1774. May.Daß die Bewohner von Huaheine und von Tahiti, über den Werth der rothen Federn, so verschiedener Meynung waren, rührt angenscheinlich von der natür- lichen Verschiedenheit dieser beyden Inseln her, und beweiset, daß das Volk dort wohlhabender seyn müsse als hier. Die Ursach davon war auch leicht ausfin- dig zu machen, denn es giebt hier in Huaheine nur wenig ebenes Land, und folglich müssen die Einwohner bey der Bestellung des Feldes die Berge mit zu Hülfe nehmen, um den nöthigen Unterhalt zu gewinnen. Da es ihnen auf solche Art um ein gutes saurer wird, als den Tahitiern, sich Lebensmittel zu verschaffen; so setzen sie auch einen höheren Werth auf dieselben und können dem Luxus nicht so nachhängen, als jene.
In den folgenden Tagen wurden wir verschiedentlich, und zum Theil auf eine sehr verwegne Art bestohlen, ohne daß wir im Stande waren, uns dafür Ersatz zu verschaffen. Wen man indessen auf der That ertappte, der ward exem- plarisch bestraft. Eine Gesellschaft von Subaltern-Officiers war nach einem Berge hin aufs Vogelschießen ausgegangen und hatte einen Seesoldaten mitge- nommen, um sich ein Paar Beile und andere kleine Eisengeräthschaften nach- tragen zu lassen. Unterwegens versagten ihnen die Flinten einigemale: Dies mogte einem Indianer, der ihnen nachschlich, Muth machen, eins zu wagen. Als daher der Soldat den Beutel einmal niederlegte, hatte ihn der Insulaner angenblicklich erhascht und rannte mit selbigem davon. Am folgenden Tage wohnten eben diese Herren einem Hiwa oder öffentlichen Tanze bey. Glücklicherweise trafen sie den Dieb unter den Zuschauern an. Er ge- stand sein Vergehen, und versprach, wenn sie ihm verzeihen wollten, zur Ver- gütung des Entwendeten etliche Brustschilder zu bringen, die mit den Beilen fast immer in gleichem Werth standen. Dieses Anerbieten ließen sie sich gefallen, und am folgenden Tage stellte sich der Mann, seiner Zusage nach, richtig ein; er gehörte folglich noch nicht zu unsern verhärteten Bösewichtern, bey denen al- les Gefühl erstorben ist, sondern wußte die Großmuth, welche man ihm er- wiesen hatte, dankbar zu schätzen. Ein andrer, der ein Pulverhorn zu stehlen suchte, ward ertappt und bekam eine volle Ladung Schläge. Die Insulaner ließen sogar ihre eigne Landsmännin, die von Tahiti aus mit uns hieher ge- kommen war, nicht unangetastet. Als sie sichs einst am wenigsten versahe, ward sie in einem Hause überfallen, und sollte die europäische Kleidung, die sie seit
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. May.Daß die Bewohner von Huaheine und von Tahiti, uͤber den Werth der rothen Federn, ſo verſchiedener Meynung waren, ruͤhrt angenſcheinlich von der natuͤr- lichen Verſchiedenheit dieſer beyden Inſeln her, und beweiſet, daß das Volk dort wohlhabender ſeyn muͤſſe als hier. Die Urſach davon war auch leicht ausfin- dig zu machen, denn es giebt hier in Huaheine nur wenig ebenes Land, und folglich muͤſſen die Einwohner bey der Beſtellung des Feldes die Berge mit zu Huͤlfe nehmen, um den noͤthigen Unterhalt zu gewinnen. Da es ihnen auf ſolche Art um ein gutes ſaurer wird, als den Tahitiern, ſich Lebensmittel zu verſchaffen; ſo ſetzen ſie auch einen hoͤheren Werth auf dieſelben und koͤnnen dem Luxus nicht ſo nachhaͤngen, als jene.
In den folgenden Tagen wurden wir verſchiedentlich, und zum Theil auf eine ſehr verwegne Art beſtohlen, ohne daß wir im Stande waren, uns dafuͤr Erſatz zu verſchaffen. Wen man indeſſen auf der That ertappte, der ward exem- plariſch beſtraft. Eine Geſellſchaft von Subaltern-Officiers war nach einem Berge hin aufs Vogelſchießen ausgegangen und hatte einen Seeſoldaten mitge- nommen, um ſich ein Paar Beile und andere kleine Eiſengeraͤthſchaften nach- tragen zu laſſen. Unterwegens verſagten ihnen die Flinten einigemale: Dies mogte einem Indianer, der ihnen nachſchlich, Muth machen, eins zu wagen. Als daher der Soldat den Beutel einmal niederlegte, hatte ihn der Inſulaner angenblicklich erhaſcht und rannte mit ſelbigem davon. Am folgenden Tage wohnten eben dieſe Herren einem Hiwa oder oͤffentlichen Tanze bey. Gluͤcklicherweiſe trafen ſie den Dieb unter den Zuſchauern an. Er ge- ſtand ſein Vergehen, und verſprach, wenn ſie ihm verzeihen wollten, zur Ver- guͤtung des Entwendeten etliche Bruſtſchilder zu bringen, die mit den Beilen faſt immer in gleichem Werth ſtanden. Dieſes Anerbieten ließen ſie ſich gefallen, und am folgenden Tage ſtellte ſich der Mann, ſeiner Zuſage nach, richtig ein; er gehoͤrte folglich noch nicht zu unſern verhaͤrteten Boͤſewichtern, bey denen al- les Gefuͤhl erſtorben iſt, ſondern wußte die Großmuth, welche man ihm er- wieſen hatte, dankbar zu ſchaͤtzen. Ein andrer, der ein Pulverhorn zu ſtehlen ſuchte, ward ertappt und bekam eine volle Ladung Schlaͤge. Die Inſulaner ließen ſogar ihre eigne Landsmaͤnnin, die von Tahiti aus mit uns hieher ge- kommen war, nicht unangetaſtet. Als ſie ſichs einſt am wenigſten verſahe, ward ſie in einem Hauſe uͤberfallen, und ſollte die europaͤiſche Kleidung, die ſie ſeit
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Daß die Bewohner von Huaheine und von Tahiti, uͤber den Werth der rothen
Federn, ſo verſchiedener Meynung waren, ruͤhrt angenſcheinlich von der natuͤr-
lichen Verſchiedenheit dieſer beyden Inſeln her, und beweiſet, daß das Volk
dort wohlhabender ſeyn muͤſſe als hier. Die Urſach davon war auch leicht ausfin-
dig zu machen, denn es giebt hier in Huaheine nur wenig ebenes Land, und
folglich muͤſſen die Einwohner bey der Beſtellung des Feldes die Berge mit zu
Huͤlfe nehmen, um den noͤthigen Unterhalt zu gewinnen. Da es ihnen auf ſolche Art
um ein gutes ſaurer wird, als den Tahitiern, ſich Lebensmittel zu verſchaffen; ſo
ſetzen ſie auch einen hoͤheren Werth auf dieſelben und koͤnnen dem Luxus nicht ſo
nachhaͤngen, als jene.
1774.
May.
In den folgenden Tagen wurden wir verſchiedentlich, und zum Theil auf
eine ſehr verwegne Art beſtohlen, ohne daß wir im Stande waren, uns dafuͤr
Erſatz zu verſchaffen. Wen man indeſſen auf der That ertappte, der ward exem-
plariſch beſtraft. Eine Geſellſchaft von Subaltern-Officiers war nach einem
Berge hin aufs Vogelſchießen ausgegangen und hatte einen Seeſoldaten mitge-
nommen, um ſich ein Paar Beile und andere kleine Eiſengeraͤthſchaften nach-
tragen zu laſſen. Unterwegens verſagten ihnen die Flinten einigemale:
Dies mogte einem Indianer, der ihnen nachſchlich, Muth machen, eins
zu wagen. Als daher der Soldat den Beutel einmal niederlegte, hatte
ihn der Inſulaner angenblicklich erhaſcht und rannte mit ſelbigem davon. Am
folgenden Tage wohnten eben dieſe Herren einem Hiwa oder oͤffentlichen Tanze
bey. Gluͤcklicherweiſe trafen ſie den Dieb unter den Zuſchauern an. Er ge-
ſtand ſein Vergehen, und verſprach, wenn ſie ihm verzeihen wollten, zur Ver-
guͤtung des Entwendeten etliche Bruſtſchilder zu bringen, die mit den Beilen faſt
immer in gleichem Werth ſtanden. Dieſes Anerbieten ließen ſie ſich gefallen,
und am folgenden Tage ſtellte ſich der Mann, ſeiner Zuſage nach, richtig ein; er
gehoͤrte folglich noch nicht zu unſern verhaͤrteten Boͤſewichtern, bey denen al-
les Gefuͤhl erſtorben iſt, ſondern wußte die Großmuth, welche man ihm er-
wieſen hatte, dankbar zu ſchaͤtzen. Ein andrer, der ein Pulverhorn zu ſtehlen
ſuchte, ward ertappt und bekam eine volle Ladung Schlaͤge. Die Inſulaner
ließen ſogar ihre eigne Landsmaͤnnin, die von Tahiti aus mit uns hieher ge-
kommen war, nicht unangetaſtet. Als ſie ſichs einſt am wenigſten verſahe, ward
ſie in einem Hauſe uͤberfallen, und ſollte die europaͤiſche Kleidung, die ſie ſeit
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 2. Berlin, 1780, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise02_1780/104>, abgerufen am 25.07.2024.
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