Am 26sten befand sich Capitain Cook auf die verordneten Arzeneymit- tel etwas besser, und während der drey folgenden Tage erholte er sich so weit, daß er bisweilen aufsitzen und etwas Suppe zu sich nehmen konnte. Nächst der Vorsehung war er seine Genesung hauptsächlich der Geschicklichkeit unsers Wundarztes Herrn Pattons schuldig und diesem hat man es zu verdanken, daß der noch übrige Theil unserer Reise dem ursprünglichen Plan gemäß, mit eben so viel Genauigkeit und Eifer wie bisher konnte fortgesetzt und ausgeführet werden, denn alle Hofnungen künftiger Entdeckungen und fortdauernder Einigkeit im Schiff beruhete lediglich auf des Capitains Erhaltung. Die Sorgfalt, womit dieser würdige Mann den Capitain während der ganzen Krankheit behandelte, kann nicht genug gepriesen werden. Aber eben diese unermüdete Sorgfalt hätte dem guten Arzte selbst beynahe das Leben gekostet. Da er viele Nächte hintereinander gar nicht geschlafen, auch bey Tage selten gewagt hatte eine Stunde zu ruhen, so war er dermaßen erschöpft, als daß uns für sein Leben bange ward, als wovon doch das Leben fast aller und jeder im Schiffe abhieng. Er bekam eine Gallen- Krankheit, die wegen der Schwäche seines Magens Gefahr besorgen ließ und es ist sehr wahrscheinlich, daß wenn wir nicht bald Land erreicht und daselbst einige Erfrischungen bekommen hätten, er ein Opfer der Beharrlichkeit und Pünktlich- keit in seinen Pflichten gewesen seyn würde.
Seit dem 22sten Februar hatten wir östliche Winde, die vermuthlich durch den Stand der Sonne veranlaßt wurden, als welche noch immer im süd- lichen Hemisphärio war. Nunmehro befanden wir uns wieder in einem besse- ren Clima, denn das Thermometer stand schon auf 70 Grad; Von Zeit zu Zeit ließen sich graue Meerschwalben sehen, die nach unsers Freundes Maheine Aussage nie weit vom Lande gehen sollen. Am 1sten März sahen wir etliche Boniten schnell beym Schiffe vorüber schwimmen und am folgenden Tage, da wir 30 Grad südliche Breite hatten, erblickten wir auch wieder tropische Vögel.
Um diese Zeit fieng der Scorbut an, im Schiffe überhaupt und vor- züglich bey mir überhand zu nehmen. Ich hatte empfindliche Schmerzen, blaue Flecken, faul Zahnfleisch, und geschwollene Beine. Diese gefährlichen Symptomen brachten mich in wenigen Tagen sehr herunter, ehe ich selbst kaum glaubte, daß ich so krank sey. Ich hatte mich so viel als möglich der ungesun-
Forſter’s Reiſe um die Welt
1774. Januar.
Am 26ſten befand ſich Capitain Cook auf die verordneten Arzeneymit- tel etwas beſſer, und waͤhrend der drey folgenden Tage erholte er ſich ſo weit, daß er bisweilen aufſitzen und etwas Suppe zu ſich nehmen konnte. Naͤchſt der Vorſehung war er ſeine Geneſung hauptſaͤchlich der Geſchicklichkeit unſers Wundarztes Herrn Pattons ſchuldig und dieſem hat man es zu verdanken, daß der noch uͤbrige Theil unſerer Reiſe dem urſpruͤnglichen Plan gemaͤß, mit eben ſo viel Genauigkeit und Eifer wie bisher konnte fortgeſetzt und ausgefuͤhret werden, denn alle Hofnungen kuͤnftiger Entdeckungen und fortdauernder Einigkeit im Schiff beruhete lediglich auf des Capitains Erhaltung. Die Sorgfalt, womit dieſer wuͤrdige Mann den Capitain waͤhrend der ganzen Krankheit behandelte, kann nicht genug geprieſen werden. Aber eben dieſe unermuͤdete Sorgfalt haͤtte dem guten Arzte ſelbſt beynahe das Leben gekoſtet. Da er viele Naͤchte hintereinander gar nicht geſchlafen, auch bey Tage ſelten gewagt hatte eine Stunde zu ruhen, ſo war er dermaßen erſchoͤpft, als daß uns fuͤr ſein Leben bange ward, als wovon doch das Leben faſt aller und jeder im Schiffe abhieng. Er bekam eine Gallen- Krankheit, die wegen der Schwaͤche ſeines Magens Gefahr beſorgen ließ und es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß wenn wir nicht bald Land erreicht und daſelbſt einige Erfriſchungen bekommen haͤtten, er ein Opfer der Beharrlichkeit und Puͤnktlich- keit in ſeinen Pflichten geweſen ſeyn wuͤrde.
Seit dem 22ſten Februar hatten wir oͤſtliche Winde, die vermuthlich durch den Stand der Sonne veranlaßt wurden, als welche noch immer im ſuͤd- lichen Hemisphaͤrio war. Nunmehro befanden wir uns wieder in einem beſſe- ren Clima, denn das Thermometer ſtand ſchon auf 70 Grad; Von Zeit zu Zeit ließen ſich graue Meerſchwalben ſehen, die nach unſers Freundes Maheine Ausſage nie weit vom Lande gehen ſollen. Am 1ſten Maͤrz ſahen wir etliche Boniten ſchnell beym Schiffe voruͤber ſchwimmen und am folgenden Tage, da wir 30 Grad ſuͤdliche Breite hatten, erblickten wir auch wieder tropiſche Voͤgel.
Um dieſe Zeit fieng der Scorbut an, im Schiffe uͤberhaupt und vor- zuͤglich bey mir uͤberhand zu nehmen. Ich hatte empfindliche Schmerzen, blaue Flecken, faul Zahnfleiſch, und geſchwollene Beine. Dieſe gefaͤhrlichen Symptomen brachten mich in wenigen Tagen ſehr herunter, ehe ich ſelbſt kaum glaubte, daß ich ſo krank ſey. Ich hatte mich ſo viel als moͤglich der ungeſun-
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Forſter’s Reiſe um die Welt
Am 26ſten befand ſich Capitain Cook auf die verordneten Arzeneymit-
tel etwas beſſer, und waͤhrend der drey folgenden Tage erholte er ſich ſo weit,
daß er bisweilen aufſitzen und etwas Suppe zu ſich nehmen konnte. Naͤchſt
der Vorſehung war er ſeine Geneſung hauptſaͤchlich der Geſchicklichkeit unſers
Wundarztes Herrn Pattons ſchuldig und dieſem hat man es zu verdanken, daß der
noch uͤbrige Theil unſerer Reiſe dem urſpruͤnglichen Plan gemaͤß, mit eben ſo viel
Genauigkeit und Eifer wie bisher konnte fortgeſetzt und ausgefuͤhret werden, denn
alle Hofnungen kuͤnftiger Entdeckungen und fortdauernder Einigkeit im Schiff
beruhete lediglich auf des Capitains Erhaltung. Die Sorgfalt, womit dieſer
wuͤrdige Mann den Capitain waͤhrend der ganzen Krankheit behandelte, kann nicht
genug geprieſen werden. Aber eben dieſe unermuͤdete Sorgfalt haͤtte dem guten
Arzte ſelbſt beynahe das Leben gekoſtet. Da er viele Naͤchte hintereinander gar
nicht geſchlafen, auch bey Tage ſelten gewagt hatte eine Stunde zu ruhen, ſo
war er dermaßen erſchoͤpft, als daß uns fuͤr ſein Leben bange ward, als wovon
doch das Leben faſt aller und jeder im Schiffe abhieng. Er bekam eine Gallen-
Krankheit, die wegen der Schwaͤche ſeines Magens Gefahr beſorgen ließ und es
iſt ſehr wahrſcheinlich, daß wenn wir nicht bald Land erreicht und daſelbſt einige
Erfriſchungen bekommen haͤtten, er ein Opfer der Beharrlichkeit und Puͤnktlich-
keit in ſeinen Pflichten geweſen ſeyn wuͤrde.
Seit dem 22ſten Februar hatten wir oͤſtliche Winde, die vermuthlich
durch den Stand der Sonne veranlaßt wurden, als welche noch immer im ſuͤd-
lichen Hemisphaͤrio war. Nunmehro befanden wir uns wieder in einem beſſe-
ren Clima, denn das Thermometer ſtand ſchon auf 70 Grad; Von Zeit zu Zeit
ließen ſich graue Meerſchwalben ſehen, die nach unſers Freundes Maheine
Ausſage nie weit vom Lande gehen ſollen. Am 1ſten Maͤrz ſahen wir etliche
Boniten ſchnell beym Schiffe voruͤber ſchwimmen und am folgenden Tage, da
wir 30 Grad ſuͤdliche Breite hatten, erblickten wir auch wieder tropiſche Voͤgel.
Um dieſe Zeit fieng der Scorbut an, im Schiffe uͤberhaupt und vor-
zuͤglich bey mir uͤberhand zu nehmen. Ich hatte empfindliche Schmerzen,
blaue Flecken, faul Zahnfleiſch, und geſchwollene Beine. Dieſe gefaͤhrlichen
Symptomen brachten mich in wenigen Tagen ſehr herunter, ehe ich ſelbſt kaum
glaubte, daß ich ſo krank ſey. Ich hatte mich ſo viel als moͤglich der ungeſun-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/473>, abgerufen am 22.11.2024.
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