10 Minuten südlich, und wir waren also nicht völlig 19 Grad mehr vom Pol ent-1774. Januar. fernt. Da es aber unmöglich war weiter vorzudringen; so kehrten wir um, wohlzufrieden mit unsrer gefährlichen Expedition und völlig überzeugt, daß sich kein Seemann die Mühe geben werde weiter zu gehen. Unsre Länge war da- mals ohngefähr 106 Grad 54' westlich. Das Thermometer stand hier 32 und eine Menge Pinguins ließen sich mit ihrem koaxenden Geschrey hören, ob wir sie gleich des einfallenden Nebels wegen, nicht ansichtig werden konnten.
So oft wir bis jetzt noch gegen Süden gekommen waren, eben so oft hat- ten wir auch nie Land angetroffen, sondern waren allemal bald früher, bald später durch festruhende, unabsehliche Eis-Bänke in unserm Laufe aufge- halten worden. Zugleich hatten wir den Wind immer mäßig, und in den höhern Breiten, gemeiniglich östlich gefunden, eben so als er in den höhern nördlichen Breiten seyn soll. Aus diesen Umständen schließt mein Vater, daß der ganze Südpol bis auf 20 Grad, mehr oder weniger, mit festem Eise be- deckt ist, und daß nur die äußersten Enden oder Spitzen davon jährlich durch Stürme abgebrochen, durch die Sonne geschmolzen und im Winter wieder ersetzt werden.
------ Stat glacies iners Menses per omnes ---- Horat.
Diese Meynung hat um so vielmehr Wahrscheinlichkeit vor sich, als einer Seits, zur Hervorbringung des Eises nicht nothwendigerweise Land erforderlich, und andrer Seits auch nur wenig Ursach vorhanden ist zu glauben, daß in diesem Erdstrich einiges Land von beträchtlicher Größe zu finden seyn sollte.
Von diesem Eisfelde aus, liefen wir bis zum 5ten Februar mit gelinden Winde nordwärts; gedachten Tages aber bekamen wir, nach einer kurzen Windstille, einen frischern Wind. Am 6ten setzte er sich um in Süd-Ost, und ward des Nachts so heftig, daß etliche Seegel dabey in Stücken giengen. Da er uns aber, um nördlich zu gehen, sehr erwünscht war, so kümmerten wir uns nicht um seine Heftigkeit. Er führte uns auch so schnell fort, daß wir in
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in den Jahren 1772 bis 1775.
10 Minuten ſuͤdlich, und wir waren alſo nicht voͤllig 19 Grad mehr vom Pol ent-1774. Januar. fernt. Da es aber unmoͤglich war weiter vorzudringen; ſo kehrten wir um, wohlzufrieden mit unſrer gefaͤhrlichen Expedition und voͤllig uͤberzeugt, daß ſich kein Seemann die Muͤhe geben werde weiter zu gehen. Unſre Laͤnge war da- mals ohngefaͤhr 106 Grad 54′ weſtlich. Das Thermometer ſtand hier 32 und eine Menge Pinguins ließen ſich mit ihrem koaxenden Geſchrey hoͤren, ob wir ſie gleich des einfallenden Nebels wegen, nicht anſichtig werden konnten.
So oft wir bis jetzt noch gegen Suͤden gekommen waren, eben ſo oft hat- ten wir auch nie Land angetroffen, ſondern waren allemal bald fruͤher, bald ſpaͤter durch feſtruhende, unabſehliche Eis-Baͤnke in unſerm Laufe aufge- halten worden. Zugleich hatten wir den Wind immer maͤßig, und in den hoͤhern Breiten, gemeiniglich oͤſtlich gefunden, eben ſo als er in den hoͤhern noͤrdlichen Breiten ſeyn ſoll. Aus dieſen Umſtaͤnden ſchließt mein Vater, daß der ganze Suͤdpol bis auf 20 Grad, mehr oder weniger, mit feſtem Eiſe be- deckt iſt, und daß nur die aͤußerſten Enden oder Spitzen davon jaͤhrlich durch Stuͤrme abgebrochen, durch die Sonne geſchmolzen und im Winter wieder erſetzt werden.
——— Stat glacies iners Menſes per omnes —— Horat.
Dieſe Meynung hat um ſo vielmehr Wahrſcheinlichkeit vor ſich, als einer Seits, zur Hervorbringung des Eiſes nicht nothwendigerweiſe Land erforderlich, und andrer Seits auch nur wenig Urſach vorhanden iſt zu glauben, daß in dieſem Erdſtrich einiges Land von betraͤchtlicher Groͤße zu finden ſeyn ſollte.
Von dieſem Eisfelde aus, liefen wir bis zum 5ten Februar mit gelinden Winde nordwaͤrts; gedachten Tages aber bekamen wir, nach einer kurzen Windſtille, einen friſchern Wind. Am 6ten ſetzte er ſich um in Suͤd-Oſt, und ward des Nachts ſo heftig, daß etliche Seegel dabey in Stuͤcken giengen. Da er uns aber, um noͤrdlich zu gehen, ſehr erwuͤnſcht war, ſo kuͤmmerten wir uns nicht um ſeine Heftigkeit. Er fuͤhrte uns auch ſo ſchnell fort, daß wir in
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fernt. Da es aber unmoͤglich war weiter vorzudringen; ſo kehrten wir um,
wohlzufrieden mit unſrer gefaͤhrlichen Expedition und voͤllig uͤberzeugt, daß ſich
kein Seemann die Muͤhe geben werde weiter zu gehen. Unſre Laͤnge war da-
mals ohngefaͤhr 106 Grad 54′ weſtlich. Das Thermometer ſtand hier 32
und eine Menge Pinguins ließen ſich mit ihrem koaxenden Geſchrey hoͤren,
ob wir ſie gleich des einfallenden Nebels wegen, nicht anſichtig werden konnten.
1774.
Januar.
So oft wir bis jetzt noch gegen Suͤden gekommen waren, eben ſo oft hat-
ten wir auch nie Land angetroffen, ſondern waren allemal bald fruͤher, bald
ſpaͤter durch feſtruhende, unabſehliche Eis-Baͤnke in unſerm Laufe aufge-
halten worden. Zugleich hatten wir den Wind immer maͤßig, und in den
hoͤhern Breiten, gemeiniglich oͤſtlich gefunden, eben ſo als er in den hoͤhern
noͤrdlichen Breiten ſeyn ſoll. Aus dieſen Umſtaͤnden ſchließt mein Vater, daß
der ganze Suͤdpol bis auf 20 Grad, mehr oder weniger, mit feſtem Eiſe be-
deckt iſt, und daß nur die aͤußerſten Enden oder Spitzen davon jaͤhrlich durch
Stuͤrme abgebrochen, durch die Sonne geſchmolzen und im Winter wieder erſetzt
werden.
——— Stat glacies iners
Menſes per omnes ——
Horat.
Dieſe Meynung hat um ſo vielmehr Wahrſcheinlichkeit vor ſich, als einer Seits,
zur Hervorbringung des Eiſes nicht nothwendigerweiſe Land erforderlich, und
andrer Seits auch nur wenig Urſach vorhanden iſt zu glauben, daß in dieſem
Erdſtrich einiges Land von betraͤchtlicher Groͤße zu finden ſeyn ſollte.
Von dieſem Eisfelde aus, liefen wir bis zum 5ten Februar mit gelinden
Winde nordwaͤrts; gedachten Tages aber bekamen wir, nach einer kurzen
Windſtille, einen friſchern Wind. Am 6ten ſetzte er ſich um in Suͤd-Oſt, und
ward des Nachts ſo heftig, daß etliche Seegel dabey in Stuͤcken giengen. Da
er uns aber, um noͤrdlich zu gehen, ſehr erwuͤnſcht war, ſo kuͤmmerten wir
uns nicht um ſeine Heftigkeit. Er fuͤhrte uns auch ſo ſchnell fort, daß wir in
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/470>, abgerufen am 16.02.2025.
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