Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Forster's Reise um die Welt

1772.
October.

Es war in diesem Phänomen so etwas Sonderbares und Großes, daß
man sich nicht enthalten konnte, mit ehrfurchtsvoller Verwunderung an den
Schöpfer zu denken, dessen Allmacht dieses Schauspiel bereitet hatte. Der
Ocean weit und breit mit Tausend Millionen dieser kleinen Thierchen bedeckt!
Alle organisirt zum Leben; Alle mit einem Vermögen begabt sich zu bewegen, nach
Willkühr zu glänzen, andre Cörper durch bloße Berührung zu erleuchten, und
ihre eigne leuchtende Eigenschaft abzulegen so bald sie wollen! -- Diese Betrach-
tungen drängten sich aus dem innersten unsers Herzens empor und gebothen uns
den Schöpfer in seinen kleinsten Werken zu ehren; eine Empfindung, die ich
bey dieser Gelegenheit auch allen meinen Lesern zutraue. Zwar soll man sich,
in meinem Alter, gemeiniglich noch einen allzugünstigen Begriff von seinem Ne-
benmenschen machen, allein, so verderbt und unwissend kann ich mir doch nicht
leicht jemand vorstellen, daß ihm bey dieser Veranlassung, ein religiöser Ge-
danke am unrechten Ort oder geringschätzig vorkommen sollte.


Turrigeros elephantorum miramus humeros, taurorumque
colla & truces in sublime jactus, tigrium rapinas, leonum jubas; Quum
rerum natura nusquam magis quam in minimis tota sit. Quapra-
pter quaeso, ne nostra legentes, quoniam ex his spernent multa, etiam
relata fastidio damnent, quum in contemplatione naturae nihil possit
videri supervacaneum.
Plin. Hist. Nat. XI. c. 2.

Nach einer sehr regnigten Nacht liefen wir endlich mit Tages Anbruch
in die Tafel-Bay ein. Die im Hinter-Grunde derselben liegenden Berge
waren nun ohne Wolken und setzten uns durch ihren steilen, felsigten und dürren
Anblick in Erstaunen. Als wir tiefer in die Bay kamen, entdeckten wir die
Stadt, am Fuß des schwarzen Tafelberges, und gelangten bald darauf vor An-
ker. Nachdem wir das Fort begrüßt und von verschiednen hiesigen Bedienten der
Holländisch-Ostindischen Companie, an Bord unsers Schiffes Zuspruch be-
kommen hatten, giengen wir in Begleitung unsrer beyden Capitains, Cook
und Furneaux, mit der frohen Erwartung ans Land, daß wir in einem von
dem unsrigen so weit entfernten und auf der andern Hälfte der Erdkugel gelegenen
Welttheile, viel Neues für die Wissenschaften finden würden.


Drit-
Forſter’s Reiſe um die Welt

1772.
October.

Es war in dieſem Phaͤnomen ſo etwas Sonderbares und Großes, daß
man ſich nicht enthalten konnte, mit ehrfurchtsvoller Verwunderung an den
Schoͤpfer zu denken, deſſen Allmacht dieſes Schauſpiel bereitet hatte. Der
Ocean weit und breit mit Tauſend Millionen dieſer kleinen Thierchen bedeckt!
Alle organiſirt zum Leben; Alle mit einem Vermoͤgen begabt ſich zu bewegen, nach
Willkuͤhr zu glaͤnzen, andre Coͤrper durch bloße Beruͤhrung zu erleuchten, und
ihre eigne leuchtende Eigenſchaft abzulegen ſo bald ſie wollen! — Dieſe Betrach-
tungen draͤngten ſich aus dem innerſten unſers Herzens empor und gebothen uns
den Schoͤpfer in ſeinen kleinſten Werken zu ehren; eine Empfindung, die ich
bey dieſer Gelegenheit auch allen meinen Leſern zutraue. Zwar ſoll man ſich,
in meinem Alter, gemeiniglich noch einen allzuguͤnſtigen Begriff von ſeinem Ne-
benmenſchen machen, allein, ſo verderbt und unwiſſend kann ich mir doch nicht
leicht jemand vorſtellen, daß ihm bey dieſer Veranlaſſung, ein religioͤſer Ge-
danke am unrechten Ort oder geringſchaͤtzig vorkommen ſollte.


Turrigeros elephantorum miramus humeros, taurorumque
colla & truces in ſublime jactus, tigrium rapinas, leonum jubas; Quum
rerum natura nusquam magis quam in minimis tota ſit. Quapra-
pter quæſo, ne noſtra legentes, quoniam ex his ſpernent multa, etiam
relata faſtidio damnent, quum in contemplatione naturæ nihil poſſit
videri ſupervacaneum.
Plin. Hist. Nat. XI. c. 2.

Nach einer ſehr regnigten Nacht liefen wir endlich mit Tages Anbruch
in die Tafel-Bay ein. Die im Hinter-Grunde derſelben liegenden Berge
waren nun ohne Wolken und ſetzten uns durch ihren ſteilen, felſigten und duͤrren
Anblick in Erſtaunen. Als wir tiefer in die Bay kamen, entdeckten wir die
Stadt, am Fuß des ſchwarzen Tafelberges, und gelangten bald darauf vor An-
ker. Nachdem wir das Fort begruͤßt und von verſchiednen hieſigen Bedienten der
Hollaͤndiſch-Oſtindiſchen Companie, an Bord unſers Schiffes Zuſpruch be-
kommen hatten, giengen wir in Begleitung unſrer beyden Capitains, Cook
und Furneaux, mit der frohen Erwartung ans Land, daß wir in einem von
dem unſrigen ſo weit entfernten und auf der andern Haͤlfte der Erdkugel gelegenen
Welttheile, viel Neues fuͤr die Wiſſenſchaften finden wuͤrden.


Drit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0089" n="44"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi> </fw><lb/>
        <note place="left">1772.<lb/>
October.</note>
        <p>Es war in die&#x017F;em Pha&#x0364;nomen &#x017F;o etwas Sonderbares und Großes, daß<lb/>
man &#x017F;ich nicht enthalten konnte, mit ehrfurchtsvoller Verwunderung an den<lb/>
Scho&#x0364;pfer zu denken, de&#x017F;&#x017F;en Allmacht die&#x017F;es Schau&#x017F;piel bereitet hatte. Der<lb/>
Ocean weit und breit mit Tau&#x017F;end Millionen die&#x017F;er kleinen Thierchen bedeckt!<lb/>
Alle organi&#x017F;irt zum Leben; Alle mit einem Vermo&#x0364;gen begabt &#x017F;ich zu bewegen, nach<lb/>
Willku&#x0364;hr zu gla&#x0364;nzen, andre Co&#x0364;rper durch bloße Beru&#x0364;hrung zu erleuchten, und<lb/>
ihre eigne leuchtende Eigen&#x017F;chaft abzulegen &#x017F;o bald &#x017F;ie wollen! &#x2014; Die&#x017F;e Betrach-<lb/>
tungen dra&#x0364;ngten &#x017F;ich aus dem inner&#x017F;ten un&#x017F;ers Herzens empor und gebothen uns<lb/>
den Scho&#x0364;pfer in &#x017F;einen klein&#x017F;ten Werken zu ehren; eine Empfindung, die ich<lb/>
bey die&#x017F;er Gelegenheit auch allen meinen Le&#x017F;ern zutraue. Zwar &#x017F;oll man &#x017F;ich,<lb/>
in meinem Alter, gemeiniglich noch einen allzugu&#x0364;n&#x017F;tigen Begriff von &#x017F;einem Ne-<lb/>
benmen&#x017F;chen machen, allein, <hi rendition="#fr">&#x017F;o</hi> verderbt und unwi&#x017F;&#x017F;end kann ich mir doch nicht<lb/>
leicht jemand vor&#x017F;tellen, daß ihm bey die&#x017F;er Veranla&#x017F;&#x017F;ung, ein religio&#x0364;&#x017F;er Ge-<lb/>
danke am unrechten Ort oder gering&#x017F;cha&#x0364;tzig vorkommen &#x017F;ollte.</p><lb/>
        <cit rendition="#aq">
          <quote rendition="#i">Turrigeros elephantorum miramus humeros, taurorumque<lb/>
colla &amp; truces in &#x017F;ublime jactus, tigrium rapinas, leonum jubas; Quum<lb/>
rerum natura nusquam magis quam in minimis tota &#x017F;it. Quapra-<lb/>
pter quæ&#x017F;o, ne no&#x017F;tra legentes, quoniam ex his &#x017F;pernent multa, etiam<lb/>
relata fa&#x017F;tidio damnent, quum in contemplatione naturæ nihil po&#x017F;&#x017F;it<lb/>
videri &#x017F;upervacaneum.</quote>
          <bibl rendition="#k"><persName>Plin.</persName> Hist. Nat. XI. c. 2.</bibl>
        </cit><lb/>
        <p>Nach einer &#x017F;ehr regnigten Nacht liefen wir endlich mit Tages Anbruch<lb/>
in die <placeName><hi rendition="#fr">Tafel</hi>-Bay</placeName> ein. Die im Hinter-Grunde der&#x017F;elben liegenden Berge<lb/>
waren nun ohne Wolken und &#x017F;etzten uns durch ihren &#x017F;teilen, fel&#x017F;igten und du&#x0364;rren<lb/>
Anblick in Er&#x017F;taunen. Als wir tiefer in die Bay kamen, entdeckten wir die<lb/>
Stadt, am Fuß des &#x017F;chwarzen <hi rendition="#fr"><placeName>Tafelberges</placeName></hi>, und gelangten bald darauf vor An-<lb/>
ker. Nachdem wir das Fort begru&#x0364;ßt und von ver&#x017F;chiednen hie&#x017F;igen Bedienten der<lb/>
Holla&#x0364;ndi&#x017F;ch-O&#x017F;tindi&#x017F;chen Companie, an Bord un&#x017F;ers Schiffes Zu&#x017F;pruch be-<lb/>
kommen hatten, giengen wir in Begleitung un&#x017F;rer beyden Capitains, <hi rendition="#fr"><persName>Cook</persName></hi><lb/>
und <hi rendition="#fr"><persName>Furneaux</persName></hi>, mit der frohen Erwartung ans Land, daß wir in einem von<lb/>
dem un&#x017F;rigen &#x017F;o weit entfernten und auf der andern Ha&#x0364;lfte der Erdkugel gelegenen<lb/>
Welttheile, viel Neues fu&#x0364;r die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften finden wu&#x0364;rden.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">Drit-</hi> </fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0089] Forſter’s Reiſe um die Welt Es war in dieſem Phaͤnomen ſo etwas Sonderbares und Großes, daß man ſich nicht enthalten konnte, mit ehrfurchtsvoller Verwunderung an den Schoͤpfer zu denken, deſſen Allmacht dieſes Schauſpiel bereitet hatte. Der Ocean weit und breit mit Tauſend Millionen dieſer kleinen Thierchen bedeckt! Alle organiſirt zum Leben; Alle mit einem Vermoͤgen begabt ſich zu bewegen, nach Willkuͤhr zu glaͤnzen, andre Coͤrper durch bloße Beruͤhrung zu erleuchten, und ihre eigne leuchtende Eigenſchaft abzulegen ſo bald ſie wollen! — Dieſe Betrach- tungen draͤngten ſich aus dem innerſten unſers Herzens empor und gebothen uns den Schoͤpfer in ſeinen kleinſten Werken zu ehren; eine Empfindung, die ich bey dieſer Gelegenheit auch allen meinen Leſern zutraue. Zwar ſoll man ſich, in meinem Alter, gemeiniglich noch einen allzuguͤnſtigen Begriff von ſeinem Ne- benmenſchen machen, allein, ſo verderbt und unwiſſend kann ich mir doch nicht leicht jemand vorſtellen, daß ihm bey dieſer Veranlaſſung, ein religioͤſer Ge- danke am unrechten Ort oder geringſchaͤtzig vorkommen ſollte. Turrigeros elephantorum miramus humeros, taurorumque colla & truces in ſublime jactus, tigrium rapinas, leonum jubas; Quum rerum natura nusquam magis quam in minimis tota ſit. Quapra- pter quæſo, ne noſtra legentes, quoniam ex his ſpernent multa, etiam relata faſtidio damnent, quum in contemplatione naturæ nihil poſſit videri ſupervacaneum. Plin. Hist. Nat. XI. c. 2. Nach einer ſehr regnigten Nacht liefen wir endlich mit Tages Anbruch in die Tafel-Bay ein. Die im Hinter-Grunde derſelben liegenden Berge waren nun ohne Wolken und ſetzten uns durch ihren ſteilen, felſigten und duͤrren Anblick in Erſtaunen. Als wir tiefer in die Bay kamen, entdeckten wir die Stadt, am Fuß des ſchwarzen Tafelberges, und gelangten bald darauf vor An- ker. Nachdem wir das Fort begruͤßt und von verſchiednen hieſigen Bedienten der Hollaͤndiſch-Oſtindiſchen Companie, an Bord unſers Schiffes Zuſpruch be- kommen hatten, giengen wir in Begleitung unſrer beyden Capitains, Cook und Furneaux, mit der frohen Erwartung ans Land, daß wir in einem von dem unſrigen ſo weit entfernten und auf der andern Haͤlfte der Erdkugel gelegenen Welttheile, viel Neues fuͤr die Wiſſenſchaften finden wuͤrden. Drit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/89
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/89>, abgerufen am 24.11.2024.