Mein Vater kam erst am Abend wieder, weil er einen weiten Gang,1773. October. nemlich bis nach dem südlichsten Ende der Insel vorgenommen hatte. In der Mittagsstunde hatte ihn ein starkes Regenwetter überfallen, und in eine Plantage zu gehen genöthigt um daselbst in der Hütte Obdach zu suchen. Zum Glück für ihn war der Eigenthümer derselben zu Hause. Er nahm meinen Vater freundlich auf und bat ihn, auf den reinlichen Matten, die den Fußbo- den bedeckten, Platz zu nehmen. Mittlerweile gieng er fort, um zur Bewirthung Anstalt zu machen; kam aber in wenig Augenblicken zurück und brachte etliche Coco-Nüsse mit. Darauf öfnete er seinen Ofen unter der Erde und langte ei- nige Bananen und Fische heraus, die in Blätter gewickelt, vollkommen gahr und von vortreflichem Geschmack waren. Die hiesige Kochart ist also mit der Ta- hitischen einerley, und die Insulaner sind eben so gastfrey als jene. Daß wir aber nicht so viel Proben davon gehabt haben, rührte blos daher, weil wir sehen jemand zu Hause trafen, indem sich die Leute mehrentheils nach dem Handlungs- platze an der See begeben hatten. Mein Vater belohnte seinen Wirth, für die genossene gutherzige Aufnahme, mit Nägeln und Corallen, die jener unter dem gewöhnlichen Fagafetai über den Kopf hielt und dankbarlich annahm. Er be- gleitete auch seinen Gast bis an den Strand und trug ihm sehr willig und sorg- fältig eine Menge von Speeren und Keulen nach, die er unterwegens eingehandelt hatte.
So harmlos sich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, so blie- ben sie dennoch von den Unglücksfällen nicht verschont, die bey Entdeckung frem- der Länder nur gar zu oft vorfallen. Unsre Waaren hatten für sie gewiß nicht we- niger Werth und Reiz als den sie für die Tahitier hatten; kein Wun- der also, daß sie auch eben so geneigt waren, als jene, sich daran zu ver- greifen. Die Capitains waren am nächstfolgenden Tage nicht lange am Lande gewesen, als ein Insulaner die Gelegenheit wahrnahm, eine Jacke aus unserm Boote wegzustehlen. Um seine Beute zu sichern tauchte er gleich unters Wasser und lief, sobald er den Strand erreicht hatte, unter seine Landsleute, da, wo das Gedränge am dicksten war. Gleichwohl ließen sich die Matrosen dadurch nicht abhalten auf ihn zu feuern, und, ohne daß es der Capitain befahl, gescha- hen sieben Schüsse nach ihm. Dadurch wurden nun natürlicherweise meh-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Mein Vater kam erſt am Abend wieder, weil er einen weiten Gang,1773. October. nemlich bis nach dem ſuͤdlichſten Ende der Inſel vorgenommen hatte. In der Mittagsſtunde hatte ihn ein ſtarkes Regenwetter uͤberfallen, und in eine Plantage zu gehen genoͤthigt um daſelbſt in der Huͤtte Obdach zu ſuchen. Zum Gluͤck fuͤr ihn war der Eigenthuͤmer derſelben zu Hauſe. Er nahm meinen Vater freundlich auf und bat ihn, auf den reinlichen Matten, die den Fußbo- den bedeckten, Platz zu nehmen. Mittlerweile gieng er fort, um zur Bewirthung Anſtalt zu machen; kam aber in wenig Augenblicken zuruͤck und brachte etliche Coco-Nuͤſſe mit. Darauf oͤfnete er ſeinen Ofen unter der Erde und langte ei- nige Bananen und Fiſche heraus, die in Blaͤtter gewickelt, vollkommen gahr und von vortreflichem Geſchmack waren. Die hieſige Kochart iſt alſo mit der Ta- hitiſchen einerley, und die Inſulaner ſind eben ſo gaſtfrey als jene. Daß wir aber nicht ſo viel Proben davon gehabt haben, ruͤhrte blos daher, weil wir ſehen jemand zu Hauſe trafen, indem ſich die Leute mehrentheils nach dem Handlungs- platze an der See begeben hatten. Mein Vater belohnte ſeinen Wirth, fuͤr die genoſſene gutherzige Aufnahme, mit Naͤgeln und Corallen, die jener unter dem gewoͤhnlichen Fagafetai uͤber den Kopf hielt und dankbarlich annahm. Er be- gleitete auch ſeinen Gaſt bis an den Strand und trug ihm ſehr willig und ſorg- faͤltig eine Menge von Speeren und Keulen nach, die er unterwegens eingehandelt hatte.
So harmlos ſich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, ſo blie- ben ſie dennoch von den Ungluͤcksfaͤllen nicht verſchont, die bey Entdeckung frem- der Laͤnder nur gar zu oft vorfallen. Unſre Waaren hatten fuͤr ſie gewiß nicht we- niger Werth und Reiz als den ſie fuͤr die Tahitier hatten; kein Wun- der alſo, daß ſie auch eben ſo geneigt waren, als jene, ſich daran zu ver- greifen. Die Capitains waren am naͤchſtfolgenden Tage nicht lange am Lande geweſen, als ein Inſulaner die Gelegenheit wahrnahm, eine Jacke aus unſerm Boote wegzuſtehlen. Um ſeine Beute zu ſichern tauchte er gleich unters Waſſer und lief, ſobald er den Strand erreicht hatte, unter ſeine Landsleute, da, wo das Gedraͤnge am dickſten war. Gleichwohl ließen ſich die Matroſen dadurch nicht abhalten auf ihn zu feuern, und, ohne daß es der Capitain befahl, geſcha- hen ſieben Schuͤſſe nach ihm. Dadurch wurden nun natuͤrlicherweiſe meh-
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Mein Vater kam erſt am Abend wieder, weil er einen weiten Gang,
nemlich bis nach dem ſuͤdlichſten Ende der Inſel vorgenommen hatte. In
der Mittagsſtunde hatte ihn ein ſtarkes Regenwetter uͤberfallen, und in eine
Plantage zu gehen genoͤthigt um daſelbſt in der Huͤtte Obdach zu ſuchen. Zum
Gluͤck fuͤr ihn war der Eigenthuͤmer derſelben zu Hauſe. Er nahm meinen
Vater freundlich auf und bat ihn, auf den reinlichen Matten, die den Fußbo-
den bedeckten, Platz zu nehmen. Mittlerweile gieng er fort, um zur Bewirthung
Anſtalt zu machen; kam aber in wenig Augenblicken zuruͤck und brachte etliche
Coco-Nuͤſſe mit. Darauf oͤfnete er ſeinen Ofen unter der Erde und langte ei-
nige Bananen und Fiſche heraus, die in Blaͤtter gewickelt, vollkommen gahr und
von vortreflichem Geſchmack waren. Die hieſige Kochart iſt alſo mit der Ta-
hitiſchen einerley, und die Inſulaner ſind eben ſo gaſtfrey als jene. Daß wir
aber nicht ſo viel Proben davon gehabt haben, ruͤhrte blos daher, weil wir ſehen
jemand zu Hauſe trafen, indem ſich die Leute mehrentheils nach dem Handlungs-
platze an der See begeben hatten. Mein Vater belohnte ſeinen Wirth, fuͤr die
genoſſene gutherzige Aufnahme, mit Naͤgeln und Corallen, die jener unter dem
gewoͤhnlichen Fagafetai uͤber den Kopf hielt und dankbarlich annahm. Er be-
gleitete auch ſeinen Gaſt bis an den Strand und trug ihm ſehr willig und ſorg-
faͤltig eine Menge von Speeren und Keulen nach, die er unterwegens eingehandelt
hatte.
1773.
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So harmlos ſich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, ſo blie-
ben ſie dennoch von den Ungluͤcksfaͤllen nicht verſchont, die bey Entdeckung frem-
der Laͤnder nur gar zu oft vorfallen. Unſre Waaren hatten fuͤr ſie gewiß nicht we-
niger Werth und Reiz als den ſie fuͤr die Tahitier hatten; kein Wun-
der alſo, daß ſie auch eben ſo geneigt waren, als jene, ſich daran zu ver-
greifen. Die Capitains waren am naͤchſtfolgenden Tage nicht lange am Lande
geweſen, als ein Inſulaner die Gelegenheit wahrnahm, eine Jacke aus unſerm
Boote wegzuſtehlen. Um ſeine Beute zu ſichern tauchte er gleich unters Waſſer
und lief, ſobald er den Strand erreicht hatte, unter ſeine Landsleute, da, wo
das Gedraͤnge am dickſten war. Gleichwohl ließen ſich die Matroſen dadurch
nicht abhalten auf ihn zu feuern, und, ohne daß es der Capitain befahl, geſcha-
hen ſieben Schuͤſſe nach ihm. Dadurch wurden nun natuͤrlicherweiſe meh-
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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