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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
fen worden, hatten zu stehlen und auf die Seite zu bringen gewußt. Ihre1773.
October.

freundlichen Blicke und Zurufen folgten uns bis an Bord, woselbst in einer
Menge Canots, eben solche Waaren zum Verkauf ausgeboten wurden, als wir
am Lande eingehandelt hatten. Auf diesen Farzeugen befanden sich einige
Aussätzige, bey denen die Krankheit einen sehr hohen Grad erreicht hatte.
Ein Mann insbesondre hatte über den ganzen Rücken und über die Schultern,
ein großes krebsartiges Geschwür, das innerlich völlig blau, auf dem Rande
aber goldgelb war. Und ein armes Weib, hatte auf eben diese elende Weise,
fast das ganze Gesicht eingebüßt. Statt der Nase sahe man nur noch ein Loch;
die Backen waren geschwollen und eiterten aller Orten; die Augen waren blu-
tig und wund, und schienen aus dem Kopfe fallen zu wollen. Mit einem Wort
ich erinnere mich nicht, je etwas bejammernswürdigers gesehen zu haben. Den-
noch schienen diese Unglücklichen über ihr Elend unbekümmert, und handelten so
frisch drauf los als die übrigen, ja was das ekelhafteste war, sie hatten Lebens-
mittel zu verkaufen.

Nach Tische blieb ich an Bord, woselbst mir Dr. Sparmann die am
Morgen eingesammelten natürlichen Merkwürdigkeiten in Ordnung bringen half;
mein Vater aber gieng mit den Capitains wieder ans Land um noch mehr auf-
zusuchen. Bey Untergang der Sonne, kamen sie von ihrer Wanderschaft zu-
rück, und mein Vater gab mir, von dem was ihnen begegnet, folgende
Nachricht:

Am Landungs-Platze begrüßten uns die Einwohner, gleichwie sie des
Morgens gethan hatten, mit einem Freuden-Geschrei; und da ihrer eine große
Menge war, so gieng der Handel lustig von statten; Lebensmittel aber konnte
man nur sparsam, und Pompelmosen, der frühen Jahreszeit wegen, fast gar nicht
bekommen. Herr Hodges, ich und mein Bedienter, verließen den Handelsplatz
mit zwey Indianern, die uns, als Wegweiser nach dem im Innern des Landes ge-
legenen Berge hinbringen sollten. Der Weg dahin gieng durch viel schöne
Baumpflanzungen oder Gärten, die wir theils mit Rohr, theils mit lebendigen
Hecken von schönen Korallenschothen, (erythrina corallodendron) verzäunt
fanden. Jenseits derselben kamen wir in einen schmalen Steig, der zwischen
zwey Verzäunungen hinlief, innerhalb welchen, auf beyden Seiten, Bananen und

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in den Jahren 1772 bis 1775.
fen worden, hatten zu ſtehlen und auf die Seite zu bringen gewußt. Ihre1773.
October.

freundlichen Blicke und Zurufen folgten uns bis an Bord, woſelbſt in einer
Menge Canots, eben ſolche Waaren zum Verkauf ausgeboten wurden, als wir
am Lande eingehandelt hatten. Auf dieſen Farzeugen befanden ſich einige
Ausſaͤtzige, bey denen die Krankheit einen ſehr hohen Grad erreicht hatte.
Ein Mann insbeſondre hatte uͤber den ganzen Ruͤcken und uͤber die Schultern,
ein großes krebsartiges Geſchwuͤr, das innerlich voͤllig blau, auf dem Rande
aber goldgelb war. Und ein armes Weib, hatte auf eben dieſe elende Weiſe,
faſt das ganze Geſicht eingebuͤßt. Statt der Naſe ſahe man nur noch ein Loch;
die Backen waren geſchwollen und eiterten aller Orten; die Augen waren blu-
tig und wund, und ſchienen aus dem Kopfe fallen zu wollen. Mit einem Wort
ich erinnere mich nicht, je etwas bejammernswuͤrdigers geſehen zu haben. Den-
noch ſchienen dieſe Ungluͤcklichen uͤber ihr Elend unbekuͤmmert, und handelten ſo
friſch drauf los als die uͤbrigen, ja was das ekelhafteſte war, ſie hatten Lebens-
mittel zu verkaufen.

Nach Tiſche blieb ich an Bord, woſelbſt mir Dr. Sparmann die am
Morgen eingeſammelten natuͤrlichen Merkwuͤrdigkeiten in Ordnung bringen half;
mein Vater aber gieng mit den Capitains wieder ans Land um noch mehr auf-
zuſuchen. Bey Untergang der Sonne, kamen ſie von ihrer Wanderſchaft zu-
ruͤck, und mein Vater gab mir, von dem was ihnen begegnet, folgende
Nachricht:

Am Landungs-Platze begruͤßten uns die Einwohner, gleichwie ſie des
Morgens gethan hatten, mit einem Freuden-Geſchrei; und da ihrer eine große
Menge war, ſo gieng der Handel luſtig von ſtatten; Lebensmittel aber konnte
man nur ſparſam, und Pompelmoſen, der fruͤhen Jahreszeit wegen, faſt gar nicht
bekommen. Herr Hodges, ich und mein Bedienter, verließen den Handelsplatz
mit zwey Indianern, die uns, als Wegweiſer nach dem im Innern des Landes ge-
legenen Berge hinbringen ſollten. Der Weg dahin gieng durch viel ſchoͤne
Baumpflanzungen oder Gaͤrten, die wir theils mit Rohr, theils mit lebendigen
Hecken von ſchoͤnen Korallenſchothen, (erythrina corallodendron) verzaͤunt
fanden. Jenſeits derſelben kamen wir in einen ſchmalen Steig, der zwiſchen
zwey Verzaͤunungen hinlief, innerhalb welchen, auf beyden Seiten, Bananen und

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[331/0390] in den Jahren 1772 bis 1775. fen worden, hatten zu ſtehlen und auf die Seite zu bringen gewußt. Ihre freundlichen Blicke und Zurufen folgten uns bis an Bord, woſelbſt in einer Menge Canots, eben ſolche Waaren zum Verkauf ausgeboten wurden, als wir am Lande eingehandelt hatten. Auf dieſen Farzeugen befanden ſich einige Ausſaͤtzige, bey denen die Krankheit einen ſehr hohen Grad erreicht hatte. Ein Mann insbeſondre hatte uͤber den ganzen Ruͤcken und uͤber die Schultern, ein großes krebsartiges Geſchwuͤr, das innerlich voͤllig blau, auf dem Rande aber goldgelb war. Und ein armes Weib, hatte auf eben dieſe elende Weiſe, faſt das ganze Geſicht eingebuͤßt. Statt der Naſe ſahe man nur noch ein Loch; die Backen waren geſchwollen und eiterten aller Orten; die Augen waren blu- tig und wund, und ſchienen aus dem Kopfe fallen zu wollen. Mit einem Wort ich erinnere mich nicht, je etwas bejammernswuͤrdigers geſehen zu haben. Den- noch ſchienen dieſe Ungluͤcklichen uͤber ihr Elend unbekuͤmmert, und handelten ſo friſch drauf los als die uͤbrigen, ja was das ekelhafteſte war, ſie hatten Lebens- mittel zu verkaufen. 1773. October. Nach Tiſche blieb ich an Bord, woſelbſt mir Dr. Sparmann die am Morgen eingeſammelten natuͤrlichen Merkwuͤrdigkeiten in Ordnung bringen half; mein Vater aber gieng mit den Capitains wieder ans Land um noch mehr auf- zuſuchen. Bey Untergang der Sonne, kamen ſie von ihrer Wanderſchaft zu- ruͤck, und mein Vater gab mir, von dem was ihnen begegnet, folgende Nachricht: Am Landungs-Platze begruͤßten uns die Einwohner, gleichwie ſie des Morgens gethan hatten, mit einem Freuden-Geſchrei; und da ihrer eine große Menge war, ſo gieng der Handel luſtig von ſtatten; Lebensmittel aber konnte man nur ſparſam, und Pompelmoſen, der fruͤhen Jahreszeit wegen, faſt gar nicht bekommen. Herr Hodges, ich und mein Bedienter, verließen den Handelsplatz mit zwey Indianern, die uns, als Wegweiſer nach dem im Innern des Landes ge- legenen Berge hinbringen ſollten. Der Weg dahin gieng durch viel ſchoͤne Baumpflanzungen oder Gaͤrten, die wir theils mit Rohr, theils mit lebendigen Hecken von ſchoͤnen Korallenſchothen, (erythrina corallodendron) verzaͤunt fanden. Jenſeits derſelben kamen wir in einen ſchmalen Steig, der zwiſchen zwey Verzaͤunungen hinlief, innerhalb welchen, auf beyden Seiten, Bananen und T t 2

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/390>, abgerufen am 22.11.2024.