Inseln manche neue Kenntniß, mit deren Hülfe wir bey unsrer Rückkunst wegen1773. Decem- ber. verschiedener Umstände, genauere und richtigere Nachfrage halten konnten, als zuvor.
Am 15ten des Morgens erblickten wir in mehrern Gegenden Eisfelder um uns her; und waren auf gewisse Weise damit so umringt, daß wir keine Mög- lichkeit vor uns sahen, weiter gen Süden zu gehn, sondern vielmehr um wieder ins Freye zu kommen, nach Nord-Nord-Ost steuern mußten. Der Nebel, der sich am Morgen schon gezeigt hatte, ward gegen Mittag immer dicker, dergestalt daß wir von der Menge der Eis-Felsen, die auf allen Seiten um uns her schwam- men, die größte Gefahr zu besorgen hatten. Um 1 Uhr, da die Leute eben Mit- tag hielten, wurden wir durch den plötzlichen Anblick einer großen Eis-Insel, die dicht vor uns lag, in großen Schrecken gesetzt. Es war ganz unmöglich, das Schiff mit oder gegen den Wind herumzudrehen; das einzige, was uns zu thun übrig blieb, war dieses, so dicht als möglich am Winde hin zu laufen, und zu ver- suchen, ob auf die Weise der Gefahr auszuweichen sey. Man kann den- ken, in welcher fürchterlichen Ungewißheit wir die wenigen Minuten zubrachten, ehe sich unser Schicksal entschied, und in der That es war ein bewunderns- würdiges Glück, daß wir ohne Schaden davon kamen, denn die Eismasse blieb im Vorbeyfahren kaum eine Schiffslänge weit von uns entfernt. Dergleichen und andern ähnlichen Gefahren, sahen wir uns auf diesem unbeschifften Ocean alle Au- genblick ausgesetzt, doch waren die Leute bey weiten nicht so verlegen darüber als man hätte vermuthen können. Wie im Treffen der Tod seine Schre- cken verliert, so seegelten auch wir, oft nur eine Handbreit, neben immer neuen Gefahren, ganz unbekümmert dahin, als ob Wind und Wellen und Eis- Felsen nicht vermögend wären, uns Schaden zu thun. Die Eisstücken hatten diesmal wieder eben so verschiedne Formen, als jene, welche wir auf unserer vorjährigen Fahrt, vom Vorgebürge der guten Hoffnung nach Süden herab, ge- sehen hatten. Wir konnten uns wechselsweise Pyramiden, Obelisken, Kirch- thürme und Ruinen dabey vorstellen, und fanden mehrere Stücken darunter, die dem Eisblock, den wir im Jahr 1772. mit dem ersten Eise erblickt hatten,
Forsters Reise u. d. W erster Th. E e e
in den Jahren 1772 bis 1775.
Inſeln manche neue Kenntniß, mit deren Huͤlfe wir bey unſrer Ruͤckkunſt wegen1773. Decem- ber. verſchiedener Umſtaͤnde, genauere und richtigere Nachfrage halten konnten, als zuvor.
Am 15ten des Morgens erblickten wir in mehrern Gegenden Eisfelder um uns her; und waren auf gewiſſe Weiſe damit ſo umringt, daß wir keine Moͤg- lichkeit vor uns ſahen, weiter gen Suͤden zu gehn, ſondern vielmehr um wieder ins Freye zu kommen, nach Nord-Nord-Oſt ſteuern mußten. Der Nebel, der ſich am Morgen ſchon gezeigt hatte, ward gegen Mittag immer dicker, dergeſtalt daß wir von der Menge der Eis-Felſen, die auf allen Seiten um uns her ſchwam- men, die groͤßte Gefahr zu beſorgen hatten. Um 1 Uhr, da die Leute eben Mit- tag hielten, wurden wir durch den ploͤtzlichen Anblick einer großen Eis-Inſel, die dicht vor uns lag, in großen Schrecken geſetzt. Es war ganz unmoͤglich, das Schiff mit oder gegen den Wind herumzudrehen; das einzige, was uns zu thun uͤbrig blieb, war dieſes, ſo dicht als moͤglich am Winde hin zu laufen, und zu ver- ſuchen, ob auf die Weiſe der Gefahr auszuweichen ſey. Man kann den- ken, in welcher fuͤrchterlichen Ungewißheit wir die wenigen Minuten zubrachten, ehe ſich unſer Schickſal entſchied, und in der That es war ein bewunderns- wuͤrdiges Gluͤck, daß wir ohne Schaden davon kamen, denn die Eismaſſe blieb im Vorbeyfahren kaum eine Schiffslaͤnge weit von uns entfernt. Dergleichen und andern aͤhnlichen Gefahren, ſahen wir uns auf dieſem unbeſchifften Ocean alle Au- genblick ausgeſetzt, doch waren die Leute bey weiten nicht ſo verlegen daruͤber als man haͤtte vermuthen koͤnnen. Wie im Treffen der Tod ſeine Schre- cken verliert, ſo ſeegelten auch wir, oft nur eine Handbreit, neben immer neuen Gefahren, ganz unbekuͤmmert dahin, als ob Wind und Wellen und Eis- Felſen nicht vermoͤgend waͤren, uns Schaden zu thun. Die Eisſtuͤcken hatten diesmal wieder eben ſo verſchiedne Formen, als jene, welche wir auf unſerer vorjaͤhrigen Fahrt, vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung nach Suͤden herab, ge- ſehen hatten. Wir konnten uns wechſelsweiſe Pyramiden, Obelisken, Kirch- thuͤrme und Ruinen dabey vorſtellen, und fanden mehrere Stuͤcken darunter, die dem Eisblock, den wir im Jahr 1772. mit dem erſten Eiſe erblickt hatten,
Forſters Reiſe u. d. W erſter Th. E e e
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in den Jahren 1772 bis 1775.
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verſchiedener Umſtaͤnde, genauere und richtigere Nachfrage halten konnten,
als zuvor.
1773.
Decem-
ber.
Am 15ten des Morgens erblickten wir in mehrern Gegenden Eisfelder
um uns her; und waren auf gewiſſe Weiſe damit ſo umringt, daß wir keine Moͤg-
lichkeit vor uns ſahen, weiter gen Suͤden zu gehn, ſondern vielmehr um
wieder ins Freye zu kommen, nach Nord-Nord-Oſt ſteuern mußten. Der Nebel, der
ſich am Morgen ſchon gezeigt hatte, ward gegen Mittag immer dicker, dergeſtalt
daß wir von der Menge der Eis-Felſen, die auf allen Seiten um uns her ſchwam-
men, die groͤßte Gefahr zu beſorgen hatten. Um 1 Uhr, da die Leute eben Mit-
tag hielten, wurden wir durch den ploͤtzlichen Anblick einer großen Eis-Inſel,
die dicht vor uns lag, in großen Schrecken geſetzt. Es war ganz unmoͤglich, das
Schiff mit oder gegen den Wind herumzudrehen; das einzige, was uns zu thun
uͤbrig blieb, war dieſes, ſo dicht als moͤglich am Winde hin zu laufen, und zu ver-
ſuchen, ob auf die Weiſe der Gefahr auszuweichen ſey. Man kann den-
ken, in welcher fuͤrchterlichen Ungewißheit wir die wenigen Minuten zubrachten,
ehe ſich unſer Schickſal entſchied, und in der That es war ein bewunderns-
wuͤrdiges Gluͤck, daß wir ohne Schaden davon kamen, denn die Eismaſſe blieb
im Vorbeyfahren kaum eine Schiffslaͤnge weit von uns entfernt. Dergleichen und
andern aͤhnlichen Gefahren, ſahen wir uns auf dieſem unbeſchifften Ocean alle Au-
genblick ausgeſetzt, doch waren die Leute bey weiten nicht ſo verlegen daruͤber
als man haͤtte vermuthen koͤnnen. Wie im Treffen der Tod ſeine Schre-
cken verliert, ſo ſeegelten auch wir, oft nur eine Handbreit, neben immer
neuen Gefahren, ganz unbekuͤmmert dahin, als ob Wind und Wellen und Eis-
Felſen nicht vermoͤgend waͤren, uns Schaden zu thun. Die Eisſtuͤcken hatten
diesmal wieder eben ſo verſchiedne Formen, als jene, welche wir auf unſerer
vorjaͤhrigen Fahrt, vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung nach Suͤden herab, ge-
ſehen hatten. Wir konnten uns wechſelsweiſe Pyramiden, Obelisken, Kirch-
thuͤrme und Ruinen dabey vorſtellen, und fanden mehrere Stuͤcken darunter,
die dem Eisblock, den wir im Jahr 1772. mit dem erſten Eiſe erblickt hatten,
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/460>, abgerufen am 25.11.2024.
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