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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Novem-
ber.
Manne eben so treu und ergeben, als ob er ein Neu-Seeländer gewesen wäre.
Sie verwarf die Anträge andrer Seeleute, mit dem Ausdruck, sie sey eine ver-
heirathete Person (tirra-tane.) So gern aber der Engländer sie auch leiden
mogte, so brachte er sie doch nie an Bord, und in der That wäre dort, für die
zahlreiche Gesellschaft die auf ihren Kleidern und in den Haaren haufenweise
herumkroch, nicht füglich Platz gewesen. Er besuchte sie also nur den Tag über,
am Lande, und trug ihr gemeiniglich den ausrangirten verdorbnen Schiffszwie-
back zu, den sie und ihre Landesleute immer noch als einen Leckerbissen mit
großer Begierde verzehrten. Maheine von Borabora, unser indianischer
Reisegefährte, war in seinem Vaterlande so sehr gewöhnt, jedem Ruf der Na-
tur zu folgen, daß er gar kein Bedenken trug, ihrer Stimme auch in Neu-
Seeland
Gehör zu geben. Er sahe freylich wohl, daß die Frauenspersonen
hier weder so schön noch so artig waren als in seinem Vaterlande; allein die Stärke
des Instincts brachte seine Delicatesse zum Schweigen und das ist wohl um so we-
niger zu verwundern, da es die gesittetern Europäer selbst nicht besser machten.
In jedem andern Betracht waren seine Gesinnungen und sein Betragen gegen
die Neu-Seeländer desto untadelhafter. Er bemerkte ganz richtig, daß sie
weit übler dran wären, als die Bewohner der tropischen Inseln, und wenn er
uns vergleichungsweise die Vortheile herrechnete, welche diese vor jenen voraus
hätten; so unterließ er niemals sie deshalb herzlich zu bedauren. Wie ernstlich er
es hierinn meynte, das zeigte er auch bey allen Gelegenheiten durch die That.
So theilte er z. B. den Leuten die uns am Cap Blake besuchten, aus seinem
eignen Vorrath, Yamwurzeln mit, und wenn der Capitain ausgieng, um ein
Stück Land zu besäen oder zu bepflanzen, so war er allemal als ein treuer Gehülfe
dabey zugegen. Ihre Sprache verstand er zwar nicht genugsam, um sich so geläu-
fig mit ihnen unterreden zu können, als vom Tupaia erzählt wird; doch begrif er
bald mehr von derselben, als irgend sonst einer an Bord, und dazu war ihm na-
türlicherweise die Analogie mit seiner Muttersprache sehr behülflich. Wir selbst
verstanden jetzt, nachdem wir uns eine Zeitlang in den tropischen Inseln aufge-
halten hatten, den Neu-Seeländischen Dialect weit besser als zuvor, denn er
hat ungemein viel Aehnlichkeit mit der Sprache auf den freundschaftlichen In-
seln
, von denen wir so eben herkamen. Dergleichen kleine Umstände verdienen

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Novem-
ber.
Manne eben ſo treu und ergeben, als ob er ein Neu-Seelaͤnder geweſen waͤre.
Sie verwarf die Antraͤge andrer Seeleute, mit dem Ausdruck, ſie ſey eine ver-
heirathete Perſon (tirra-tàne.) So gern aber der Englaͤnder ſie auch leiden
mogte, ſo brachte er ſie doch nie an Bord, und in der That waͤre dort, fuͤr die
zahlreiche Geſellſchaft die auf ihren Kleidern und in den Haaren haufenweiſe
herumkroch, nicht fuͤglich Platz geweſen. Er beſuchte ſie alſo nur den Tag uͤber,
am Lande, und trug ihr gemeiniglich den ausrangirten verdorbnen Schiffszwie-
back zu, den ſie und ihre Landesleute immer noch als einen Leckerbiſſen mit
großer Begierde verzehrten. Maheine von Borabora, unſer indianiſcher
Reiſegefaͤhrte, war in ſeinem Vaterlande ſo ſehr gewoͤhnt, jedem Ruf der Na-
tur zu folgen, daß er gar kein Bedenken trug, ihrer Stimme auch in Neu-
Seeland
Gehoͤr zu geben. Er ſahe freylich wohl, daß die Frauensperſonen
hier weder ſo ſchoͤn noch ſo artig waren als in ſeinem Vaterlande; allein die Staͤrke
des Inſtincts brachte ſeine Delicateſſe zum Schweigen und das iſt wohl um ſo we-
niger zu verwundern, da es die geſittetern Europaͤer ſelbſt nicht beſſer machten.
In jedem andern Betracht waren ſeine Geſinnungen und ſein Betragen gegen
die Neu-Seelaͤnder deſto untadelhafter. Er bemerkte ganz richtig, daß ſie
weit uͤbler dran waͤren, als die Bewohner der tropiſchen Inſeln, und wenn er
uns vergleichungsweiſe die Vortheile herrechnete, welche dieſe vor jenen voraus
haͤtten; ſo unterließ er niemals ſie deshalb herzlich zu bedauren. Wie ernſtlich er
es hierinn meynte, das zeigte er auch bey allen Gelegenheiten durch die That.
So theilte er z. B. den Leuten die uns am Cap Blake beſuchten, aus ſeinem
eignen Vorrath, Yamwurzeln mit, und wenn der Capitain ausgieng, um ein
Stuͤck Land zu beſaͤen oder zu bepflanzen, ſo war er allemal als ein treuer Gehuͤlfe
dabey zugegen. Ihre Sprache verſtand er zwar nicht genugſam, um ſich ſo gelaͤu-
fig mit ihnen unterreden zu koͤnnen, als vom Tupaia erzaͤhlt wird; doch begrif er
bald mehr von derſelben, als irgend ſonſt einer an Bord, und dazu war ihm na-
tuͤrlicherweiſe die Analogie mit ſeiner Mutterſprache ſehr behuͤlflich. Wir ſelbſt
verſtanden jetzt, nachdem wir uns eine Zeitlang in den tropiſchen Inſeln aufge-
halten hatten, den Neu-Seelaͤndiſchen Dialect weit beſſer als zuvor, denn er
hat ungemein viel Aehnlichkeit mit der Sprache auf den freundſchaftlichen In-
ſeln
, von denen wir ſo eben herkamen. Dergleichen kleine Umſtaͤnde verdienen

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[380/0439] Forſter’s Reiſe um die Welt Manne eben ſo treu und ergeben, als ob er ein Neu-Seelaͤnder geweſen waͤre. Sie verwarf die Antraͤge andrer Seeleute, mit dem Ausdruck, ſie ſey eine ver- heirathete Perſon (tirra-tàne.) So gern aber der Englaͤnder ſie auch leiden mogte, ſo brachte er ſie doch nie an Bord, und in der That waͤre dort, fuͤr die zahlreiche Geſellſchaft die auf ihren Kleidern und in den Haaren haufenweiſe herumkroch, nicht fuͤglich Platz geweſen. Er beſuchte ſie alſo nur den Tag uͤber, am Lande, und trug ihr gemeiniglich den ausrangirten verdorbnen Schiffszwie- back zu, den ſie und ihre Landesleute immer noch als einen Leckerbiſſen mit großer Begierde verzehrten. Maheine von Borabora, unſer indianiſcher Reiſegefaͤhrte, war in ſeinem Vaterlande ſo ſehr gewoͤhnt, jedem Ruf der Na- tur zu folgen, daß er gar kein Bedenken trug, ihrer Stimme auch in Neu- Seeland Gehoͤr zu geben. Er ſahe freylich wohl, daß die Frauensperſonen hier weder ſo ſchoͤn noch ſo artig waren als in ſeinem Vaterlande; allein die Staͤrke des Inſtincts brachte ſeine Delicateſſe zum Schweigen und das iſt wohl um ſo we- niger zu verwundern, da es die geſittetern Europaͤer ſelbſt nicht beſſer machten. In jedem andern Betracht waren ſeine Geſinnungen und ſein Betragen gegen die Neu-Seelaͤnder deſto untadelhafter. Er bemerkte ganz richtig, daß ſie weit uͤbler dran waͤren, als die Bewohner der tropiſchen Inſeln, und wenn er uns vergleichungsweiſe die Vortheile herrechnete, welche dieſe vor jenen voraus haͤtten; ſo unterließ er niemals ſie deshalb herzlich zu bedauren. Wie ernſtlich er es hierinn meynte, das zeigte er auch bey allen Gelegenheiten durch die That. So theilte er z. B. den Leuten die uns am Cap Blake beſuchten, aus ſeinem eignen Vorrath, Yamwurzeln mit, und wenn der Capitain ausgieng, um ein Stuͤck Land zu beſaͤen oder zu bepflanzen, ſo war er allemal als ein treuer Gehuͤlfe dabey zugegen. Ihre Sprache verſtand er zwar nicht genugſam, um ſich ſo gelaͤu- fig mit ihnen unterreden zu koͤnnen, als vom Tupaia erzaͤhlt wird; doch begrif er bald mehr von derſelben, als irgend ſonſt einer an Bord, und dazu war ihm na- tuͤrlicherweiſe die Analogie mit ſeiner Mutterſprache ſehr behuͤlflich. Wir ſelbſt verſtanden jetzt, nachdem wir uns eine Zeitlang in den tropiſchen Inſeln aufge- halten hatten, den Neu-Seelaͤndiſchen Dialect weit beſſer als zuvor, denn er hat ungemein viel Aehnlichkeit mit der Sprache auf den freundſchaftlichen In- ſeln, von denen wir ſo eben herkamen. Dergleichen kleine Umſtaͤnde verdienen 1773. Novem- ber.

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/439>, abgerufen am 22.11.2024.