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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1774.
März.
laufend, so daß sie der Form nach einem umgekehrten Canot nicht unähnlich sa-
hen. In der Mitte schienen sie eine kleine Oefnung oder Thür zu haben, die
aber so niedrig war, daß ein Mann von gewöhnlicher Größe sich bücken mußte,
um hinein zu kommen. Gegen Abend giengen wir an der Südwestlichen Seite
der Insel vor Anker, woselbst wir vierzig Faden Tiefe und einen guten Kies-
Grund hatten. Bald nachher kam der Lootse von seiner Expedition zurück und
brachte einen der Eingebohrnen mit an Bord. Dieser Kerl war ohne Ceremo-
nie oder Einladung dreist ins Boot gesprungen, als es dicht am Ufer lag, und
hatte sogleich Verlangen geäußert, ans Schiff gebracht zu werden. Er war
von castanienbrauner Farbe und mittler Statur, ohngefehr 5 Fus 8 Zoll groß;
und auf der Brust und über den ganzen Leib merklich haarigt. Der Bart und
das Haupthaar waren in gleichem Verhältniß stark, beydes von schwarzer Farbe
und ersterer gestutzt. Er hatte so lange Ohrlappen, daß sie ihm fast bis auf die
Schultern herabhiengen; und seine Schenkel waren felderweise oder nach wür-
felförmigen Figuren, und in einem Geschmack punktirt, dergleichen wir sonst noch
nirgends bemerkt hatten. Statt aller übrigen Bekleidung trug er blos einen Gürtel
um den Leib, woran vorne ein Netzwerk herabhieng, das aber nichts bedeckte.
Um den Hals hatte er eine Schnur, an welcher vorn auf der Brust ein breiter
und ohngefähr 5 Zoll langer Knochen befestigt war, der die Figur einer Zunge
vorstellen sollte. Er erzählte uns, dieser Knoche sey von einem Meer-Schwein,
Ivi toharra, welcher Name in der tahitischen Sprache gerad eben so lautet.
Um sich noch deutlicher zu erklären, nannte er diesen Brust-Zierrath auch Ivi-
Ika,
welches, wie wir wohl verstanden, einen Fischknochen bedeutet. *) So
bald er sich im Boote niedergesetzt, gab er durch sehr vernemliche Zeichen zu ver-
stehen, daß ihm friere. Herr Gilbert der Lootse, gab ihm also eine Jacke und
setzte ihm einen Hut auf; in diesem Staat erschien er bey uns auf dem Schiff.
Der Capitain und die Passagiers schenkten ihm Nägel, Medaillen und Corallen-
Schnüre. Letztere verlangte er um den Kopf gewunden zu haben. Anfänglich
war er etwas furchtsam und mißtrauisch, denn er fragte, ob wir ihn als einen

*) Iya zu Tahiti und Ika auf Neu-Seeland und den freundschaftlichen Inseln, bedeuten
einen Fisch.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1774.
Maͤrz.
laufend, ſo daß ſie der Form nach einem umgekehrten Canot nicht unaͤhnlich ſa-
hen. In der Mitte ſchienen ſie eine kleine Oefnung oder Thuͤr zu haben, die
aber ſo niedrig war, daß ein Mann von gewoͤhnlicher Groͤße ſich buͤcken mußte,
um hinein zu kommen. Gegen Abend giengen wir an der Suͤdweſtlichen Seite
der Inſel vor Anker, woſelbſt wir vierzig Faden Tiefe und einen guten Kies-
Grund hatten. Bald nachher kam der Lootſe von ſeiner Expedition zuruͤck und
brachte einen der Eingebohrnen mit an Bord. Dieſer Kerl war ohne Ceremo-
nie oder Einladung dreiſt ins Boot geſprungen, als es dicht am Ufer lag, und
hatte ſogleich Verlangen geaͤußert, ans Schiff gebracht zu werden. Er war
von caſtanienbrauner Farbe und mittler Statur, ohngefehr 5 Fus 8 Zoll groß;
und auf der Bruſt und uͤber den ganzen Leib merklich haarigt. Der Bart und
das Haupthaar waren in gleichem Verhaͤltniß ſtark, beydes von ſchwarzer Farbe
und erſterer geſtutzt. Er hatte ſo lange Ohrlappen, daß ſie ihm faſt bis auf die
Schultern herabhiengen; und ſeine Schenkel waren felderweiſe oder nach wuͤr-
felfoͤrmigen Figuren, und in einem Geſchmack punktirt, dergleichen wir ſonſt noch
nirgends bemerkt hatten. Statt aller uͤbrigen Bekleidung trug er blos einen Guͤrtel
um den Leib, woran vorne ein Netzwerk herabhieng, das aber nichts bedeckte.
Um den Hals hatte er eine Schnur, an welcher vorn auf der Bruſt ein breiter
und ohngefaͤhr 5 Zoll langer Knochen befeſtigt war, der die Figur einer Zunge
vorſtellen ſollte. Er erzaͤhlte uns, dieſer Knoche ſey von einem Meer-Schwein,
Ivi toharra, welcher Name in der tahitiſchen Sprache gerad eben ſo lautet.
Um ſich noch deutlicher zu erklaͤren, nannte er dieſen Bruſt-Zierrath auch Ivi-
Ika,
welches, wie wir wohl verſtanden, einen Fiſchknochen bedeutet. *) So
bald er ſich im Boote niedergeſetzt, gab er durch ſehr vernemliche Zeichen zu ver-
ſtehen, daß ihm friere. Herr Gilbert der Lootſe, gab ihm alſo eine Jacke und
ſetzte ihm einen Hut auf; in dieſem Staat erſchien er bey uns auf dem Schiff.
Der Capitain und die Paſſagiers ſchenkten ihm Naͤgel, Medaillen und Corallen-
Schnuͤre. Letztere verlangte er um den Kopf gewunden zu haben. Anfaͤnglich
war er etwas furchtſam und mißtrauiſch, denn er fragte, ob wir ihn als einen

*) Iya zu Tahiti und Ika auf Neu-Seeland und den freundſchaftlichen Inſeln, bedeuten
einen Fiſch.
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[414[422]/0481] Forſter’s Reiſe um die Welt laufend, ſo daß ſie der Form nach einem umgekehrten Canot nicht unaͤhnlich ſa- hen. In der Mitte ſchienen ſie eine kleine Oefnung oder Thuͤr zu haben, die aber ſo niedrig war, daß ein Mann von gewoͤhnlicher Groͤße ſich buͤcken mußte, um hinein zu kommen. Gegen Abend giengen wir an der Suͤdweſtlichen Seite der Inſel vor Anker, woſelbſt wir vierzig Faden Tiefe und einen guten Kies- Grund hatten. Bald nachher kam der Lootſe von ſeiner Expedition zuruͤck und brachte einen der Eingebohrnen mit an Bord. Dieſer Kerl war ohne Ceremo- nie oder Einladung dreiſt ins Boot geſprungen, als es dicht am Ufer lag, und hatte ſogleich Verlangen geaͤußert, ans Schiff gebracht zu werden. Er war von caſtanienbrauner Farbe und mittler Statur, ohngefehr 5 Fus 8 Zoll groß; und auf der Bruſt und uͤber den ganzen Leib merklich haarigt. Der Bart und das Haupthaar waren in gleichem Verhaͤltniß ſtark, beydes von ſchwarzer Farbe und erſterer geſtutzt. Er hatte ſo lange Ohrlappen, daß ſie ihm faſt bis auf die Schultern herabhiengen; und ſeine Schenkel waren felderweiſe oder nach wuͤr- felfoͤrmigen Figuren, und in einem Geſchmack punktirt, dergleichen wir ſonſt noch nirgends bemerkt hatten. Statt aller uͤbrigen Bekleidung trug er blos einen Guͤrtel um den Leib, woran vorne ein Netzwerk herabhieng, das aber nichts bedeckte. Um den Hals hatte er eine Schnur, an welcher vorn auf der Bruſt ein breiter und ohngefaͤhr 5 Zoll langer Knochen befeſtigt war, der die Figur einer Zunge vorſtellen ſollte. Er erzaͤhlte uns, dieſer Knoche ſey von einem Meer-Schwein, Ivi toharra, welcher Name in der tahitiſchen Sprache gerad eben ſo lautet. Um ſich noch deutlicher zu erklaͤren, nannte er dieſen Bruſt-Zierrath auch Ivi- Ika, welches, wie wir wohl verſtanden, einen Fiſchknochen bedeutet. *) So bald er ſich im Boote niedergeſetzt, gab er durch ſehr vernemliche Zeichen zu ver- ſtehen, daß ihm friere. Herr Gilbert der Lootſe, gab ihm alſo eine Jacke und ſetzte ihm einen Hut auf; in dieſem Staat erſchien er bey uns auf dem Schiff. Der Capitain und die Paſſagiers ſchenkten ihm Naͤgel, Medaillen und Corallen- Schnuͤre. Letztere verlangte er um den Kopf gewunden zu haben. Anfaͤnglich war er etwas furchtſam und mißtrauiſch, denn er fragte, ob wir ihn als einen 1774. Maͤrz. *) Iya zu Tahiti und Ika auf Neu-Seeland und den freundſchaftlichen Inſeln, bedeuten einen Fiſch.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 414[422]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/481>, abgerufen am 25.11.2024.