Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Forster's Reise um die Welt
1773.
October.selbst er im Grase saß. Er nahm diese Sachen mit jener finstern Ehrbarkeit an,
die wir nun schon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einzigesmal
ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit Attagha lächeln sahe. Unter dem
versammleten Volke bemerkten wir einen Mann, der, dem eingeführten Landes-
gebrauch zuwider, sein Haar hatte wachsen lassen, welches in verschiedne dicke Kno-
ten aufgeschürzt war, die ihm wild um die Ohren hiengen. Dieser Mann und ein
junges Mädchen, dessen S. 356. gedacht worden, waren die einzigen, welche
das Haar nicht kurzgeschnitten trugen.

Wir hielten uns nicht lange bey den Einwohnern auf, sondern kehrten
bald an Bord zurück, und gleich nach eingenommenen Frühstück wurden die An-
ker gelichtet. Indessen lagen die verschiedentlich eingekauften Lebensmittel noch
auf dem Verdeck so unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See stechen konn-
ten, sondern unter der Insel beylegen mußten. Endlich gegen Abend, da
alles über Seite geräumt war, giengen wir unter Seegel und steuerten gen
Süden.

Am folgenden Morgen, als am achten October, hatten wir Windstille. Wäh-
rend derselben ward ein Hayfisch von 8 Fus gefangen, welches der größte war,
den wir bisher gesehen. Nachmittags erblickten wir die kleine Insel, welche Tas-
mann, Pylstaerts-Eyland nennt. Er gab ihr diesen Namen wegen einer
gewissen Art von Vögeln, die ihm hier zu Gesicht kamen, und allem Vermuthen
nach, tropische Vögel gewesen seyn müssen, denn Pylstaert bedeutet buchstäblich
so viel als Pfeil-Schwanz, und bezieht sich auf die zwey langen, hervorstehen-
den Schwanzfedern dieses Vogels, um deren willen ihn die Franzosen paille
en queue nennen. *) Gedachte Insel liegt unter dem 22sten Grad 26 Minu-
ten südlicher Breite und im 170sten Grad 59 Minuten westlicher Länge. Das
Land ist eben nicht flach, vorzüglich befinden sich zwey Anhöhen darauf, deren süd-
lichste die beträchtlichste ist. Gegen Abend bekamen wir widrigen Wind aus
Südwest, der zwey Tage lang anhielt, und uns diese Zeit über, in der Nach-
barschaft jener kleinen Insel zu laviren nöthigte. Am zehnten aber stellte sich
der Passatwind wieder ein, und brachte uns so schnell fort, daß um 2 Uhr
Nachmittags die Insel schon nicht mehr zu sehen war. Nunmehro verließen wir

*) S. Dalrymples. Collection Vol. II. pag. 75. wo sie wilde Endten genannt werden.

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
October.ſelbſt er im Graſe ſaß. Er nahm dieſe Sachen mit jener finſtern Ehrbarkeit an,
die wir nun ſchon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einzigesmal
ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit Attagha laͤcheln ſahe. Unter dem
verſammleten Volke bemerkten wir einen Mann, der, dem eingefuͤhrten Landes-
gebrauch zuwider, ſein Haar hatte wachſen laſſen, welches in verſchiedne dicke Kno-
ten aufgeſchuͤrzt war, die ihm wild um die Ohren hiengen. Dieſer Mann und ein
junges Maͤdchen, deſſen S. 356. gedacht worden, waren die einzigen, welche
das Haar nicht kurzgeſchnitten trugen.

Wir hielten uns nicht lange bey den Einwohnern auf, ſondern kehrten
bald an Bord zuruͤck, und gleich nach eingenommenen Fruͤhſtuͤck wurden die An-
ker gelichtet. Indeſſen lagen die verſchiedentlich eingekauften Lebensmittel noch
auf dem Verdeck ſo unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See ſtechen konn-
ten, ſondern unter der Inſel beylegen mußten. Endlich gegen Abend, da
alles uͤber Seite geraͤumt war, giengen wir unter Seegel und ſteuerten gen
Suͤden.

Am folgenden Morgen, als am achten October, hatten wir Windſtille. Waͤh-
rend derſelben ward ein Hayfiſch von 8 Fus gefangen, welches der groͤßte war,
den wir bisher geſehen. Nachmittags erblickten wir die kleine Inſel, welche Tas-
mann, Pylſtaerts-Eyland nennt. Er gab ihr dieſen Namen wegen einer
gewiſſen Art von Voͤgeln, die ihm hier zu Geſicht kamen, und allem Vermuthen
nach, tropiſche Voͤgel geweſen ſeyn muͤſſen, denn Pylſtaert bedeutet buchſtaͤblich
ſo viel als Pfeil-Schwanz, und bezieht ſich auf die zwey langen, hervorſtehen-
den Schwanzfedern dieſes Vogels, um deren willen ihn die Franzoſen paille
en queue nennen. *) Gedachte Inſel liegt unter dem 22ſten Grad 26 Minu-
ten ſuͤdlicher Breite und im 170ſten Grad 59 Minuten weſtlicher Laͤnge. Das
Land iſt eben nicht flach, vorzuͤglich befinden ſich zwey Anhoͤhen darauf, deren ſuͤd-
lichſte die betraͤchtlichſte iſt. Gegen Abend bekamen wir widrigen Wind aus
Suͤdweſt, der zwey Tage lang anhielt, und uns dieſe Zeit uͤber, in der Nach-
barſchaft jener kleinen Inſel zu laviren noͤthigte. Am zehnten aber ſtellte ſich
der Paſſatwind wieder ein, und brachte uns ſo ſchnell fort, daß um 2 Uhr
Nachmittags die Inſel ſchon nicht mehr zu ſehen war. Nunmehro verließen wir

*) S. Dalrymples. Collection Vol. II. pag. 75. wo ſie wilde Endten genannt werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0421" n="362"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>For&#x017F;ter&#x2019;s</persName> Rei&#x017F;e um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/>
October.</note>&#x017F;elb&#x017F;t er im Gra&#x017F;e &#x017F;aß. Er nahm die&#x017F;e Sachen mit jener fin&#x017F;tern Ehrbarkeit an,<lb/>
die wir nun &#x017F;chon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einzigesmal<lb/>
ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit <hi rendition="#fr"><persName>Attagha</persName></hi> la&#x0364;cheln &#x017F;ahe. Unter dem<lb/>
ver&#x017F;ammleten Volke bemerkten wir einen Mann, der, dem eingefu&#x0364;hrten Landes-<lb/>
gebrauch zuwider, &#x017F;ein Haar hatte wach&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en, welches in ver&#x017F;chiedne dicke Kno-<lb/>
ten aufge&#x017F;chu&#x0364;rzt war, die ihm wild um die Ohren hiengen. Die&#x017F;er Mann und ein<lb/>
junges Ma&#x0364;dchen, de&#x017F;&#x017F;en S. 356. gedacht worden, waren die einzigen, welche<lb/>
das Haar nicht kurzge&#x017F;chnitten trugen.</p><lb/>
        <p>Wir hielten uns nicht lange bey den Einwohnern auf, &#x017F;ondern kehrten<lb/>
bald an Bord zuru&#x0364;ck, und gleich nach eingenommenen Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck wurden die An-<lb/>
ker gelichtet. Inde&#x017F;&#x017F;en lagen die ver&#x017F;chiedentlich eingekauften Lebensmittel noch<lb/>
auf dem Verdeck &#x017F;o unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See &#x017F;techen konn-<lb/>
ten, &#x017F;ondern unter der In&#x017F;el beylegen mußten. Endlich gegen Abend, da<lb/>
alles u&#x0364;ber Seite gera&#x0364;umt war, giengen wir unter Seegel und &#x017F;teuerten gen<lb/>
Su&#x0364;den.</p><lb/>
        <p>Am folgenden Morgen, als am achten October, hatten wir Wind&#x017F;tille. Wa&#x0364;h-<lb/>
rend der&#x017F;elben ward ein Hayfi&#x017F;ch von 8 Fus gefangen, welches der gro&#x0364;ßte war,<lb/>
den wir bisher ge&#x017F;ehen. Nachmittags erblickten wir die kleine In&#x017F;el, welche <hi rendition="#fr"><persName>Tas-<lb/>
mann</persName>, </hi><placeName><hi rendition="#fr">Pyl&#x017F;taerts</hi>-Eyland</placeName> nennt. Er gab ihr die&#x017F;en Namen wegen einer<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en Art von Vo&#x0364;geln, die ihm hier zu Ge&#x017F;icht kamen, und allem Vermuthen<lb/>
nach, tropi&#x017F;che Vo&#x0364;gel gewe&#x017F;en &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, denn <hi rendition="#fr">Pyl&#x017F;taert</hi> bedeutet buch&#x017F;ta&#x0364;blich<lb/>
&#x017F;o viel als Pfeil-Schwanz, und bezieht &#x017F;ich auf die zwey langen, hervor&#x017F;tehen-<lb/>
den Schwanzfedern die&#x017F;es Vogels, um deren willen ihn die Franzo&#x017F;en <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">paille<lb/>
en queue</hi></hi> nennen. <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i"><persName>Dalrymples</persName>. Collection</hi> Vol. II. pag.</hi> 75. wo &#x017F;ie wilde Endten genannt werden.</note> Gedachte In&#x017F;el liegt unter dem 22&#x017F;ten Grad 26 Minu-<lb/>
ten &#x017F;u&#x0364;dlicher Breite und im 170&#x017F;ten Grad 59 Minuten we&#x017F;tlicher La&#x0364;nge. Das<lb/>
Land i&#x017F;t eben nicht flach, vorzu&#x0364;glich befinden &#x017F;ich zwey Anho&#x0364;hen darauf, deren &#x017F;u&#x0364;d-<lb/>
lich&#x017F;te die betra&#x0364;chtlich&#x017F;te i&#x017F;t. Gegen Abend bekamen wir widrigen Wind aus<lb/>
Su&#x0364;dwe&#x017F;t, der zwey Tage lang anhielt, und uns die&#x017F;e Zeit u&#x0364;ber, in der Nach-<lb/>
bar&#x017F;chaft jener kleinen In&#x017F;el zu laviren no&#x0364;thigte. Am zehnten aber &#x017F;tellte &#x017F;ich<lb/>
der Pa&#x017F;&#x017F;atwind wieder ein, und brachte uns &#x017F;o &#x017F;chnell fort, daß um 2 Uhr<lb/>
Nachmittags die In&#x017F;el &#x017F;chon nicht mehr zu &#x017F;ehen war. Nunmehro verließen wir<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0421] Forſter’s Reiſe um die Welt ſelbſt er im Graſe ſaß. Er nahm dieſe Sachen mit jener finſtern Ehrbarkeit an, die wir nun ſchon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einzigesmal ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit Attagha laͤcheln ſahe. Unter dem verſammleten Volke bemerkten wir einen Mann, der, dem eingefuͤhrten Landes- gebrauch zuwider, ſein Haar hatte wachſen laſſen, welches in verſchiedne dicke Kno- ten aufgeſchuͤrzt war, die ihm wild um die Ohren hiengen. Dieſer Mann und ein junges Maͤdchen, deſſen S. 356. gedacht worden, waren die einzigen, welche das Haar nicht kurzgeſchnitten trugen. 1773. October. Wir hielten uns nicht lange bey den Einwohnern auf, ſondern kehrten bald an Bord zuruͤck, und gleich nach eingenommenen Fruͤhſtuͤck wurden die An- ker gelichtet. Indeſſen lagen die verſchiedentlich eingekauften Lebensmittel noch auf dem Verdeck ſo unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See ſtechen konn- ten, ſondern unter der Inſel beylegen mußten. Endlich gegen Abend, da alles uͤber Seite geraͤumt war, giengen wir unter Seegel und ſteuerten gen Suͤden. Am folgenden Morgen, als am achten October, hatten wir Windſtille. Waͤh- rend derſelben ward ein Hayfiſch von 8 Fus gefangen, welches der groͤßte war, den wir bisher geſehen. Nachmittags erblickten wir die kleine Inſel, welche Tas- mann, Pylſtaerts-Eyland nennt. Er gab ihr dieſen Namen wegen einer gewiſſen Art von Voͤgeln, die ihm hier zu Geſicht kamen, und allem Vermuthen nach, tropiſche Voͤgel geweſen ſeyn muͤſſen, denn Pylſtaert bedeutet buchſtaͤblich ſo viel als Pfeil-Schwanz, und bezieht ſich auf die zwey langen, hervorſtehen- den Schwanzfedern dieſes Vogels, um deren willen ihn die Franzoſen paille en queue nennen. *) Gedachte Inſel liegt unter dem 22ſten Grad 26 Minu- ten ſuͤdlicher Breite und im 170ſten Grad 59 Minuten weſtlicher Laͤnge. Das Land iſt eben nicht flach, vorzuͤglich befinden ſich zwey Anhoͤhen darauf, deren ſuͤd- lichſte die betraͤchtlichſte iſt. Gegen Abend bekamen wir widrigen Wind aus Suͤdweſt, der zwey Tage lang anhielt, und uns dieſe Zeit uͤber, in der Nach- barſchaft jener kleinen Inſel zu laviren noͤthigte. Am zehnten aber ſtellte ſich der Paſſatwind wieder ein, und brachte uns ſo ſchnell fort, daß um 2 Uhr Nachmittags die Inſel ſchon nicht mehr zu ſehen war. Nunmehro verließen wir *) S. Dalrymples. Collection Vol. II. pag. 75. wo ſie wilde Endten genannt werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/421
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/421>, abgerufen am 22.11.2024.