1773. Decem- ber.konnten, darunter manche eine halbe Meile lang und keine von geringern Umfange war als das Schiff. Dies stellte einen großen und fürchterlichen Anblick dar. Es schien, als ob wir die Trümmern einer zerstöhrten Welt, oder, nach den Beschrei- bungen der Dichter gewisse Gegenden der Hölle vor uns sähen, eine Aehnlich- keit die uns um so mehr auffiel, weil von allen Seiten ein unabläßiges Fluchen und Schwören um uns her tönte.
Nachmittags erhob sich ein schwacher Wind, mit dessen Hülfe wir lang- sam nach Norden vorrückten. Die Eis-Inseln verminderten sich in eben der Maaße, als wir uns vom Antarctischen Zirkel entfernten. Des folgenden Mor- gens um 4 Uhr wurden die Boote ausgesetzt um frisches Eis einzunehmen. Kaum waren sie damit fertig, so änderte sich der Wind und brachte aus Nord-Ost Schnee und Hagel mit. Mein Vater und zwölf andre Personen klagten wiederum über rhevmatische Schmerzen und mußten das Bette hüten. Vom Scorbut äußerten sich zwar noch keine gefährliche Anzei- gen, doch mußten ich und alle diejenigen, welche im geringsten damit behaftet zu seyn schienen, zweymal des Tages viel frische und warme Bier-Würze trinken, und der eingesalzuen Speisen uns so viel möglich enthalten. Wenn aber gleich keine förmliche Krankheit unter uns herrschte, so hatten wir doch alle ohne Un- terschied ein sieches, ausgemergeltes Ansehen, das schlimme Folgen anzukündi- gen schien. Capitain Cook selbst war blas und mager, verlohr den Appetit und litt an einer hartnäckigen Verstopfung.
1774. Januar.
Wir steuerten nunmehro nach Norden, so weit und so geschind die Winde es zulassen wollten; und am 1sten Januar 1774. unterm 59 Grade 7 Minu- ten südlicher Breite verlohren wir das Eis gänzlich aus dem Gesicht. Am 4ten blies ein stürmischer Wind von Westen und nöthigte uns alle Seegel doppelt aufzu- reffen oder halb einzunehmen. Die Wellen giengen sehr hoch und warfen das Schiff ganz gewaltig von einer Seite zur andern. Dies unangenehme Wetter dauerte bis zum 6ten Mittags, da wir den 51 Grad südlicher Breite erreichten und mit dem günstigsten Winde nach Nord-Nord-Osten liefen. Wir waren jezt nur wenig Grade von dem Strich, den wir im verwichnen Junius und Julius, auf der Fahrt von Neu-Seeland nach Tahiti gehalten hatten; auch steuerten wir ausdrücklich wieder nach dieser Gegend hin, um keinen ansehnlichen Theil
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. Decem- ber.konnten, darunter manche eine halbe Meile lang und keine von geringern Umfange war als das Schiff. Dies ſtellte einen großen und fuͤrchterlichen Anblick dar. Es ſchien, als ob wir die Truͤmmern einer zerſtoͤhrten Welt, oder, nach den Beſchrei- bungen der Dichter gewiſſe Gegenden der Hoͤlle vor uns ſaͤhen, eine Aehnlich- keit die uns um ſo mehr auffiel, weil von allen Seiten ein unablaͤßiges Fluchen und Schwoͤren um uns her toͤnte.
Nachmittags erhob ſich ein ſchwacher Wind, mit deſſen Huͤlfe wir lang- ſam nach Norden vorruͤckten. Die Eis-Inſeln verminderten ſich in eben der Maaße, als wir uns vom Antarctiſchen Zirkel entfernten. Des folgenden Mor- gens um 4 Uhr wurden die Boote ausgeſetzt um friſches Eis einzunehmen. Kaum waren ſie damit fertig, ſo aͤnderte ſich der Wind und brachte aus Nord-Oſt Schnee und Hagel mit. Mein Vater und zwoͤlf andre Perſonen klagten wiederum uͤber rhevmatiſche Schmerzen und mußten das Bette huͤten. Vom Scorbut aͤußerten ſich zwar noch keine gefaͤhrliche Anzei- gen, doch mußten ich und alle diejenigen, welche im geringſten damit behaftet zu ſeyn ſchienen, zweymal des Tages viel friſche und warme Bier-Wuͤrze trinken, und der eingeſalzuen Speiſen uns ſo viel moͤglich enthalten. Wenn aber gleich keine foͤrmliche Krankheit unter uns herrſchte, ſo hatten wir doch alle ohne Un- terſchied ein ſieches, ausgemergeltes Anſehen, das ſchlimme Folgen anzukuͤndi- gen ſchien. Capitain Cook ſelbſt war blas und mager, verlohr den Appetit und litt an einer hartnaͤckigen Verſtopfung.
1774. Januar.
Wir ſteuerten nunmehro nach Norden, ſo weit und ſo geſchind die Winde es zulaſſen wollten; und am 1ſten Januar 1774. unterm 59 Grade 7 Minu- ten ſuͤdlicher Breite verlohren wir das Eis gaͤnzlich aus dem Geſicht. Am 4ten blies ein ſtuͤrmiſcher Wind von Weſten und noͤthigte uns alle Seegel doppelt aufzu- reffen oder halb einzunehmen. Die Wellen giengen ſehr hoch und warfen das Schiff ganz gewaltig von einer Seite zur andern. Dies unangenehme Wetter dauerte bis zum 6ten Mittags, da wir den 51 Grad ſuͤdlicher Breite erreichten und mit dem guͤnſtigſten Winde nach Nord-Nord-Oſten liefen. Wir waren jezt nur wenig Grade von dem Strich, den wir im verwichnen Junius und Julius, auf der Fahrt von Neu-Seeland nach Tahiti gehalten hatten; auch ſteuerten wir ausdruͤcklich wieder nach dieſer Gegend hin, um keinen anſehnlichen Theil
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Forſter’s Reiſe um die Welt
konnten, darunter manche eine halbe Meile lang und keine von geringern Umfange
war als das Schiff. Dies ſtellte einen großen und fuͤrchterlichen Anblick dar. Es
ſchien, als ob wir die Truͤmmern einer zerſtoͤhrten Welt, oder, nach den Beſchrei-
bungen der Dichter gewiſſe Gegenden der Hoͤlle vor uns ſaͤhen, eine Aehnlich-
keit die uns um ſo mehr auffiel, weil von allen Seiten ein unablaͤßiges Fluchen
und Schwoͤren um uns her toͤnte.
1773.
Decem-
ber.
Nachmittags erhob ſich ein ſchwacher Wind, mit deſſen Huͤlfe wir lang-
ſam nach Norden vorruͤckten. Die Eis-Inſeln verminderten ſich in eben der
Maaße, als wir uns vom Antarctiſchen Zirkel entfernten. Des folgenden Mor-
gens um 4 Uhr wurden die Boote ausgeſetzt um friſches Eis einzunehmen.
Kaum waren ſie damit fertig, ſo aͤnderte ſich der Wind und brachte aus
Nord-Oſt Schnee und Hagel mit. Mein Vater und zwoͤlf andre
Perſonen klagten wiederum uͤber rhevmatiſche Schmerzen und mußten das
Bette huͤten. Vom Scorbut aͤußerten ſich zwar noch keine gefaͤhrliche Anzei-
gen, doch mußten ich und alle diejenigen, welche im geringſten damit behaftet zu
ſeyn ſchienen, zweymal des Tages viel friſche und warme Bier-Wuͤrze trinken,
und der eingeſalzuen Speiſen uns ſo viel moͤglich enthalten. Wenn aber gleich
keine foͤrmliche Krankheit unter uns herrſchte, ſo hatten wir doch alle ohne Un-
terſchied ein ſieches, ausgemergeltes Anſehen, das ſchlimme Folgen anzukuͤndi-
gen ſchien. Capitain Cook ſelbſt war blas und mager, verlohr den Appetit
und litt an einer hartnaͤckigen Verſtopfung.
Wir ſteuerten nunmehro nach Norden, ſo weit und ſo geſchind die Winde
es zulaſſen wollten; und am 1ſten Januar 1774. unterm 59 Grade 7 Minu-
ten ſuͤdlicher Breite verlohren wir das Eis gaͤnzlich aus dem Geſicht. Am 4ten
blies ein ſtuͤrmiſcher Wind von Weſten und noͤthigte uns alle Seegel doppelt aufzu-
reffen oder halb einzunehmen. Die Wellen giengen ſehr hoch und warfen das
Schiff ganz gewaltig von einer Seite zur andern. Dies unangenehme Wetter
dauerte bis zum 6ten Mittags, da wir den 51 Grad ſuͤdlicher Breite erreichten
und mit dem guͤnſtigſten Winde nach Nord-Nord-Oſten liefen. Wir waren jezt
nur wenig Grade von dem Strich, den wir im verwichnen Junius und Julius,
auf der Fahrt von Neu-Seeland nach Tahiti gehalten hatten; auch ſteuerten
wir ausdruͤcklich wieder nach dieſer Gegend hin, um keinen anſehnlichen Theil
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/465>, abgerufen am 01.07.2024.
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