Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.Forster's Reise um die Welt 1773.October.verloren, und hernach aus eleganter mahlerischer Fantasie eine neue Zeich- nung von diesem Stück, bloß idealisch entworfen. Denn Kenner finden in dieser Platte griechische Conture und Bildungen, dergleichen es in der Südsee nie gegeben hat; und sie bewundern ein schönes fließendes Gewand, das Kopf und Cörper bedeckt, da doch in dieser Insel, die Frauensleute Schul- ter und Brust fast niemals bedecken. Die Figur eines alten ehrwürdigen Mannes mit einem langen weißen Barte ist vortreflich; allein die Leute auf Ea-Uwhe lassen den Bart nicht wachsen, sondern zwicken ihn mit Muschel- schaalen kurz. Doch, ich kehre zur Geschichte: Wir verweilten nicht lange auf der Küste, sondern folgten dem Befehlshaber, der uns wei- ter ins Land zu gehen bat. Vom See-Ufer ab, war der Boden etliche Schritt weit ziemlich steil, denn aber dehnte er sich in eine ebne schöne Wiese aus, die mit hohen Bäumen und dickem Buschwerk umgeben war, so daß man nur nach der See hin eine freye Aussicht hatte. Am Ende dieser Wiese, ohngefähr 150 Schritt weit vom Landungs Platze, stand ein sehr hüb- sches Haus, dessen Dach bis zwey Fuß von der Erde, herabreichte. Der Weg der auf dasselbe zuführte, gieng durch vorgedachte grüne Ebne, die so glatt und gras- reich war, daß sie uns an die schönsten Rasen-Gründe in England erinner- te. So bald wir bey dem Hause ankamen, nöthigte man uns innerhalb aus- zuruhen; der Fußboden war mit den schönsten Matten zierlich aus- gelegt, und in einer Ecke sahen wir eine bewegliche Abtheilung von geflocht- ner Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urthei- len, die Schlafstelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den Boden herablief, bestand aus Sparren und runden Hölzern, die sehr genau mit einander verbunden und mit einer Matte von Bananen-Blättern bedeckt waren. Kaum hatten wir in diesem Hause, von mehr denn hundert Menschen Forſter’s Reiſe um die Welt 1773.October.verloren, und hernach aus eleganter mahleriſcher Fantaſie eine neue Zeich- nung von dieſem Stuͤck, bloß idealiſch entworfen. Denn Kenner finden in dieſer Platte griechiſche Conture und Bildungen, dergleichen es in der Suͤdſee nie gegeben hat; und ſie bewundern ein ſchoͤnes fließendes Gewand, das Kopf und Coͤrper bedeckt, da doch in dieſer Inſel, die Frauensleute Schul- ter und Bruſt faſt niemals bedecken. Die Figur eines alten ehrwuͤrdigen Mannes mit einem langen weißen Barte iſt vortreflich; allein die Leute auf Ea-Uwhe laſſen den Bart nicht wachſen, ſondern zwicken ihn mit Muſchel- ſchaalen kurz. Doch, ich kehre zur Geſchichte: Wir verweilten nicht lange auf der Kuͤſte, ſondern folgten dem Befehlshaber, der uns wei- ter ins Land zu gehen bat. Vom See-Ufer ab, war der Boden etliche Schritt weit ziemlich ſteil, denn aber dehnte er ſich in eine ebne ſchoͤne Wieſe aus, die mit hohen Baͤumen und dickem Buſchwerk umgeben war, ſo daß man nur nach der See hin eine freye Ausſicht hatte. Am Ende dieſer Wieſe, ohngefaͤhr 150 Schritt weit vom Landungs Platze, ſtand ein ſehr huͤb- ſches Haus, deſſen Dach bis zwey Fuß von der Erde, herabreichte. Der Weg der auf daſſelbe zufuͤhrte, gieng durch vorgedachte gruͤne Ebne, die ſo glatt und gras- reich war, daß ſie uns an die ſchoͤnſten Raſen-Gruͤnde in England erinner- te. So bald wir bey dem Hauſe ankamen, noͤthigte man uns innerhalb aus- zuruhen; der Fußboden war mit den ſchoͤnſten Matten zierlich aus- gelegt, und in einer Ecke ſahen wir eine bewegliche Abtheilung von geflocht- ner Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urthei- len, die Schlafſtelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den Boden herablief, beſtand aus Sparren und runden Hoͤlzern, die ſehr genau mit einander verbunden und mit einer Matte von Bananen-Blaͤttern bedeckt waren. Kaum hatten wir in dieſem Hauſe, von mehr denn hundert Menſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0377" n="322"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><persName>Forſter’s</persName> Reiſe um die Welt</hi></fw><lb/><note place="left">1773.<lb/> October.</note>verloren, und hernach aus eleganter mahleriſcher Fantaſie eine neue Zeich-<lb/> nung von dieſem Stuͤck, bloß idealiſch entworfen. Denn Kenner<lb/> finden in dieſer Platte griechiſche Conture und Bildungen, dergleichen es in<lb/> der <placeName>Suͤdſee</placeName> nie gegeben hat; und ſie bewundern ein ſchoͤnes fließendes Gewand,<lb/> das Kopf und Coͤrper bedeckt, da doch in dieſer Inſel, die Frauensleute Schul-<lb/> ter und Bruſt faſt niemals bedecken. Die Figur eines alten ehrwuͤrdigen<lb/> Mannes mit einem langen weißen Barte iſt vortreflich; allein die Leute auf<lb/><hi rendition="#fr"><placeName>Ea-Uwhe</placeName></hi> laſſen den Bart nicht wachſen, ſondern zwicken ihn mit Muſchel-<lb/> ſchaalen kurz. Doch, ich kehre zur Geſchichte: Wir verweilten nicht<lb/> lange auf der Kuͤſte, ſondern folgten dem Befehlshaber, der uns wei-<lb/> ter ins Land zu gehen bat. Vom See-Ufer ab, war der Boden etliche<lb/> Schritt weit ziemlich ſteil, denn aber dehnte er ſich in eine ebne ſchoͤne Wieſe<lb/> aus, die mit hohen Baͤumen und dickem Buſchwerk umgeben war, ſo daß<lb/> man nur nach der See hin eine freye Ausſicht hatte. Am Ende dieſer<lb/> Wieſe, ohngefaͤhr 150 Schritt weit vom Landungs Platze, ſtand ein ſehr huͤb-<lb/> ſches Haus, deſſen Dach bis zwey Fuß von der Erde, herabreichte. Der Weg der<lb/> auf daſſelbe zufuͤhrte, gieng durch vorgedachte gruͤne Ebne, die ſo glatt und gras-<lb/> reich war, daß ſie uns an die ſchoͤnſten Raſen-Gruͤnde in <placeName>England</placeName> erinner-<lb/> te. So bald wir bey dem Hauſe ankamen, noͤthigte man uns innerhalb aus-<lb/> zuruhen; der Fußboden war mit den ſchoͤnſten Matten zierlich aus-<lb/> gelegt, und in einer Ecke ſahen wir eine bewegliche Abtheilung von geflocht-<lb/> ner Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urthei-<lb/> len, die Schlafſtelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den<lb/> Boden herablief, beſtand aus Sparren und runden Hoͤlzern, die ſehr genau<lb/> mit einander verbunden und mit einer Matte von Bananen-Blaͤttern bedeckt<lb/> waren.</p><lb/> <p>Kaum hatten wir in dieſem Hauſe, von mehr denn hundert Menſchen<lb/> umringt, Platz genommen, als zwey oder drey Frauenzimmer uns mit einem<lb/> Geſange bewillkommten, der, ſo einfach die Melodie auch war, doch ganz an-<lb/> genehm und ungleich muſicaliſcher klang als die Lieder der <hi rendition="#fr">Tahitier.</hi> Die<lb/> Saͤngerinnen hatten ungemein wohlklingende Stimmen und ſecundirten ſich un-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [322/0377]
Forſter’s Reiſe um die Welt
verloren, und hernach aus eleganter mahleriſcher Fantaſie eine neue Zeich-
nung von dieſem Stuͤck, bloß idealiſch entworfen. Denn Kenner
finden in dieſer Platte griechiſche Conture und Bildungen, dergleichen es in
der Suͤdſee nie gegeben hat; und ſie bewundern ein ſchoͤnes fließendes Gewand,
das Kopf und Coͤrper bedeckt, da doch in dieſer Inſel, die Frauensleute Schul-
ter und Bruſt faſt niemals bedecken. Die Figur eines alten ehrwuͤrdigen
Mannes mit einem langen weißen Barte iſt vortreflich; allein die Leute auf
Ea-Uwhe laſſen den Bart nicht wachſen, ſondern zwicken ihn mit Muſchel-
ſchaalen kurz. Doch, ich kehre zur Geſchichte: Wir verweilten nicht
lange auf der Kuͤſte, ſondern folgten dem Befehlshaber, der uns wei-
ter ins Land zu gehen bat. Vom See-Ufer ab, war der Boden etliche
Schritt weit ziemlich ſteil, denn aber dehnte er ſich in eine ebne ſchoͤne Wieſe
aus, die mit hohen Baͤumen und dickem Buſchwerk umgeben war, ſo daß
man nur nach der See hin eine freye Ausſicht hatte. Am Ende dieſer
Wieſe, ohngefaͤhr 150 Schritt weit vom Landungs Platze, ſtand ein ſehr huͤb-
ſches Haus, deſſen Dach bis zwey Fuß von der Erde, herabreichte. Der Weg der
auf daſſelbe zufuͤhrte, gieng durch vorgedachte gruͤne Ebne, die ſo glatt und gras-
reich war, daß ſie uns an die ſchoͤnſten Raſen-Gruͤnde in England erinner-
te. So bald wir bey dem Hauſe ankamen, noͤthigte man uns innerhalb aus-
zuruhen; der Fußboden war mit den ſchoͤnſten Matten zierlich aus-
gelegt, und in einer Ecke ſahen wir eine bewegliche Abtheilung von geflocht-
ner Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urthei-
len, die Schlafſtelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den
Boden herablief, beſtand aus Sparren und runden Hoͤlzern, die ſehr genau
mit einander verbunden und mit einer Matte von Bananen-Blaͤttern bedeckt
waren.
1773.
October.
Kaum hatten wir in dieſem Hauſe, von mehr denn hundert Menſchen
umringt, Platz genommen, als zwey oder drey Frauenzimmer uns mit einem
Geſange bewillkommten, der, ſo einfach die Melodie auch war, doch ganz an-
genehm und ungleich muſicaliſcher klang als die Lieder der Tahitier. Die
Saͤngerinnen hatten ungemein wohlklingende Stimmen und ſecundirten ſich un-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |