Flecke über den ganzen Leib. Alles dieses sind, ihrem eignen Geständniß nach,1773. Septem- ber. unmittelbare Folgen des Soffes und folglich müssen die Bestandtheile der Pfeffer- pflanze wohl die eigenthümliche Eigenschaft haben, daß sie den Aussatz hervorbrin- gen. Außerdem aber gilt diese Wurzel, bey den Einwohnern aller dieser Inseln, auch für ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Camerad- schaft macht.
Sobald wir abgespeißt hatten, machten sich unsre Matrosen und Be- dienten mit den übriggebliebenen Brocken lustig; und die Indianer, welche sich vorher bey unsrer Freygebigkeit so wohl befunden hatten, machten ihnen nun die Cour. Doch waren die Matrosen nur gegen die hübschen Mädchen gefällig; und verlangten, vermöge ihres natürlichen Hanges zur groben Sinn- lichkeit, für jeden Bissen Fleisch, bald diese, bald jene Unanständigkeit.
Um die Freuden dieses Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß abermals ein Hiwa aufgeführt werden sollte. Bey diesem wurden wir in die Coulissen oder ins Kleide-Zimmer gelassen, damit wir sehen sollten wie sich die Tänzerinnen ankleiden würden. Diese Erlaubniß brachte ihnen manches kleine Geschenk zuwege; so geriethen wir z. E. auf den Einfall ihren Kopfschmuck durch verschiedene Schnuren von Corallen zu verschönern, womit sie ganz wohl zufrieden waren. Unter den Zuschauern befanden sich einige der größten Schön- heiten des Landes; vornemlich war eine Frauensperson viel weißer von Farbe als wir sie sonst in diesen Inseln überall gefunden hatten. Ihre Haut war als weißes etwas fahlgraues Wachs anzusehen, ohne daß etwa eine Krank- heit daran schuld gewesen wäre, die dergleichen Farbe sonst wohl anzudeuten pflegt. Ihre schönen schwarzen Augen und Haare contrastirten damit vortreflich, und zogen ihr unsre einstimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schön- heit auch bald durch allerhand kleine Geschenke; allein, statt sich an diesen genügen zu lassen, ward ihre Liebe zum Putz und Flitterwerk nur desto mehr er- regt, und sie plagte einen jeden von uns, so lange sie nur vermuthen konnte, daß wir noch eine einzige Coralle in der Tasche hätten. Einer von unsrer Gesellschaft hielt zufälligerweise ein kleines Vorhängeschloß in Händen. Kaum fiel ihr dieses in die Augen, so verlangte sie es zu haben. Der Besitzer schlugs ihr anfänglich ab, da sie aber nicht auf hörte darum zu betteln, ließ er sich endlich erweichen,
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Flecke uͤber den ganzen Leib. Alles dieſes ſind, ihrem eignen Geſtaͤndniß nach,1773. Septem- ber. unmittelbare Folgen des Soffes und folglich muͤſſen die Beſtandtheile der Pfeffer- pflanze wohl die eigenthuͤmliche Eigenſchaft haben, daß ſie den Ausſatz hervorbrin- gen. Außerdem aber gilt dieſe Wurzel, bey den Einwohnern aller dieſer Inſeln, auch fuͤr ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Camerad- ſchaft macht.
Sobald wir abgeſpeißt hatten, machten ſich unſre Matroſen und Be- dienten mit den uͤbriggebliebenen Brocken luſtig; und die Indianer, welche ſich vorher bey unſrer Freygebigkeit ſo wohl befunden hatten, machten ihnen nun die Cour. Doch waren die Matroſen nur gegen die huͤbſchen Maͤdchen gefaͤllig; und verlangten, vermoͤge ihres natuͤrlichen Hanges zur groben Sinn- lichkeit, fuͤr jeden Biſſen Fleiſch, bald dieſe, bald jene Unanſtaͤndigkeit.
Um die Freuden dieſes Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß abermals ein Hiwa aufgefuͤhrt werden ſollte. Bey dieſem wurden wir in die Couliſſen oder ins Kleide-Zimmer gelaſſen, damit wir ſehen ſollten wie ſich die Taͤnzerinnen ankleiden wuͤrden. Dieſe Erlaubniß brachte ihnen manches kleine Geſchenk zuwege; ſo geriethen wir z. E. auf den Einfall ihren Kopfſchmuck durch verſchiedene Schnuren von Corallen zu verſchoͤnern, womit ſie ganz wohl zufrieden waren. Unter den Zuſchauern befanden ſich einige der groͤßten Schoͤn- heiten des Landes; vornemlich war eine Frauensperſon viel weißer von Farbe als wir ſie ſonſt in dieſen Inſeln uͤberall gefunden hatten. Ihre Haut war als weißes etwas fahlgraues Wachs anzuſehen, ohne daß etwa eine Krank- heit daran ſchuld geweſen waͤre, die dergleichen Farbe ſonſt wohl anzudeuten pflegt. Ihre ſchoͤnen ſchwarzen Augen und Haare contraſtirten damit vortreflich, und zogen ihr unſre einſtimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schoͤn- heit auch bald durch allerhand kleine Geſchenke; allein, ſtatt ſich an dieſen genuͤgen zu laſſen, ward ihre Liebe zum Putz und Flitterwerk nur deſto mehr er- regt, und ſie plagte einen jeden von uns, ſo lange ſie nur vermuthen konnte, daß wir noch eine einzige Coralle in der Taſche haͤtten. Einer von unſrer Geſellſchaft hielt zufaͤlligerweiſe ein kleines Vorhaͤngeſchloß in Haͤnden. Kaum fiel ihr dieſes in die Augen, ſo verlangte ſie es zu haben. Der Beſitzer ſchlugs ihr anfaͤnglich ab, da ſie aber nicht auf hoͤrte darum zu betteln, ließ er ſich endlich erweichen,
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in den Jahren 1772 bis 1775.
Flecke uͤber den ganzen Leib. Alles dieſes ſind, ihrem eignen Geſtaͤndniß nach,
unmittelbare Folgen des Soffes und folglich muͤſſen die Beſtandtheile der Pfeffer-
pflanze wohl die eigenthuͤmliche Eigenſchaft haben, daß ſie den Ausſatz hervorbrin-
gen. Außerdem aber gilt dieſe Wurzel, bey den Einwohnern aller dieſer Inſeln,
auch fuͤr ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Camerad-
ſchaft macht.
1773.
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Sobald wir abgeſpeißt hatten, machten ſich unſre Matroſen und Be-
dienten mit den uͤbriggebliebenen Brocken luſtig; und die Indianer, welche ſich
vorher bey unſrer Freygebigkeit ſo wohl befunden hatten, machten ihnen nun
die Cour. Doch waren die Matroſen nur gegen die huͤbſchen Maͤdchen
gefaͤllig; und verlangten, vermoͤge ihres natuͤrlichen Hanges zur groben Sinn-
lichkeit, fuͤr jeden Biſſen Fleiſch, bald dieſe, bald jene Unanſtaͤndigkeit.
Um die Freuden dieſes Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß
abermals ein Hiwa aufgefuͤhrt werden ſollte. Bey dieſem wurden wir in die
Couliſſen oder ins Kleide-Zimmer gelaſſen, damit wir ſehen ſollten wie ſich die
Taͤnzerinnen ankleiden wuͤrden. Dieſe Erlaubniß brachte ihnen manches kleine
Geſchenk zuwege; ſo geriethen wir z. E. auf den Einfall ihren Kopfſchmuck
durch verſchiedene Schnuren von Corallen zu verſchoͤnern, womit ſie ganz wohl
zufrieden waren. Unter den Zuſchauern befanden ſich einige der groͤßten Schoͤn-
heiten des Landes; vornemlich war eine Frauensperſon viel weißer von Farbe
als wir ſie ſonſt in dieſen Inſeln uͤberall gefunden hatten. Ihre Haut war
als weißes etwas fahlgraues Wachs anzuſehen, ohne daß etwa eine Krank-
heit daran ſchuld geweſen waͤre, die dergleichen Farbe ſonſt wohl anzudeuten
pflegt. Ihre ſchoͤnen ſchwarzen Augen und Haare contraſtirten damit vortreflich,
und zogen ihr unſre einſtimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schoͤn-
heit auch bald durch allerhand kleine Geſchenke; allein, ſtatt ſich an dieſen
genuͤgen zu laſſen, ward ihre Liebe zum Putz und Flitterwerk nur deſto mehr er-
regt, und ſie plagte einen jeden von uns, ſo lange ſie nur vermuthen konnte, daß
wir noch eine einzige Coralle in der Taſche haͤtten. Einer von unſrer Geſellſchaft
hielt zufaͤlligerweiſe ein kleines Vorhaͤngeſchloß in Haͤnden. Kaum fiel ihr dieſes
in die Augen, ſo verlangte ſie es zu haben. Der Beſitzer ſchlugs ihr anfaͤnglich
ab, da ſie aber nicht auf hoͤrte darum zu betteln, ließ er ſich endlich erweichen,
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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/362>, abgerufen am 16.02.2025.
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