iſt.

Am folgenden Tage (den 20ſten) blieben wir den ganzen Vormittag uͤber
am Bord; nach Tiſche aber giengen wir mit Capitain Cook aus Land, und nach

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[94/0106] Forſter’s Reiſe um die Welt uns die gute Frau nicht nur das Schwein zum Geſchenk an, ſondern bat zugleich, daß wir mit nach ihrer Wohnung kommen moͤgten, die ziemlich weit von hier liegen ſollte. Da wir uns bey dieſem Spatziergange eben keinen beſtimmten Plan gemacht hatten, ſo war es uns ziemlich gleichguͤltig, hie oder da hinzuge- rathen, und alſo folgten wir ihr. Der Regen hatte den Weg ſo ſchluͤpfrig ge- macht, daß man ſehr behutſam gehen mußte: doch wurden wir, fuͤr dieſe Unan- nehmlichkeit, durch die Menge neuer Pflanzen, welche hier anzutreffen wa- ren, vollkommen ſchadlos gehalten. Unſere Fuͤhrerin brachte uns, von dem Berge, nach der andern Seite der Inſel, gegen das Meer zu, herab, und ehe wir noch die Ebene erreichten, hatte ſich das Wetter ſchon voͤllig wieder auf- geklaͤrt. Das Geſtade machte in dieſer Gegend eine angenehme Bay aus, die durch einen weit ins Meer laufenden Corallen-Rief gedeckt war, und inner- halb deſſelben lag eine kleine Inſel, auf welcher ſich ganze Heerden von wilden Enten, Brachhuͤhnern und Schnepfen aufhielten. Indeß wir hier eine Weile auf der Jagd zubrachten, ſorgte unſre gutherzige Freundin dafuͤr, daß die an- weſenden Indianer allerhand Erfriſchungen herbeyſchaffen mußten, und nachdem wir Wildpret genug geſchoſſen, ſo folgten wir ihr von neuem uͤber einen ſeitwaͤrts gelegnen Berg, und kamen endlich, durch ein ſchoͤnes, angebautes Thal, zu ihrer Wohnung, die am Ufer des Meetes lag. Hier trafen wir einen Alten, der ihr Ehemann war, und eine zahlreiche, zum Theil ſchon erwachſene Familie an; Sie bewirtheten uns recht herrlich mit geſtobten Huͤhnern, Brodfrucht und Cocos-Nuͤſſen, und ließen uns nach der Mahlzeit in ihrem Canot wieder aus Schiff bringen, welches zur See 5 Meilen, aber dem Landwege nach, wohl noch einmal ſo weit von hier entfernet lag. In dem Betragen dieſer guten alten Frau, war etwas ſo ſorgſames, als ich, ſelbſt an den gaſtfreyeſten Perſonen, deren mir in dieſen Inſeln doch ſo viele vorgekommen waren, nicht leicht bemerkt hatte. Und wie herzlich freute es mich, hier einen abermaligen Beweis von der ur- ſpruͤnglichen Guͤte des menſchlichen Herzens vor mir zu ſehen, das in dem ſich ſelbſt uͤberlaßnen Stande der Einfalt, von Ehrgeiz, Wolluſt und andern Leiden- ſchaften noch unverdorben, gewiß nicht boͤſe iſt. 1774. May. Am folgenden Tage (den 20ſten) blieben wir den ganzen Vormittag uͤber am Bord; nach Tiſche aber giengen wir mit Capitain Cook aus Land, und nach

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/106>, abgerufen am 24.11.2024.