Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Forster's Reise um die Welt
1774.
März.
und setzten den Titel: König von Waihu hinzu. Darüber war er, dem An-
schein nach, sehr zufrieden, und unterredete sich darauf eine lange Weile mit
seinen Unterthanen. -- Er war von mittlerm Alter und ziemlich gros. Gesicht
und Cörper waren punctirt. Sein Anzug bestand aus einem Stück Zeug von
Maulbeer-Rinde, das mit Gras durchnähet und mit Kurkuma gelb gefärbt
war. Auf dem Kopfe hatte er einen Aufsatz von langen, glänzenden, schwar-
zen Federn, den man allenfalls ein Diadem hätte nennen können. Wir bemerk-
ten aber nicht, daß ihm das Volk einige vorzügliche Ehrerbietung erwiesen
hätte, und warlich, in einem so armseligen Lande, konnte er sich auch eben keine
große Vorrechte anmaßen, ohne offenbar den natürlichen Rechten des Menschen,
zu nahe zu treten, welches gefährliche Folgen hätte hervorbringen können. Als wir
weiter vorwärts gehen wollten, schien er darüber etwas unzufrieden: Denn
er bat uns umzukehren, und erbot sich uns zu begleiten; da aber unser Offi-
cier entschlossen war, weiter zu gehen, so ließ er sichs auch gefallen und
gieng mit uns.

"Wir giengen auf eine Anhöhe zu, wo wir, als wir oben waren,
Halte machten, um einige Erfrischungen zu uns zu nehmen, hiernächst auch,
Herrn Hodges Zeit zu lassen, einige Monumente zu kopieren. Bey einem
derselben fanden wir ein vollständiges Menschen-Skelet. Von etlichen dieser
Monumente ist in Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise eine nähere Vor-
stellung beygefügt. Unsre Leute setzten sich auf die Erde nieder und legten ihren
Vorrath von eingehandelten Lebensmitteln vor sich hin, indessen daß die Offi-
ciers und andre von unsrer Begleitung, sich mit den Insulanern in allerley Un-
terredungen einließen. Einer von den Matrosen, der meinen Pflanzen-Sack,
nebst einigen Nägeln, die darinn befindlich waren, tragen mußte, gab nicht
gnug darauf Acht. Dieser Gelegenheit bediente sich einer von den Wilden,
nahm ihn und lief damit fort. Es wurd' es niemand gewahr, als Lieutenant
Edgecumbe; dieser schoß sogleich sein Gewehr, mit Hagel geladen, hinter dem
Diebe her, und setzte uns alle dadurch gewissermaßen in Unruhe. Der Wilde,
welcher fühlte, daß er verwundet war, warf eilends den Beutel hin, und un-
sre Leute holten ihn wieder zu uns. Der arme Schelm fiel bald nachher selbst
zu Boden. Seine Landsleute nahmen ihn auf, und entfernten sich eine

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Maͤrz.
und ſetzten den Titel: Koͤnig von Waihu hinzu. Daruͤber war er, dem An-
ſchein nach, ſehr zufrieden, und unterredete ſich darauf eine lange Weile mit
ſeinen Unterthanen. — Er war von mittlerm Alter und ziemlich gros. Geſicht
und Coͤrper waren punctirt. Sein Anzug beſtand aus einem Stuͤck Zeug von
Maulbeer-Rinde, das mit Gras durchnaͤhet und mit Kurkuma gelb gefaͤrbt
war. Auf dem Kopfe hatte er einen Aufſatz von langen, glaͤnzenden, ſchwar-
zen Federn, den man allenfalls ein Diadem haͤtte nennen koͤnnen. Wir bemerk-
ten aber nicht, daß ihm das Volk einige vorzuͤgliche Ehrerbietung erwieſen
haͤtte, und warlich, in einem ſo armſeligen Lande, konnte er ſich auch eben keine
große Vorrechte anmaßen, ohne offenbar den natuͤrlichen Rechten des Menſchen,
zu nahe zu treten, welches gefaͤhrliche Folgen haͤtte hervorbringen koͤnnen. Als wir
weiter vorwaͤrts gehen wollten, ſchien er daruͤber etwas unzufrieden: Denn
er bat uns umzukehren, und erbot ſich uns zu begleiten; da aber unſer Offi-
cier entſchloſſen war, weiter zu gehen, ſo ließ er ſichs auch gefallen und
gieng mit uns.

„Wir giengen auf eine Anhoͤhe zu, wo wir, als wir oben waren,
Halte machten, um einige Erfriſchungen zu uns zu nehmen, hiernaͤchſt auch,
Herrn Hodges Zeit zu laſſen, einige Monumente zu kopieren. Bey einem
derſelben fanden wir ein vollſtaͤndiges Menſchen-Skelet. Von etlichen dieſer
Monumente iſt in Capitain Cooks Nachricht von dieſer Reiſe eine naͤhere Vor-
ſtellung beygefuͤgt. Unſre Leute ſetzten ſich auf die Erde nieder und legten ihren
Vorrath von eingehandelten Lebensmitteln vor ſich hin, indeſſen daß die Offi-
ciers und andre von unſrer Begleitung, ſich mit den Inſulanern in allerley Un-
terredungen einließen. Einer von den Matroſen, der meinen Pflanzen-Sack,
nebſt einigen Naͤgeln, die darinn befindlich waren, tragen mußte, gab nicht
gnug darauf Acht. Dieſer Gelegenheit bediente ſich einer von den Wilden,
nahm ihn und lief damit fort. Es wurd’ es niemand gewahr, als Lieutenant
Edgecumbe; dieſer ſchoß ſogleich ſein Gewehr, mit Hagel geladen, hinter dem
Diebe her, und ſetzte uns alle dadurch gewiſſermaßen in Unruhe. Der Wilde,
welcher fuͤhlte, daß er verwundet war, warf eilends den Beutel hin, und un-
ſre Leute holten ihn wieder zu uns. Der arme Schelm fiel bald nachher ſelbſt
zu Boden. Seine Landsleute nahmen ihn auf, und entfernten ſich eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0501" n="442"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1774.<lb/>
Ma&#x0364;rz.</note>und &#x017F;etzten den Titel: <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nig von <placeName>Waihu</placeName></hi> hinzu. Daru&#x0364;ber war er, dem An-<lb/>
&#x017F;chein nach, &#x017F;ehr zufrieden, und unterredete &#x017F;ich darauf eine lange Weile mit<lb/>
&#x017F;einen Unterthanen. &#x2014; Er war von mittlerm Alter und ziemlich gros. Ge&#x017F;icht<lb/>
und Co&#x0364;rper waren punctirt. Sein Anzug be&#x017F;tand aus einem Stu&#x0364;ck Zeug von<lb/>
Maulbeer-Rinde, das mit Gras durchna&#x0364;het und mit Kurkuma gelb gefa&#x0364;rbt<lb/>
war. Auf dem Kopfe hatte er einen Auf&#x017F;atz von langen, gla&#x0364;nzenden, &#x017F;chwar-<lb/>
zen Federn, den man allenfalls ein Diadem ha&#x0364;tte nennen ko&#x0364;nnen. Wir bemerk-<lb/>
ten aber nicht, daß ihm das Volk einige vorzu&#x0364;gliche Ehrerbietung erwie&#x017F;en<lb/>
ha&#x0364;tte, und warlich, in einem &#x017F;o arm&#x017F;eligen Lande, konnte er &#x017F;ich auch eben keine<lb/>
große Vorrechte anmaßen, ohne offenbar den natu&#x0364;rlichen Rechten des Men&#x017F;chen,<lb/>
zu nahe zu treten, welches gefa&#x0364;hrliche Folgen ha&#x0364;tte hervorbringen ko&#x0364;nnen. Als wir<lb/>
weiter vorwa&#x0364;rts gehen wollten, &#x017F;chien er daru&#x0364;ber etwas unzufrieden: Denn<lb/>
er bat uns umzukehren, und erbot &#x017F;ich uns zu begleiten; da aber un&#x017F;er Offi-<lb/>
cier ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war, weiter zu gehen, &#x017F;o ließ er &#x017F;ichs auch gefallen und<lb/>
gieng mit uns.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir giengen auf eine Anho&#x0364;he zu, wo wir, als wir oben waren,<lb/>
Halte machten, um einige Erfri&#x017F;chungen zu uns zu nehmen, hierna&#x0364;ch&#x017F;t auch,<lb/>
Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi> Zeit zu la&#x017F;&#x017F;en, einige Monumente zu kopieren. Bey einem<lb/>
der&#x017F;elben fanden wir ein voll&#x017F;ta&#x0364;ndiges Men&#x017F;chen-Skelet. Von etlichen die&#x017F;er<lb/>
Monumente i&#x017F;t in Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> Nachricht von die&#x017F;er Rei&#x017F;e eine na&#x0364;here Vor-<lb/>
&#x017F;tellung beygefu&#x0364;gt. Un&#x017F;re Leute &#x017F;etzten &#x017F;ich auf die Erde nieder und legten ihren<lb/>
Vorrath von eingehandelten Lebensmitteln vor &#x017F;ich hin, inde&#x017F;&#x017F;en daß die Offi-<lb/>
ciers und andre von un&#x017F;rer Begleitung, &#x017F;ich mit den In&#x017F;ulanern in allerley Un-<lb/>
terredungen einließen. Einer von den Matro&#x017F;en, der meinen Pflanzen-Sack,<lb/>
neb&#x017F;t einigen Na&#x0364;geln, die darinn befindlich waren, tragen mußte, gab nicht<lb/>
gnug darauf Acht. Die&#x017F;er Gelegenheit bediente &#x017F;ich einer von den Wilden,<lb/>
nahm ihn und lief damit fort. Es wurd&#x2019; es niemand gewahr, als Lieutenant<lb/><hi rendition="#fr"><persName>Edgecumbe</persName>;</hi> die&#x017F;er &#x017F;choß &#x017F;ogleich &#x017F;ein Gewehr, mit Hagel geladen, hinter dem<lb/>
Diebe her, und &#x017F;etzte uns alle dadurch gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen in Unruhe. Der Wilde,<lb/>
welcher fu&#x0364;hlte, daß er verwundet war, warf eilends den Beutel hin, und un-<lb/>
&#x017F;re Leute holten ihn wieder zu uns. Der arme Schelm fiel bald nachher &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu Boden. Seine Landsleute nahmen ihn auf, und entfernten &#x017F;ich eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[442/0501] Forſter’s Reiſe um die Welt und ſetzten den Titel: Koͤnig von Waihu hinzu. Daruͤber war er, dem An- ſchein nach, ſehr zufrieden, und unterredete ſich darauf eine lange Weile mit ſeinen Unterthanen. — Er war von mittlerm Alter und ziemlich gros. Geſicht und Coͤrper waren punctirt. Sein Anzug beſtand aus einem Stuͤck Zeug von Maulbeer-Rinde, das mit Gras durchnaͤhet und mit Kurkuma gelb gefaͤrbt war. Auf dem Kopfe hatte er einen Aufſatz von langen, glaͤnzenden, ſchwar- zen Federn, den man allenfalls ein Diadem haͤtte nennen koͤnnen. Wir bemerk- ten aber nicht, daß ihm das Volk einige vorzuͤgliche Ehrerbietung erwieſen haͤtte, und warlich, in einem ſo armſeligen Lande, konnte er ſich auch eben keine große Vorrechte anmaßen, ohne offenbar den natuͤrlichen Rechten des Menſchen, zu nahe zu treten, welches gefaͤhrliche Folgen haͤtte hervorbringen koͤnnen. Als wir weiter vorwaͤrts gehen wollten, ſchien er daruͤber etwas unzufrieden: Denn er bat uns umzukehren, und erbot ſich uns zu begleiten; da aber unſer Offi- cier entſchloſſen war, weiter zu gehen, ſo ließ er ſichs auch gefallen und gieng mit uns. 1774. Maͤrz. „Wir giengen auf eine Anhoͤhe zu, wo wir, als wir oben waren, Halte machten, um einige Erfriſchungen zu uns zu nehmen, hiernaͤchſt auch, Herrn Hodges Zeit zu laſſen, einige Monumente zu kopieren. Bey einem derſelben fanden wir ein vollſtaͤndiges Menſchen-Skelet. Von etlichen dieſer Monumente iſt in Capitain Cooks Nachricht von dieſer Reiſe eine naͤhere Vor- ſtellung beygefuͤgt. Unſre Leute ſetzten ſich auf die Erde nieder und legten ihren Vorrath von eingehandelten Lebensmitteln vor ſich hin, indeſſen daß die Offi- ciers und andre von unſrer Begleitung, ſich mit den Inſulanern in allerley Un- terredungen einließen. Einer von den Matroſen, der meinen Pflanzen-Sack, nebſt einigen Naͤgeln, die darinn befindlich waren, tragen mußte, gab nicht gnug darauf Acht. Dieſer Gelegenheit bediente ſich einer von den Wilden, nahm ihn und lief damit fort. Es wurd’ es niemand gewahr, als Lieutenant Edgecumbe; dieſer ſchoß ſogleich ſein Gewehr, mit Hagel geladen, hinter dem Diebe her, und ſetzte uns alle dadurch gewiſſermaßen in Unruhe. Der Wilde, welcher fuͤhlte, daß er verwundet war, warf eilends den Beutel hin, und un- ſre Leute holten ihn wieder zu uns. Der arme Schelm fiel bald nachher ſelbſt zu Boden. Seine Landsleute nahmen ihn auf, und entfernten ſich eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/501
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/501>, abgerufen am 22.11.2024.