Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Jahren 1772 bis 1775.
Einwohner von freyen Stücken, uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu1773.
October.

tragen. Nachdem wir auf solche Art die Küste erreicht hatten, versammle-
ten sie sich mit allen ersinnlichen Zeichen der Freundschaft um uns her, und bo-
then uns etwas Früchte, Waffen und Hausgeräth zum Geschenk an. Besser
hätte uns das Volk gar nicht aufnehmen können, wenn es von unsern friedferti-
gen Gesinnungen schon durch eigne Erfahrung überzeugt, oder wenigstens gewohnt
gewesen wäre, von Zeit zu Zeit europäische Schiffe bey sich zu sehn: Allein das
war gar nicht der Fall, denn noch hatten sie wohl keinen Europäer
unter sich gesehn, auch konnten sie von Tasmans ehemaliger Anwesenheit auf der
benachbarten Insel Amsterdam, höchstens nur von Hörensagen etwas wissen.
Bey so bewandten Umständen mußten wir uns von ihrer Gemüthsart aller-
dings die vortheilhaftesten Begriffe machen und sie für offenherzige gut ge-
sinnte Leute halten, die nichts weniger als mißtrauisch wären. Diese gute
Meynung ward dadurch noch mehr begünstigt, daß sich auch eine große
Anzahl von Frauenspersonen unter ihnen befand, welche die indiani-
schen Nationen sonst mehrentheils von den Fremden entfernt zu hal-
ten pflegen. Diese hier waren von den Hüften an bis auf die Füße be-
kleidet, und schienen uns durch ein gutherziges freundliches Lächeln ein-
zuladen, daß wir getrost näher kommen möchten. Herr Hodges entwarf von
dieser merkwürdigen freundschaftlichen Aufnahme ein schönes Gemählde, welches
zu Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise gestochen ist. So geneigt
ich indessen bin, den Arbeiten dieses geistreichen Künstlers ihr gebührendes Lob
wiederfahren zu lassen, wenn sie der Wahrheit ganz treu sind; so wenig kann ich
doch bey dieser Gelegenheit umhin, zu bemerken, daß vorgedachte Platte von den
Einwohnern auf Ea-Uwhe und Tongatabu gar keinen richtigen Begriff
giebt; ohnerachtet sie übrigens von Herrn Sherwin meisterhaft in Kupfer gesto-
chen ist. Der Vorwurf, welchen man denen zu Capitain Cooks voriger
Reise in Kupfer gestochnen Platten mit Recht gemacht hat, daß sie nemlich, statt
indianischer Gestalten, nur schöne Figuren vorstellten, die sowohl der Form als
der Drapperie nach, im Geschmack der Antike gezeichnet wären; eben dieser
Vorwurf trift auch jene Kupfertafel. Ja man sollte fast glauben,
Herr Hodges habe seine nach der Natur gemachte Original-Skizze

Forsters Reise u. d. W. erster Th. S s

in den Jahren 1772 bis 1775.
Einwohner von freyen Stuͤcken, uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu1773.
October.

tragen. Nachdem wir auf ſolche Art die Kuͤſte erreicht hatten, verſammle-
ten ſie ſich mit allen erſinnlichen Zeichen der Freundſchaft um uns her, und bo-
then uns etwas Fruͤchte, Waffen und Hausgeraͤth zum Geſchenk an. Beſſer
haͤtte uns das Volk gar nicht aufnehmen koͤnnen, wenn es von unſern friedferti-
gen Geſinnungen ſchon durch eigne Erfahrung uͤberzeugt, oder wenigſtens gewohnt
geweſen waͤre, von Zeit zu Zeit europaͤiſche Schiffe bey ſich zu ſehn: Allein das
war gar nicht der Fall, denn noch hatten ſie wohl keinen Europaͤer
unter ſich geſehn, auch konnten ſie von Tasmans ehemaliger Anweſenheit auf der
benachbarten Inſel Amſterdam, hoͤchſtens nur von Hoͤrenſagen etwas wiſſen.
Bey ſo bewandten Umſtaͤnden mußten wir uns von ihrer Gemuͤthsart aller-
dings die vortheilhafteſten Begriffe machen und ſie fuͤr offenherzige gut ge-
ſinnte Leute halten, die nichts weniger als mißtrauiſch waͤren. Dieſe gute
Meynung ward dadurch noch mehr beguͤnſtigt, daß ſich auch eine große
Anzahl von Frauensperſonen unter ihnen befand, welche die indiani-
ſchen Nationen ſonſt mehrentheils von den Fremden entfernt zu hal-
ten pflegen. Dieſe hier waren von den Huͤften an bis auf die Fuͤße be-
kleidet, und ſchienen uns durch ein gutherziges freundliches Laͤcheln ein-
zuladen, daß wir getroſt naͤher kommen moͤchten. Herr Hodges entwarf von
dieſer merkwuͤrdigen freundſchaftlichen Aufnahme ein ſchoͤnes Gemaͤhlde, welches
zu Capitain Cooks Nachricht von dieſer Reiſe geſtochen iſt. So geneigt
ich indeſſen bin, den Arbeiten dieſes geiſtreichen Kuͤnſtlers ihr gebuͤhrendes Lob
wiederfahren zu laſſen, wenn ſie der Wahrheit ganz treu ſind; ſo wenig kann ich
doch bey dieſer Gelegenheit umhin, zu bemerken, daß vorgedachte Platte von den
Einwohnern auf Ea-Uwhe und Tongatabu gar keinen richtigen Begriff
giebt; ohnerachtet ſie uͤbrigens von Herrn Sherwin meiſterhaft in Kupfer geſto-
chen iſt. Der Vorwurf, welchen man denen zu Capitain Cooks voriger
Reiſe in Kupfer geſtochnen Platten mit Recht gemacht hat, daß ſie nemlich, ſtatt
indianiſcher Geſtalten, nur ſchoͤne Figuren vorſtellten, die ſowohl der Form als
der Drapperie nach, im Geſchmack der Antike gezeichnet waͤren; eben dieſer
Vorwurf trift auch jene Kupfertafel. Ja man ſollte faſt glauben,
Herr Hodges habe ſeine nach der Natur gemachte Original-Skizze

Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. S s
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0376" n="321"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den Jahren 1772 bis 1775.</hi></fw><lb/>
Einwohner von freyen Stu&#x0364;cken, uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu<note place="right">1773.<lb/>
October.</note><lb/>
tragen. Nachdem wir auf &#x017F;olche Art die Ku&#x0364;&#x017F;te erreicht hatten, ver&#x017F;ammle-<lb/>
ten &#x017F;ie &#x017F;ich mit allen er&#x017F;innlichen Zeichen der Freund&#x017F;chaft um uns her, und bo-<lb/>
then uns etwas Fru&#x0364;chte, Waffen und Hausgera&#x0364;th zum Ge&#x017F;chenk an. Be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ha&#x0364;tte uns das Volk gar nicht aufnehmen ko&#x0364;nnen, wenn es von un&#x017F;ern friedferti-<lb/>
gen Ge&#x017F;innungen &#x017F;chon durch eigne Erfahrung u&#x0364;berzeugt, oder wenig&#x017F;tens gewohnt<lb/>
gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, von Zeit zu Zeit europa&#x0364;i&#x017F;che Schiffe bey &#x017F;ich zu &#x017F;ehn: Allein das<lb/>
war gar nicht der Fall, denn noch hatten &#x017F;ie wohl keinen Europa&#x0364;er<lb/>
unter &#x017F;ich ge&#x017F;ehn, auch konnten &#x017F;ie von <persName>Tasmans</persName> ehemaliger Anwe&#x017F;enheit auf der<lb/>
benachbarten In&#x017F;el <hi rendition="#fr"><placeName>Am&#x017F;terdam</placeName>,</hi> ho&#x0364;ch&#x017F;tens nur von Ho&#x0364;ren&#x017F;agen etwas wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Bey &#x017F;o bewandten Um&#x017F;ta&#x0364;nden mußten wir uns von ihrer Gemu&#x0364;thsart aller-<lb/>
dings die vortheilhafte&#x017F;ten Begriffe machen und &#x017F;ie fu&#x0364;r offenherzige gut ge-<lb/>
&#x017F;innte Leute halten, die nichts weniger als mißtraui&#x017F;ch wa&#x0364;ren. Die&#x017F;e gute<lb/>
Meynung ward dadurch noch mehr begu&#x0364;n&#x017F;tigt, daß &#x017F;ich auch eine große<lb/>
Anzahl von Frauensper&#x017F;onen unter ihnen befand, welche die indiani-<lb/>
&#x017F;chen Nationen &#x017F;on&#x017F;t mehrentheils von den Fremden entfernt zu hal-<lb/>
ten pflegen. Die&#x017F;e hier waren von den Hu&#x0364;ften an bis auf die Fu&#x0364;ße be-<lb/>
kleidet, und &#x017F;chienen uns durch ein gutherziges freundliches La&#x0364;cheln ein-<lb/>
zuladen, daß wir getro&#x017F;t na&#x0364;her kommen mo&#x0364;chten. Herr <hi rendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi> entwarf von<lb/>
die&#x017F;er merkwu&#x0364;rdigen freund&#x017F;chaftlichen Aufnahme ein &#x017F;cho&#x0364;nes Gema&#x0364;hlde, welches<lb/>
zu Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> Nachricht von die&#x017F;er Rei&#x017F;e ge&#x017F;tochen i&#x017F;t. So geneigt<lb/>
ich inde&#x017F;&#x017F;en bin, den Arbeiten die&#x017F;es gei&#x017F;treichen Ku&#x0364;n&#x017F;tlers ihr gebu&#x0364;hrendes Lob<lb/>
wiederfahren zu la&#x017F;&#x017F;en, wenn &#x017F;ie der Wahrheit ganz treu &#x017F;ind; &#x017F;o wenig kann ich<lb/>
doch bey die&#x017F;er Gelegenheit umhin, zu bemerken, daß vorgedachte Platte von den<lb/>
Einwohnern auf <hi rendition="#fr"><placeName>Ea-Uwhe</placeName></hi> und <hi rendition="#fr"><placeName>Tongatabu</placeName></hi> gar keinen richtigen Begriff<lb/>
giebt; ohnerachtet &#x017F;ie u&#x0364;brigens von Herrn <hi rendition="#fr"><persName>Sherwin</persName></hi> mei&#x017F;terhaft in Kupfer ge&#x017F;to-<lb/>
chen i&#x017F;t. Der Vorwurf, welchen man denen zu Capitain <hi rendition="#fr"><persName>Cooks</persName></hi> voriger<lb/>
Rei&#x017F;e in Kupfer ge&#x017F;tochnen Platten mit Recht gemacht hat, daß &#x017F;ie nemlich, &#x017F;tatt<lb/>
indiani&#x017F;cher Ge&#x017F;talten, nur &#x017F;cho&#x0364;ne Figuren vor&#x017F;tellten, die &#x017F;owohl der Form als<lb/>
der Drapperie nach, im Ge&#x017F;chmack der Antike gezeichnet wa&#x0364;ren; eben die&#x017F;er<lb/>
Vorwurf trift auch jene Kupfertafel. Ja man &#x017F;ollte fa&#x017F;t glauben,<lb/>
Herr <hi rendition="#fr"><persName>Hodges</persName></hi> habe &#x017F;eine nach der Natur gemachte Original-Skizze<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><persName>For&#x017F;ters</persName> Rei&#x017F;e u. d. W.</hi> er&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Th.</hi> S s</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0376] in den Jahren 1772 bis 1775. Einwohner von freyen Stuͤcken, uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu tragen. Nachdem wir auf ſolche Art die Kuͤſte erreicht hatten, verſammle- ten ſie ſich mit allen erſinnlichen Zeichen der Freundſchaft um uns her, und bo- then uns etwas Fruͤchte, Waffen und Hausgeraͤth zum Geſchenk an. Beſſer haͤtte uns das Volk gar nicht aufnehmen koͤnnen, wenn es von unſern friedferti- gen Geſinnungen ſchon durch eigne Erfahrung uͤberzeugt, oder wenigſtens gewohnt geweſen waͤre, von Zeit zu Zeit europaͤiſche Schiffe bey ſich zu ſehn: Allein das war gar nicht der Fall, denn noch hatten ſie wohl keinen Europaͤer unter ſich geſehn, auch konnten ſie von Tasmans ehemaliger Anweſenheit auf der benachbarten Inſel Amſterdam, hoͤchſtens nur von Hoͤrenſagen etwas wiſſen. Bey ſo bewandten Umſtaͤnden mußten wir uns von ihrer Gemuͤthsart aller- dings die vortheilhafteſten Begriffe machen und ſie fuͤr offenherzige gut ge- ſinnte Leute halten, die nichts weniger als mißtrauiſch waͤren. Dieſe gute Meynung ward dadurch noch mehr beguͤnſtigt, daß ſich auch eine große Anzahl von Frauensperſonen unter ihnen befand, welche die indiani- ſchen Nationen ſonſt mehrentheils von den Fremden entfernt zu hal- ten pflegen. Dieſe hier waren von den Huͤften an bis auf die Fuͤße be- kleidet, und ſchienen uns durch ein gutherziges freundliches Laͤcheln ein- zuladen, daß wir getroſt naͤher kommen moͤchten. Herr Hodges entwarf von dieſer merkwuͤrdigen freundſchaftlichen Aufnahme ein ſchoͤnes Gemaͤhlde, welches zu Capitain Cooks Nachricht von dieſer Reiſe geſtochen iſt. So geneigt ich indeſſen bin, den Arbeiten dieſes geiſtreichen Kuͤnſtlers ihr gebuͤhrendes Lob wiederfahren zu laſſen, wenn ſie der Wahrheit ganz treu ſind; ſo wenig kann ich doch bey dieſer Gelegenheit umhin, zu bemerken, daß vorgedachte Platte von den Einwohnern auf Ea-Uwhe und Tongatabu gar keinen richtigen Begriff giebt; ohnerachtet ſie uͤbrigens von Herrn Sherwin meiſterhaft in Kupfer geſto- chen iſt. Der Vorwurf, welchen man denen zu Capitain Cooks voriger Reiſe in Kupfer geſtochnen Platten mit Recht gemacht hat, daß ſie nemlich, ſtatt indianiſcher Geſtalten, nur ſchoͤne Figuren vorſtellten, die ſowohl der Form als der Drapperie nach, im Geſchmack der Antike gezeichnet waͤren; eben dieſer Vorwurf trift auch jene Kupfertafel. Ja man ſollte faſt glauben, Herr Hodges habe ſeine nach der Natur gemachte Original-Skizze 1773. October. Forſters Reiſe u. d. W. erſter Th. S s

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/376
Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/376>, abgerufen am 25.11.2024.