Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.in den Jahren 1772 bis 1775. war nunmehro von jener Größe, die ihren Namen in der Geschichte dieses1773.Septem- ber. Landes und unter den Europäern ehemals so berühmt gemacht hatte, gänzlich herabgesunken. *) Hieran waren vornemlich die innerlichen Kriege zwischen den beyden Halbinseln schuld, denn durch diese war Sie, und der ganze District Pa- parra, in großen Verfall gerathen. Sie klagte gegen den Lieutenant, daß sie tihtih (arm) sey, und ihren Freunden, den Europäern, nicht einmal ein Schwein zu schenken vermögte. Da auf solche Weise von ihr nichts zu er- warten war, so gieng er am folgenden Morgen nach Paparra zurück, und be- suchte daselbst den vorigen Gemahl, der O-Purea, Namens Ammo, der seit- dem eine der hübschesten jungen Mädchen im Lande genommen hatte, für seine Person aber alt und unthätig geworden war. Seine Schöne schenkte unsern Leu- ten ein Schwein, und gesellte sich, als sie abreisen wollten, nebst einigen ihrer weiblichen Bedienten zu ihnen, fuhr auch den ganzen Tag über getrost mit in unserm Boote; indeß ihr eignes Canot neben her ging, um sie wieder zurückzu- bringen. Sie schien ungemein neugierig zu seyn und mußte wohl nie Euro- päer gesehen haben; denn unter andern zweifelte sie, ob solche in allen Stücken wie ihre Landsleute beschaffen wären, bis ihr der Zweifel ganz förmlich, durch klaren Augenschein, benommen ward. Mit dieser ihrer Begleiterin landeten sie endlich zu Attahuru, woselbst ein angesehener Befehlshaber, Namens Potatau **) sie gut aufnahm und in seinem Hause die zweyte Nacht über beher- bergte. Auch dieser hatte sich von seiner Frau Polatehera geschieden und eine jüngere genommen, immittelst jene sich ebenfalls einen neuen Liebhaber oder Mann zugelegt hatte; doch lebten beyde Theile, dieser Familien-Veränderung ohngeachtet, so friedlich als je, noch immer unter einem Dache. Am folgen- den Morgen ließ sich Potatau gegen Herrn Pickersgill verlauten, daß er ihn gern nach Matavai begleiten würde, um Capitain Cook zu besuchen, wenn er nur gewiß wäre, von diesem gut aufgenommen zu werden? Das könnte ihm Herr Pickersgill allerdings gewiß versprechen; Potatau aber zog, meh- rerer Sicherheit wegen, ein Paar gelbe Federn hervor, band sie in einen kleinen Busch zusammen, und bath Herrn Pickersgill, solchen in der Hand *) S. Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. erster Band, pag. 236. u. folg. Imgleichen zweyter Band, pag. 151. 152. 164. u. 173. etc. **) S Hawkesworths Geschichte der engl. See-Reisen, in 4. zweyter Band, pag. 169.
in den Jahren 1772 bis 1775. war nunmehro von jener Groͤße, die ihren Namen in der Geſchichte dieſes1773.Septem- ber. Landes und unter den Europaͤern ehemals ſo beruͤhmt gemacht hatte, gaͤnzlich herabgeſunken. *) Hieran waren vornemlich die innerlichen Kriege zwiſchen den beyden Halbinſeln ſchuld, denn durch dieſe war Sie, und der ganze Diſtrict Pa- parra, in großen Verfall gerathen. Sie klagte gegen den Lieutenant, daß ſie tihtih (arm) ſey, und ihren Freunden, den Europaͤern, nicht einmal ein Schwein zu ſchenken vermoͤgte. Da auf ſolche Weiſe von ihr nichts zu er- warten war, ſo gieng er am folgenden Morgen nach Paparra zuruͤck, und be- ſuchte daſelbſt den vorigen Gemahl, der O-Purea, Namens Ammo, der ſeit- dem eine der huͤbſcheſten jungen Maͤdchen im Lande genommen hatte, fuͤr ſeine Perſon aber alt und unthaͤtig geworden war. Seine Schoͤne ſchenkte unſern Leu- ten ein Schwein, und geſellte ſich, als ſie abreiſen wollten, nebſt einigen ihrer weiblichen Bedienten zu ihnen, fuhr auch den ganzen Tag uͤber getroſt mit in unſerm Boote; indeß ihr eignes Canot neben her ging, um ſie wieder zuruͤckzu- bringen. Sie ſchien ungemein neugierig zu ſeyn und mußte wohl nie Euro- paͤer geſehen haben; denn unter andern zweifelte ſie, ob ſolche in allen Stuͤcken wie ihre Landsleute beſchaffen waͤren, bis ihr der Zweifel ganz foͤrmlich, durch klaren Augenſchein, benommen ward. Mit dieſer ihrer Begleiterin landeten ſie endlich zu Attahuru, woſelbſt ein angeſehener Befehlshaber, Namens Potatau **) ſie gut aufnahm und in ſeinem Hauſe die zweyte Nacht uͤber beher- bergte. Auch dieſer hatte ſich von ſeiner Frau Polatehera geſchieden und eine juͤngere genommen, immittelſt jene ſich ebenfalls einen neuen Liebhaber oder Mann zugelegt hatte; doch lebten beyde Theile, dieſer Familien-Veraͤnderung ohngeachtet, ſo friedlich als je, noch immer unter einem Dache. Am folgen- den Morgen ließ ſich Potatau gegen Herrn Pickersgill verlauten, daß er ihn gern nach Matavai begleiten wuͤrde, um Capitain Cook zu beſuchen, wenn er nur gewiß waͤre, von dieſem gut aufgenommen zu werden? Das koͤnnte ihm Herr Pickersgill allerdings gewiß verſprechen; Potatau aber zog, meh- rerer Sicherheit wegen, ein Paar gelbe Federn hervor, band ſie in einen kleinen Buſch zuſammen, und bath Herrn Pickersgill, ſolchen in der Hand *) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. erſter Band, pag. 236. u. folg. Imgleichen zweyter Band, pag. 151. 152. 164. u. 173. ꝛc. **) S Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, pag. 169.
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in den Jahren 1772 bis 1775.
war nunmehro von jener Groͤße, die ihren Namen in der Geſchichte dieſes
Landes und unter den Europaͤern ehemals ſo beruͤhmt gemacht hatte, gaͤnzlich
herabgeſunken. *) Hieran waren vornemlich die innerlichen Kriege zwiſchen den
beyden Halbinſeln ſchuld, denn durch dieſe war Sie, und der ganze Diſtrict Pa-
parra, in großen Verfall gerathen. Sie klagte gegen den Lieutenant, daß
ſie tihtih (arm) ſey, und ihren Freunden, den Europaͤern, nicht einmal ein
Schwein zu ſchenken vermoͤgte. Da auf ſolche Weiſe von ihr nichts zu er-
warten war, ſo gieng er am folgenden Morgen nach Paparra zuruͤck, und be-
ſuchte daſelbſt den vorigen Gemahl, der O-Purea, Namens Ammo, der ſeit-
dem eine der huͤbſcheſten jungen Maͤdchen im Lande genommen hatte, fuͤr ſeine
Perſon aber alt und unthaͤtig geworden war. Seine Schoͤne ſchenkte unſern Leu-
ten ein Schwein, und geſellte ſich, als ſie abreiſen wollten, nebſt einigen ihrer
weiblichen Bedienten zu ihnen, fuhr auch den ganzen Tag uͤber getroſt mit in
unſerm Boote; indeß ihr eignes Canot neben her ging, um ſie wieder zuruͤckzu-
bringen. Sie ſchien ungemein neugierig zu ſeyn und mußte wohl nie Euro-
paͤer geſehen haben; denn unter andern zweifelte ſie, ob ſolche in allen Stuͤcken
wie ihre Landsleute beſchaffen waͤren, bis ihr der Zweifel ganz foͤrmlich, durch
klaren Augenſchein, benommen ward. Mit dieſer ihrer Begleiterin landeten
ſie endlich zu Attahuru, woſelbſt ein angeſehener Befehlshaber, Namens
Potatau **) ſie gut aufnahm und in ſeinem Hauſe die zweyte Nacht uͤber beher-
bergte. Auch dieſer hatte ſich von ſeiner Frau Polatehera geſchieden und eine
juͤngere genommen, immittelſt jene ſich ebenfalls einen neuen Liebhaber oder
Mann zugelegt hatte; doch lebten beyde Theile, dieſer Familien-Veraͤnderung
ohngeachtet, ſo friedlich als je, noch immer unter einem Dache. Am folgen-
den Morgen ließ ſich Potatau gegen Herrn Pickersgill verlauten, daß er
ihn gern nach Matavai begleiten wuͤrde, um Capitain Cook zu beſuchen, wenn
er nur gewiß waͤre, von dieſem gut aufgenommen zu werden? Das koͤnnte
ihm Herr Pickersgill allerdings gewiß verſprechen; Potatau aber zog, meh-
rerer Sicherheit wegen, ein Paar gelbe Federn hervor, band ſie in einen
kleinen Buſch zuſammen, und bath Herrn Pickersgill, ſolchen in der Hand
1773.
Septem-
ber.
*) S. Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. erſter Band, pag. 236.
u. folg. Imgleichen zweyter Band, pag. 151. 152. 164. u. 173. ꝛc.
**) S Hawkesworths Geſchichte der engl. See-Reiſen, in 4. zweyter Band, pag. 169.
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