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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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Forster's Reise um die Welt
1773.
Septem-
ber.
stande überließ er sich unsrer Vorsorge und unserm Schutze völlig unbesorgt.
Sein Vater war ein Mann von mittlern Alter; diesem gab Capitain Cook
ein Beil und einige andere Sachen von mindern Werthe zum Geschenk, wor-
auf er sehr gefaßt und ruhig wieder in sein Canot hinab stieg, ohne bey
der Trennung von seinem Sohn die geringste Betrübniß spühren zu lassen.
Kaum aber waren wir zum Rief hinaus, als ein Canot mit zwey oder drey
Indianern nachkam, die den Burschen, in des Königs O-Tuh Namen, zurück fo-
derten, und einige Stücke Zeug bey sich hatten, welche sie dem Capitain dafür zum
Geschenk überbringen sollten. Weil sie jedoch das Eisenwerk nicht vorzeigen
konnten, welches wegen des armen Schelmen war verwandt worden, so muß-
ten sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Bursche, dessen Name
Porea war, sprach, vom Hintertheil des Schiffes aus, lange mit ihnen, und
sie ließen es gewiß an nichts fehlen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, denn,
so viel wir verstehen konnten, prophezeyten sie ihm den Tod, wenn er bey uns
bleiben würde; allein diese Drohungen machten ihn nicht wankend. Als aber
das Canot wieder nach der Insel zurückkehrte, konnte er sich doch nicht enthalten,
seinen Cameraden noch lange mit sehnsuchtsvollen Blicken nachzusehen, und ward
endlich so wehmüthig, daß er sich durch einen Strohm von Thränen Luft
schaffen mußte. Um diese traurige Stimmung zu unterbrechen, ließen wir
ihn in die Cajütte kommen, wo er uns höchst betrübt vorklagte, daß er nun
ganz gewiß sterben müsse, und daß sein Vater seinen Verlust schmerzlich bewei-
nen werde. Capitain Cook und mein Vater trösteten ihn, und versprachen,
daß sie Vaters Stelle an ihm vertreten wollten. Auf diese Versicherung fiel er ih-
nen um den Hals, küßte und drückte sie und gerieth mit einem male aus der
äußersten Verzweiflung in einen hohen Grad von Freude und Lustigkeit.
Beym Untergang der Sonne aß er sein Abendbrod und legte sich alsdenn auf
den Boden der Cajüte nieder; da er aber sahe daß wir uns noch nicht zur
Ruhe begaben, so stand er wieder auf und blieb bey uns bis wir ebenfalls zu
Nacht gegessen hatten.

Es that uns ungemein leid, daß wir diese herrliche Insel jetzt schon verlassen
sollten, eben da wir mit den glücklichen Bewohnern derselben erst recht bekannt zu
werden anfiengen; denn unser Aufenthalt hatte in allem nur vierzehn Tage gedauert,

Forſter’s Reiſe um die Welt
1773.
Septem-
ber.
ſtande uͤberließ er ſich unſrer Vorſorge und unſerm Schutze voͤllig unbeſorgt.
Sein Vater war ein Mann von mittlern Alter; dieſem gab Capitain Cook
ein Beil und einige andere Sachen von mindern Werthe zum Geſchenk, wor-
auf er ſehr gefaßt und ruhig wieder in ſein Canot hinab ſtieg, ohne bey
der Trennung von ſeinem Sohn die geringſte Betruͤbniß ſpuͤhren zu laſſen.
Kaum aber waren wir zum Rief hinaus, als ein Canot mit zwey oder drey
Indianern nachkam, die den Burſchen, in des Koͤnigs O-Tuh Namen, zuruͤck fo-
derten, und einige Stuͤcke Zeug bey ſich hatten, welche ſie dem Capitain dafuͤr zum
Geſchenk uͤberbringen ſollten. Weil ſie jedoch das Eiſenwerk nicht vorzeigen
konnten, welches wegen des armen Schelmen war verwandt worden, ſo muß-
ten ſie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Burſche, deſſen Name
Porea war, ſprach, vom Hintertheil des Schiffes aus, lange mit ihnen, und
ſie ließen es gewiß an nichts fehlen, ihn von ſeinem Vorhaben abzubringen, denn,
ſo viel wir verſtehen konnten, prophezeyten ſie ihm den Tod, wenn er bey uns
bleiben wuͤrde; allein dieſe Drohungen machten ihn nicht wankend. Als aber
das Canot wieder nach der Inſel zuruͤckkehrte, konnte er ſich doch nicht enthalten,
ſeinen Cameraden noch lange mit ſehnſuchtsvollen Blicken nachzuſehen, und ward
endlich ſo wehmuͤthig, daß er ſich durch einen Strohm von Thraͤnen Luft
ſchaffen mußte. Um dieſe traurige Stimmung zu unterbrechen, ließen wir
ihn in die Cajuͤtte kommen, wo er uns hoͤchſt betruͤbt vorklagte, daß er nun
ganz gewiß ſterben muͤſſe, und daß ſein Vater ſeinen Verluſt ſchmerzlich bewei-
nen werde. Capitain Cook und mein Vater troͤſteten ihn, und verſprachen,
daß ſie Vaters Stelle an ihm vertreten wollten. Auf dieſe Verſicherung fiel er ih-
nen um den Hals, kuͤßte und druͤckte ſie und gerieth mit einem male aus der
aͤußerſten Verzweiflung in einen hohen Grad von Freude und Luſtigkeit.
Beym Untergang der Sonne aß er ſein Abendbrod und legte ſich alsdenn auf
den Boden der Cajuͤte nieder; da er aber ſahe daß wir uns noch nicht zur
Ruhe begaben, ſo ſtand er wieder auf und blieb bey uns bis wir ebenfalls zu
Nacht gegeſſen hatten.

Es that uns ungemein leid, daß wir dieſe herrliche Inſel jetzt ſchon verlaſſen
ſollten, eben da wir mit den gluͤcklichen Bewohnern derſelben erſt recht bekannt zu
werden anfiengen; denn unſer Aufenthalt hatte in allem nur vierzehn Tage gedauert,

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[274/0329] Forſter’s Reiſe um die Welt ſtande uͤberließ er ſich unſrer Vorſorge und unſerm Schutze voͤllig unbeſorgt. Sein Vater war ein Mann von mittlern Alter; dieſem gab Capitain Cook ein Beil und einige andere Sachen von mindern Werthe zum Geſchenk, wor- auf er ſehr gefaßt und ruhig wieder in ſein Canot hinab ſtieg, ohne bey der Trennung von ſeinem Sohn die geringſte Betruͤbniß ſpuͤhren zu laſſen. Kaum aber waren wir zum Rief hinaus, als ein Canot mit zwey oder drey Indianern nachkam, die den Burſchen, in des Koͤnigs O-Tuh Namen, zuruͤck fo- derten, und einige Stuͤcke Zeug bey ſich hatten, welche ſie dem Capitain dafuͤr zum Geſchenk uͤberbringen ſollten. Weil ſie jedoch das Eiſenwerk nicht vorzeigen konnten, welches wegen des armen Schelmen war verwandt worden, ſo muß- ten ſie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Der Burſche, deſſen Name Porea war, ſprach, vom Hintertheil des Schiffes aus, lange mit ihnen, und ſie ließen es gewiß an nichts fehlen, ihn von ſeinem Vorhaben abzubringen, denn, ſo viel wir verſtehen konnten, prophezeyten ſie ihm den Tod, wenn er bey uns bleiben wuͤrde; allein dieſe Drohungen machten ihn nicht wankend. Als aber das Canot wieder nach der Inſel zuruͤckkehrte, konnte er ſich doch nicht enthalten, ſeinen Cameraden noch lange mit ſehnſuchtsvollen Blicken nachzuſehen, und ward endlich ſo wehmuͤthig, daß er ſich durch einen Strohm von Thraͤnen Luft ſchaffen mußte. Um dieſe traurige Stimmung zu unterbrechen, ließen wir ihn in die Cajuͤtte kommen, wo er uns hoͤchſt betruͤbt vorklagte, daß er nun ganz gewiß ſterben muͤſſe, und daß ſein Vater ſeinen Verluſt ſchmerzlich bewei- nen werde. Capitain Cook und mein Vater troͤſteten ihn, und verſprachen, daß ſie Vaters Stelle an ihm vertreten wollten. Auf dieſe Verſicherung fiel er ih- nen um den Hals, kuͤßte und druͤckte ſie und gerieth mit einem male aus der aͤußerſten Verzweiflung in einen hohen Grad von Freude und Luſtigkeit. Beym Untergang der Sonne aß er ſein Abendbrod und legte ſich alsdenn auf den Boden der Cajuͤte nieder; da er aber ſahe daß wir uns noch nicht zur Ruhe begaben, ſo ſtand er wieder auf und blieb bey uns bis wir ebenfalls zu Nacht gegeſſen hatten. 1773. Septem- ber. Es that uns ungemein leid, daß wir dieſe herrliche Inſel jetzt ſchon verlaſſen ſollten, eben da wir mit den gluͤcklichen Bewohnern derſelben erſt recht bekannt zu werden anfiengen; denn unſer Aufenthalt hatte in allem nur vierzehn Tage gedauert,

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/329>, abgerufen am 15.08.2024.