Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1774.März.durchnähet, und mehrentheils mit Curkuma-Wurzel gelb gefärbt. Die Leute ließen uns ruhig an Land steigen und machten überhaupt nicht die mindeste un- freundliche Bewegung; sondern fürchteten sich vielmehr vor unserm Feuergewehr, dessen tödliche Würkung ihnen bekannt zu seyn schien. Sie waren größtentheils unbewaffnet; doch führten einige unter ihnen Lanzen oder Speere, von unförm- lich und höckerigt gewachsenen Holz gemacht und mit einem scharfen dreyeckigten Stück schwarzer Glas-Lava (pumex vitreus Linnaei) zugespitzt. Einer hatte eine Streit-Kolbe, die aus einem dicken Stück Holz verfertigt, 3 Fus lang, und an einem Ende mit Schnitzwerk verziert war, und ein Paar andre hielten kurze, hölzerne Keulen in der Hand, die den Neu-Seeländischen Pattu-Pattus von Fischknochen völlig ähnlich sahen. Mit unter hatte einer einen europäischen Hut, ein andrer eine dergleichen Mütze, dieser ein gestreiftes baumwollnes Schnupftuch, jener eine alte zerrißne Jacke von blauen wollnen Zeuge an; alles ohnstreitige Denkmäler oder Ueberbleibsel von der letztern Anwesenheit der Spanier, die im Jahre 1770 hier gewesen waren. Uebrigens konnte man es den Eingebohrnen in aller Absicht ansehen, daß ihr Land sehr armseelig seyn müsse. Sie waren von Gestalt kleiner als die Neu-Seeländer und als die Ein- wohner der Societäts- und freundschaftlichen Inseln, ja wir fanden nicht einen einzigen unter ihnen, den man hätte groß nennen können. Dabey waren sie mager, und schmaler von Gesicht als die übrigen Bewohner der Südsee zu seyn pflegen. Ihr Mangel an Kleidung und ihre Begierde nach unsren Waaren, ohne daß sie uns dafür wieder etwas angeboten hätten, waren zusammengenom- men, hinreichende Merkmale ihrer Armseligkeit. Sie waren durchgehends über den ganzen Leib sehr stark punctirt, vornemlich aber im Gesicht. Ihre Frauenspersonen, die sehr klein und zart gebauet waren, hatten auch Punctu- ren im Gesicht, die an Gestalt den Schönpflästerchen unsrer Damen glichen. Doch befanden sich unter dem ganzen hier versammleten Haufen nicht über zehn bis zwölf Frauensleute. Sie waren gemeiniglich mit ihrer natürlichen hell- braunen Farbe nicht zufrieden, sondern hatten sich noch das ganze Gesicht mit rothbraunen Röthel überschmiert, über dem denn das schöne Oranienroth der Curkuma-Wurzel gesetzt war; zum Theil hatten sie sich auch das Gesicht mit zierlichen Streifen von weißen Muschel-Kalk verschönert. Die Kunst, sich anzu-
Forſter’s Reiſe um die Welt 1774.Maͤrz.durchnaͤhet, und mehrentheils mit Curkuma-Wurzel gelb gefaͤrbt. Die Leute ließen uns ruhig an Land ſteigen und machten uͤberhaupt nicht die mindeſte un- freundliche Bewegung; ſondern fuͤrchteten ſich vielmehr vor unſerm Feuergewehr, deſſen toͤdliche Wuͤrkung ihnen bekannt zu ſeyn ſchien. Sie waren groͤßtentheils unbewaffnet; doch fuͤhrten einige unter ihnen Lanzen oder Speere, von unfoͤrm- lich und hoͤckerigt gewachſenen Holz gemacht und mit einem ſcharfen dreyeckigten Stuͤck ſchwarzer Glas-Lava (pumex vitreus Linnaei) zugeſpitzt. Einer hatte eine Streit-Kolbe, die aus einem dicken Stuͤck Holz verfertigt, 3 Fus lang, und an einem Ende mit Schnitzwerk verziert war, und ein Paar andre hielten kurze, hoͤlzerne Keulen in der Hand, die den Neu-Seelaͤndiſchen Pattu-Pattus von Fiſchknochen voͤllig aͤhnlich ſahen. Mit unter hatte einer einen europaͤiſchen Hut, ein andrer eine dergleichen Muͤtze, dieſer ein geſtreiftes baumwollnes Schnupftuch, jener eine alte zerrißne Jacke von blauen wollnen Zeuge an; alles ohnſtreitige Denkmaͤler oder Ueberbleibſel von der letztern Anweſenheit der Spanier, die im Jahre 1770 hier geweſen waren. Uebrigens konnte man es den Eingebohrnen in aller Abſicht anſehen, daß ihr Land ſehr armſeelig ſeyn muͤſſe. Sie waren von Geſtalt kleiner als die Neu-Seelaͤnder und als die Ein- wohner der Societaͤts- und freundſchaftlichen Inſeln, ja wir fanden nicht einen einzigen unter ihnen, den man haͤtte groß nennen koͤnnen. Dabey waren ſie mager, und ſchmaler von Geſicht als die uͤbrigen Bewohner der Suͤdſee zu ſeyn pflegen. Ihr Mangel an Kleidung und ihre Begierde nach unſren Waaren, ohne daß ſie uns dafuͤr wieder etwas angeboten haͤtten, waren zuſammengenom- men, hinreichende Merkmale ihrer Armſeligkeit. Sie waren durchgehends uͤber den ganzen Leib ſehr ſtark punctirt, vornemlich aber im Geſicht. Ihre Frauensperſonen, die ſehr klein und zart gebauet waren, hatten auch Punctu- ren im Geſicht, die an Geſtalt den Schoͤnpflaͤſterchen unſrer Damen glichen. Doch befanden ſich unter dem ganzen hier verſammleten Haufen nicht uͤber zehn bis zwoͤlf Frauensleute. Sie waren gemeiniglich mit ihrer natuͤrlichen hell- braunen Farbe nicht zufrieden, ſondern hatten ſich noch das ganze Geſicht mit rothbraunen Roͤthel uͤberſchmiert, uͤber dem denn das ſchoͤne Oranienroth der Curkuma-Wurzel geſetzt war; zum Theil hatten ſie ſich auch das Geſicht mit zierlichen Streifen von weißen Muſchel-Kalk verſchoͤnert. Die Kunſt, ſich anzu-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
durchnaͤhet, und mehrentheils mit Curkuma-Wurzel gelb gefaͤrbt. Die Leute
ließen uns ruhig an Land ſteigen und machten uͤberhaupt nicht die mindeſte un-
freundliche Bewegung; ſondern fuͤrchteten ſich vielmehr vor unſerm Feuergewehr,
deſſen toͤdliche Wuͤrkung ihnen bekannt zu ſeyn ſchien. Sie waren groͤßtentheils
unbewaffnet; doch fuͤhrten einige unter ihnen Lanzen oder Speere, von unfoͤrm-
lich und hoͤckerigt gewachſenen Holz gemacht und mit einem ſcharfen dreyeckigten
Stuͤck ſchwarzer Glas-Lava (pumex vitreus Linnaei) zugeſpitzt. Einer hatte
eine Streit-Kolbe, die aus einem dicken Stuͤck Holz verfertigt, 3 Fus lang, und
an einem Ende mit Schnitzwerk verziert war, und ein Paar andre hielten kurze,
hoͤlzerne Keulen in der Hand, die den Neu-Seelaͤndiſchen Pattu-Pattus von
Fiſchknochen voͤllig aͤhnlich ſahen. Mit unter hatte einer einen europaͤiſchen
Hut, ein andrer eine dergleichen Muͤtze, dieſer ein geſtreiftes baumwollnes
Schnupftuch, jener eine alte zerrißne Jacke von blauen wollnen Zeuge an; alles
ohnſtreitige Denkmaͤler oder Ueberbleibſel von der letztern Anweſenheit der
Spanier, die im Jahre 1770 hier geweſen waren. Uebrigens konnte man
es den Eingebohrnen in aller Abſicht anſehen, daß ihr Land ſehr armſeelig ſeyn
muͤſſe. Sie waren von Geſtalt kleiner als die Neu-Seelaͤnder und als die Ein-
wohner der Societaͤts- und freundſchaftlichen Inſeln, ja wir fanden nicht einen
einzigen unter ihnen, den man haͤtte groß nennen koͤnnen. Dabey waren ſie
mager, und ſchmaler von Geſicht als die uͤbrigen Bewohner der Suͤdſee zu ſeyn
pflegen. Ihr Mangel an Kleidung und ihre Begierde nach unſren Waaren,
ohne daß ſie uns dafuͤr wieder etwas angeboten haͤtten, waren zuſammengenom-
men, hinreichende Merkmale ihrer Armſeligkeit. Sie waren durchgehends
uͤber den ganzen Leib ſehr ſtark punctirt, vornemlich aber im Geſicht. Ihre
Frauensperſonen, die ſehr klein und zart gebauet waren, hatten auch Punctu-
ren im Geſicht, die an Geſtalt den Schoͤnpflaͤſterchen unſrer Damen glichen.
Doch befanden ſich unter dem ganzen hier verſammleten Haufen nicht uͤber zehn
bis zwoͤlf Frauensleute. Sie waren gemeiniglich mit ihrer natuͤrlichen hell-
braunen Farbe nicht zufrieden, ſondern hatten ſich noch das ganze Geſicht mit
rothbraunen Roͤthel uͤberſchmiert, uͤber dem denn das ſchoͤne Oranienroth der
Curkuma-Wurzel geſetzt war; zum Theil hatten ſie ſich auch das Geſicht mit
zierlichen Streifen von weißen Muſchel-Kalk verſchoͤnert. Die Kunſt, ſich
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