1773. October.kung unsers Schießgewehrs machte keinen besondern Eindruck auf sie, doch hat- ten wir auch nicht Ursach sie damit in Furcht zu setzen, denn sie betrugen sich durch- gehends freundlich und willfährig gegen uns. Die Frauensleute waren, im Ganzen genommen, zurückhaltend, und bezeigten gegen das ausgelaßne Betragen unsers Schiff-Volks ausdrücklichen Widerwillen; doch gab es mit unter freylich auch einige die minder keusch waren, und die durch unanständige Geberden den Ma- trosen veranlaßten alles zu versuchen und alles zu erhalten.
Am folgenden Morgen giengen wir mit den Capitains wiederum ans Land, und beschenkten den Befehlshaber mit einer Menge Garten-Gesäme, deren großer Nutzen ihm so viel möglich, durch Zeichen zu verstehn gegeben ward. Darinn bestand bis jetzt noch unsre Unterredung; doch hatten wir schon eine hinlängliche Anzahl von Wörtern gesammlet, aus denen sich, nach den allgemeinen Be- griffen vom Bau der Sprachen und den Abänderungen der Dialecte, deutlich urtheilen ließ, daß die hiesige Mundart mit der Sprache auf Tahiti und den Societäts-Inseln sehr nahe verwandt sey. O-Mai und Maheine oder O- Hedidi, die beyden Indianer von Raietea und Borabora, welche bey uns an Bord waren, behaupteten anfänglich, daß sie die hiesige Sprache ganz und gar nicht verständen. Allein kaum: hatten wir ihnen die Aehnlichkeit derselben mit ihrer Landessprache an verschiedenen Worten gezeigt; so faßten sie das Ei- genthümliche dieses Dialectes sehrleicht, und konnten sich den Eingebohrnen besser verständlich machen, als einer von uns nach langer Zeit kaum gelernt ha- ben würde. Das Land gefiel ihnen sehr wohl, doch sahen sie auch bald ein, woran es demselben fehle; sie klagten uns nemlich, daß es wenig Brodfrucht, wenig Schweine und Hühner, und gar keine Hunde allhier gebe, welches auch der Wahrheit völlig gemäß war. Dagegen fanden sie großes Wohlgefallen an dem vielen Zucker-Rohr und berauschenden Pfeffer-Getränk, wovon die Ein- wohner, unter andern, auch dem Capitain Cook zu trinken angebothen hatten.
Sobald die Capitains ihre Geschenke abgegeben, kehrten sie nach den Schiffen zurück, und der Befehlshaber kam mit uns an Bord. Wir hoben den Anker, die Seegel wurden aufgesetzt, und wir verließen dies glückliche Ey- land, dessen Schönheiten wir kaum im Vorbeygehn hatten kennen lernen. Wäh- rend der Anstalten zur Abfahrt, verkaufte uns der Befehlshaber noch eine Menge
Forſter’s Reiſe um die Welt
1773. October.kung unſers Schießgewehrs machte keinen beſondern Eindruck auf ſie, doch hat- ten wir auch nicht Urſach ſie damit in Furcht zu ſetzen, denn ſie betrugen ſich durch- gehends freundlich und willfaͤhrig gegen uns. Die Frauensleute waren, im Ganzen genommen, zuruͤckhaltend, und bezeigten gegen das ausgelaßne Betragen unſers Schiff-Volks ausdruͤcklichen Widerwillen; doch gab es mit unter freylich auch einige die minder keuſch waren, und die durch unanſtaͤndige Geberden den Ma- troſen veranlaßten alles zu verſuchen und alles zu erhalten.
Am folgenden Morgen giengen wir mit den Capitains wiederum ans Land, und beſchenkten den Befehlshaber mit einer Menge Garten-Geſaͤme, deren großer Nutzen ihm ſo viel moͤglich, durch Zeichen zu verſtehn gegeben ward. Darinn beſtand bis jetzt noch unſre Unterredung; doch hatten wir ſchon eine hinlaͤngliche Anzahl von Woͤrtern geſammlet, aus denen ſich, nach den allgemeinen Be- griffen vom Bau der Sprachen und den Abaͤnderungen der Dialecte, deutlich urtheilen ließ, daß die hieſige Mundart mit der Sprache auf Tahiti und den Societaͤts-Inſeln ſehr nahe verwandt ſey. O-Maï und Maheine oder O- Hedidi, die beyden Indianer von Raietea und Borabora, welche bey uns an Bord waren, behaupteten anfaͤnglich, daß ſie die hieſige Sprache ganz und gar nicht verſtaͤnden. Allein kaum: hatten wir ihnen die Aehnlichkeit derſelben mit ihrer Landesſprache an verſchiedenen Worten gezeigt; ſo faßten ſie das Ei- genthuͤmliche dieſes Dialectes ſehrleicht, und konnten ſich den Eingebohrnen beſſer verſtaͤndlich machen, als einer von uns nach langer Zeit kaum gelernt ha- ben wuͤrde. Das Land gefiel ihnen ſehr wohl, doch ſahen ſie auch bald ein, woran es demſelben fehle; ſie klagten uns nemlich, daß es wenig Brodfrucht, wenig Schweine und Huͤhner, und gar keine Hunde allhier gebe, welches auch der Wahrheit voͤllig gemaͤß war. Dagegen fanden ſie großes Wohlgefallen an dem vielen Zucker-Rohr und berauſchenden Pfeffer-Getraͤnk, wovon die Ein- wohner, unter andern, auch dem Capitain Cook zu trinken angebothen hatten.
Sobald die Capitains ihre Geſchenke abgegeben, kehrten ſie nach den Schiffen zuruͤck, und der Befehlshaber kam mit uns an Bord. Wir hoben den Anker, die Seegel wurden aufgeſetzt, und wir verließen dies gluͤckliche Ey- land, deſſen Schoͤnheiten wir kaum im Vorbeygehn hatten kennen lernen. Waͤh- rend der Anſtalten zur Abfahrt, verkaufte uns der Befehlshaber noch eine Menge
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Forſter’s Reiſe um die Welt
kung unſers Schießgewehrs machte keinen beſondern Eindruck auf ſie, doch hat-
ten wir auch nicht Urſach ſie damit in Furcht zu ſetzen, denn ſie betrugen ſich durch-
gehends freundlich und willfaͤhrig gegen uns. Die Frauensleute waren, im Ganzen
genommen, zuruͤckhaltend, und bezeigten gegen das ausgelaßne Betragen unſers
Schiff-Volks ausdruͤcklichen Widerwillen; doch gab es mit unter freylich auch
einige die minder keuſch waren, und die durch unanſtaͤndige Geberden den Ma-
troſen veranlaßten alles zu verſuchen und alles zu erhalten.
1773.
October.
Am folgenden Morgen giengen wir mit den Capitains wiederum ans Land,
und beſchenkten den Befehlshaber mit einer Menge Garten-Geſaͤme, deren großer
Nutzen ihm ſo viel moͤglich, durch Zeichen zu verſtehn gegeben ward. Darinn
beſtand bis jetzt noch unſre Unterredung; doch hatten wir ſchon eine hinlaͤngliche
Anzahl von Woͤrtern geſammlet, aus denen ſich, nach den allgemeinen Be-
griffen vom Bau der Sprachen und den Abaͤnderungen der Dialecte, deutlich
urtheilen ließ, daß die hieſige Mundart mit der Sprache auf Tahiti und den
Societaͤts-Inſeln ſehr nahe verwandt ſey. O-Maï und Maheine oder O-
Hedidi, die beyden Indianer von Raietea und Borabora, welche bey uns
an Bord waren, behaupteten anfaͤnglich, daß ſie die hieſige Sprache ganz und
gar nicht verſtaͤnden. Allein kaum: hatten wir ihnen die Aehnlichkeit derſelben
mit ihrer Landesſprache an verſchiedenen Worten gezeigt; ſo faßten ſie das Ei-
genthuͤmliche dieſes Dialectes ſehrleicht, und konnten ſich den Eingebohrnen
beſſer verſtaͤndlich machen, als einer von uns nach langer Zeit kaum gelernt ha-
ben wuͤrde. Das Land gefiel ihnen ſehr wohl, doch ſahen ſie auch bald ein,
woran es demſelben fehle; ſie klagten uns nemlich, daß es wenig Brodfrucht,
wenig Schweine und Huͤhner, und gar keine Hunde allhier gebe, welches auch
der Wahrheit voͤllig gemaͤß war. Dagegen fanden ſie großes Wohlgefallen an
dem vielen Zucker-Rohr und berauſchenden Pfeffer-Getraͤnk, wovon die Ein-
wohner, unter andern, auch dem Capitain Cook zu trinken angebothen hatten.
Sobald die Capitains ihre Geſchenke abgegeben, kehrten ſie nach den
Schiffen zuruͤck, und der Befehlshaber kam mit uns an Bord. Wir hoben
den Anker, die Seegel wurden aufgeſetzt, und wir verließen dies gluͤckliche Ey-
land, deſſen Schoͤnheiten wir kaum im Vorbeygehn hatten kennen lernen. Waͤh-
rend der Anſtalten zur Abfahrt, verkaufte uns der Befehlshaber noch eine Menge
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/393>, abgerufen am 16.02.2025.
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