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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Novem-
ber.
eine Bay, die weit ins Land hinauf zu reichen schien. Die Ufer derselben waren
durchgehends flach, und ließen vermuthen, daß rings umher eine beträchtliche Ebe-
ne vorhanden seyn müsse, hauptsächlich am hintersten Ende, woselbst die Berge
so weit entfernt lagen, daß man kaum die Gipfel entdecken konnte. Sollte die
Bay für große Schiffe tief genug seyn, woran wohl nicht zu zweifeln ist; so
wäre dieser Platz zur Anlegung einer Colonie ganz vorzüglich bequem. Denn man
fände hier einen großen Strich bauwürdigen Landes vor sich, der mit genugsamer
Waldung, vermuthlich auch mit einem schiffbaren Strom versehen ist, und, seiner
Lage nach, in den besten Vertheidigungsstand gesetzt werden könnte. Da diese
Gegend auch nicht sonderlich bewohnt zu seyn scheint, so würde desto weniger Ge-
legenheit zu Streitigkeiten mit den Eingebohrnen vorhanden seyn. Vortheile, die
sich an andern Stellen von Neu-Seeland wohl selten so glücklich vereinigt
finden dürften. Der Flachs (phormium tenax,) wovon die Einwohner
ihre Kleider, Matten, Stricke und Netze verfertigen, ist von so vortreflichem
Glanz, Elasticität und Stärke, daß die neue Colonie schon mit diesem einzigen
Artikel einen beträchtlichen Handel nach Indien treiben könnte, weil dort Taue und
Seegeltuch in sehr hohen Preisen stehen. Vielleicht werden die Europäer, wenn sie
dereinst ihre americanischen Colonien verloren haben, auf neue Niederlassungen in
entferntern Ländern bedacht seyn; mögte nur alsdenn der Geist der ehemaligen Ent-
decker nicht mehr auf ihnen ruhen! mögten sie die einheimischen Bewohner der
Süd-See als ihre Brüder ansehen, und ihren Zeitgenossen zeigen, daß man
Colonien anlegen könne, ohne sie mit dem Blut unschuldiger Nationen befle-
cken zu dürfen!

Auch jenseits dieser Bay fuhren wir noch immer fort Kanonen abzu-
feuern, aber alle Versuche unsre Begleiterien wieder zu finden, waren umsonst.
Es erfolgte keine Antwort auf unsre Signale, ob wir gleich mit einer Aufmerk-
samkeit und Sehnsucht darnach lauschten, aus denen sich deutlich genug abneh-
men ließ, wie ungern wir, ohne Gesellschaft, den zahllosen Gefahren eines
zweyten Zuges gen Süden entgegen giengen. Am folgenden Morgen erreichten
wir die Ausfahrt aus der Straße, liefen um das Cap Palliser herum und nordwärts
an der Küste hinauf, noch immer in Hoffnung die Adventure hier irgendwo an-
zutreffen. Da uns aber auch diese Erwartung fehl schlug; so gaben wir alle Ge-

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Novem-
ber.
eine Bay, die weit ins Land hinauf zu reichen ſchien. Die Ufer derſelben waren
durchgehends flach, und ließen vermuthen, daß rings umher eine betraͤchtliche Ebe-
ne vorhanden ſeyn muͤſſe, hauptſaͤchlich am hinterſten Ende, woſelbſt die Berge
ſo weit entfernt lagen, daß man kaum die Gipfel entdecken konnte. Sollte die
Bay fuͤr große Schiffe tief genug ſeyn, woran wohl nicht zu zweifeln iſt; ſo
waͤre dieſer Platz zur Anlegung einer Colonie ganz vorzuͤglich bequem. Denn man
faͤnde hier einen großen Strich bauwuͤrdigen Landes vor ſich, der mit genugſamer
Waldung, vermuthlich auch mit einem ſchiffbaren Strom verſehen iſt, und, ſeiner
Lage nach, in den beſten Vertheidigungsſtand geſetzt werden koͤnnte. Da dieſe
Gegend auch nicht ſonderlich bewohnt zu ſeyn ſcheint, ſo wuͤrde deſto weniger Ge-
legenheit zu Streitigkeiten mit den Eingebohrnen vorhanden ſeyn. Vortheile, die
ſich an andern Stellen von Neu-Seeland wohl ſelten ſo gluͤcklich vereinigt
finden duͤrften. Der Flachs (phormium tenax,) wovon die Einwohner
ihre Kleider, Matten, Stricke und Netze verfertigen, iſt von ſo vortreflichem
Glanz, Elaſticitaͤt und Staͤrke, daß die neue Colonie ſchon mit dieſem einzigen
Artikel einen betraͤchtlichen Handel nach Indien treiben koͤnnte, weil dort Taue und
Seegeltuch in ſehr hohen Preiſen ſtehen. Vielleicht werden die Europaͤer, wenn ſie
dereinſt ihre americaniſchen Colonien verloren haben, auf neue Niederlaſſungen in
entferntern Laͤndern bedacht ſeyn; moͤgte nur alsdenn der Geiſt der ehemaligen Ent-
decker nicht mehr auf ihnen ruhen! moͤgten ſie die einheimiſchen Bewohner der
Suͤd-See als ihre Bruͤder anſehen, und ihren Zeitgenoſſen zeigen, daß man
Colonien anlegen koͤnne, ohne ſie mit dem Blut unſchuldiger Nationen befle-
cken zu duͤrfen!

Auch jenſeits dieſer Bay fuhren wir noch immer fort Kanonen abzu-
feuern, aber alle Verſuche unſre Begleiterien wieder zu finden, waren umſonſt.
Es erfolgte keine Antwort auf unſre Signale, ob wir gleich mit einer Aufmerk-
ſamkeit und Sehnſucht darnach lauſchten, aus denen ſich deutlich genug abneh-
men ließ, wie ungern wir, ohne Geſellſchaft, den zahlloſen Gefahren eines
zweyten Zuges gen Suͤden entgegen giengen. Am folgenden Morgen erreichten
wir die Ausfahrt aus der Straße, liefen um das Cap Palliſer herum und nordwaͤrts
an der Kuͤſte hinauf, noch immer in Hoffnung die Adventure hier irgendwo an-
zutreffen. Da uns aber auch dieſe Erwartung fehl ſchlug; ſo gaben wir alle Ge-

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[394/0453] Forſter’s Reiſe um die Welt eine Bay, die weit ins Land hinauf zu reichen ſchien. Die Ufer derſelben waren durchgehends flach, und ließen vermuthen, daß rings umher eine betraͤchtliche Ebe- ne vorhanden ſeyn muͤſſe, hauptſaͤchlich am hinterſten Ende, woſelbſt die Berge ſo weit entfernt lagen, daß man kaum die Gipfel entdecken konnte. Sollte die Bay fuͤr große Schiffe tief genug ſeyn, woran wohl nicht zu zweifeln iſt; ſo waͤre dieſer Platz zur Anlegung einer Colonie ganz vorzuͤglich bequem. Denn man faͤnde hier einen großen Strich bauwuͤrdigen Landes vor ſich, der mit genugſamer Waldung, vermuthlich auch mit einem ſchiffbaren Strom verſehen iſt, und, ſeiner Lage nach, in den beſten Vertheidigungsſtand geſetzt werden koͤnnte. Da dieſe Gegend auch nicht ſonderlich bewohnt zu ſeyn ſcheint, ſo wuͤrde deſto weniger Ge- legenheit zu Streitigkeiten mit den Eingebohrnen vorhanden ſeyn. Vortheile, die ſich an andern Stellen von Neu-Seeland wohl ſelten ſo gluͤcklich vereinigt finden duͤrften. Der Flachs (phormium tenax,) wovon die Einwohner ihre Kleider, Matten, Stricke und Netze verfertigen, iſt von ſo vortreflichem Glanz, Elaſticitaͤt und Staͤrke, daß die neue Colonie ſchon mit dieſem einzigen Artikel einen betraͤchtlichen Handel nach Indien treiben koͤnnte, weil dort Taue und Seegeltuch in ſehr hohen Preiſen ſtehen. Vielleicht werden die Europaͤer, wenn ſie dereinſt ihre americaniſchen Colonien verloren haben, auf neue Niederlaſſungen in entferntern Laͤndern bedacht ſeyn; moͤgte nur alsdenn der Geiſt der ehemaligen Ent- decker nicht mehr auf ihnen ruhen! moͤgten ſie die einheimiſchen Bewohner der Suͤd-See als ihre Bruͤder anſehen, und ihren Zeitgenoſſen zeigen, daß man Colonien anlegen koͤnne, ohne ſie mit dem Blut unſchuldiger Nationen befle- cken zu duͤrfen! 1773. Novem- ber. Auch jenſeits dieſer Bay fuhren wir noch immer fort Kanonen abzu- feuern, aber alle Verſuche unſre Begleiterien wieder zu finden, waren umſonſt. Es erfolgte keine Antwort auf unſre Signale, ob wir gleich mit einer Aufmerk- ſamkeit und Sehnſucht darnach lauſchten, aus denen ſich deutlich genug abneh- men ließ, wie ungern wir, ohne Geſellſchaft, den zahlloſen Gefahren eines zweyten Zuges gen Suͤden entgegen giengen. Am folgenden Morgen erreichten wir die Ausfahrt aus der Straße, liefen um das Cap Palliſer herum und nordwaͤrts an der Kuͤſte hinauf, noch immer in Hoffnung die Adventure hier irgendwo an- zutreffen. Da uns aber auch dieſe Erwartung fehl ſchlug; ſo gaben wir alle Ge-

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/453>, abgerufen am 22.11.2024.