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Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778.

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in den Jahren 1772 bis 1775.
erschlaffen würden. Außerdem ist die körperliche Reinlichkeit, welche daraus1773.
August.

entsteht, nicht nur eins der besten Verwahrungsmittel gegen faulende Krankhei-
ten; sondern sie befördert zugleich die Geselligkeit unter dem Volk: Dahingegen
andre uncivilisirte Nationen, die nicht viel aufs Baden halten, meistens so un-
reinlich zu seyn pflegen, daß, schon deshalb ihrer nicht viel beysammen woh-
nen und, des Gestanks wegen, auch kein Fremder bey ihnen lange ausdauern
kann. -- Wir giengen nunmehro nach einer kleinen Hütte, in welcher eine arme
Witwe mit ihrer zahlreichen Familie lebte. Ihr ältester Sohn Nuna, ein
lebhafter, castanienbrauner Knabe von zwölf Jahren und ungemein glücklicher,
einnehmender Bildung, hatte jederzeit besondre Neigung zu den Europäern bli-
cken lassen. Dabey besaß er viel Fähigkeiten, denn wir durften zum Beyspiel nur ein
halbes Wort sagen, so begrif er was wir damit meynten, besser als seine Lands-
leute, bey welchen wir es oft mit unsrer ganzen Stärke in der Pantomime und
mit Hülfe aller Wörterbücher nicht so weit bringen konnten. Mit diesem Bur-
schen waren wir gestern Abend eins geworden, daß er für heute unser Wegweiser
seyn sollte. Als wir ankamen, fanden wir seine Mutter, welche Cocosnüsse und andre
Lebensmittel für uns angeschaft hatte, auf den Steinen vor der Hütte sitzend, mit ih-
ren Kindern um sich her; davon das jüngste uns etwa vier Jahr alt dünkte. Sie
schien zwar noch munter genug zu seyn, hatte aber doch schon so viel Runzeln
im Gesicht, daß wir sie, in einem Lande wo die Mädchen so früh mannbar wer-
den als hier, nicht füglich mehr für die Mutter so kleiner Kinder halten konn-
ten. Mittlerweile kam eine jüngere wohlgestaltete Person von drey bis vier und
zwanzig Jahren herbey, welche wie wir erfuhren, Nuna's älteste Schwester war.
Nach dem Alter dieses Mädchens zu urtheilen, mogte also die Mutter nahe an
vierzig Jahr seyn, daß sie aber ungleich älter aussahe, ist in so fern nicht zu ver-
wundern, weil bekanntermaßen das andre Geschlecht in heißen Ländern durchge-
hends früher aufhört hübsch zu seyn als in kalten Gegenden. Hingegen ist das zu
verwundern, daß die hiesigen Weiber, ihrer frühen Mannbarkeit ohnerachtet,
gleichwohl zwanzig und mehr Jahre hinter einander fruchtbar bleiben! Diesen
Vorzug haben sie indessen, allem Anschein nach, der glücklichen Einfalt zu ver-
danken, in welcher sie ihr Leben mit Sorgen und Mangel unbekannt zubringen,

Forster's Reise u. d. W. erster Th. K k

in den Jahren 1772 bis 1775.
erſchlaffen wuͤrden. Außerdem iſt die koͤrperliche Reinlichkeit, welche daraus1773.
Auguſt.

entſteht, nicht nur eins der beſten Verwahrungsmittel gegen faulende Krankhei-
ten; ſondern ſie befoͤrdert zugleich die Geſelligkeit unter dem Volk: Dahingegen
andre unciviliſirte Nationen, die nicht viel aufs Baden halten, meiſtens ſo un-
reinlich zu ſeyn pflegen, daß, ſchon deshalb ihrer nicht viel beyſammen woh-
nen und, des Geſtanks wegen, auch kein Fremder bey ihnen lange ausdauern
kann. — Wir giengen nunmehro nach einer kleinen Huͤtte, in welcher eine arme
Witwe mit ihrer zahlreichen Familie lebte. Ihr aͤlteſter Sohn Nuna, ein
lebhafter, caſtanienbrauner Knabe von zwoͤlf Jahren und ungemein gluͤcklicher,
einnehmender Bildung, hatte jederzeit beſondre Neigung zu den Europaͤern bli-
cken laſſen. Dabey beſaß er viel Faͤhigkeiten, denn wir durften zum Beyſpiel nur ein
halbes Wort ſagen, ſo begrif er was wir damit meynten, beſſer als ſeine Lands-
leute, bey welchen wir es oft mit unſrer ganzen Staͤrke in der Pantomime und
mit Huͤlfe aller Woͤrterbuͤcher nicht ſo weit bringen konnten. Mit dieſem Bur-
ſchen waren wir geſtern Abend eins geworden, daß er fuͤr heute unſer Wegweiſer
ſeyn ſollte. Als wir ankamen, fanden wir ſeine Mutter, welche Cocosnuͤſſe und andre
Lebensmittel fuͤr uns angeſchaft hatte, auf den Steinen vor der Huͤtte ſitzend, mit ih-
ren Kindern um ſich her; davon das juͤngſte uns etwa vier Jahr alt duͤnkte. Sie
ſchien zwar noch munter genug zu ſeyn, hatte aber doch ſchon ſo viel Runzeln
im Geſicht, daß wir ſie, in einem Lande wo die Maͤdchen ſo fruͤh mannbar wer-
den als hier, nicht fuͤglich mehr fuͤr die Mutter ſo kleiner Kinder halten konn-
ten. Mittlerweile kam eine juͤngere wohlgeſtaltete Perſon von drey bis vier und
zwanzig Jahren herbey, welche wie wir erfuhren, Nuna’s aͤlteſte Schweſter war.
Nach dem Alter dieſes Maͤdchens zu urtheilen, mogte alſo die Mutter nahe an
vierzig Jahr ſeyn, daß ſie aber ungleich aͤlter ausſahe, iſt in ſo fern nicht zu ver-
wundern, weil bekanntermaßen das andre Geſchlecht in heißen Laͤndern durchge-
hends fruͤher aufhoͤrt huͤbſch zu ſeyn als in kalten Gegenden. Hingegen iſt das zu
verwundern, daß die hieſigen Weiber, ihrer fruͤhen Mannbarkeit ohnerachtet,
gleichwohl zwanzig und mehr Jahre hinter einander fruchtbar bleiben! Dieſen
Vorzug haben ſie indeſſen, allem Anſchein nach, der gluͤcklichen Einfalt zu ver-
danken, in welcher ſie ihr Leben mit Sorgen und Mangel unbekannt zubringen,

Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. K k
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[257/0310] in den Jahren 1772 bis 1775. erſchlaffen wuͤrden. Außerdem iſt die koͤrperliche Reinlichkeit, welche daraus entſteht, nicht nur eins der beſten Verwahrungsmittel gegen faulende Krankhei- ten; ſondern ſie befoͤrdert zugleich die Geſelligkeit unter dem Volk: Dahingegen andre unciviliſirte Nationen, die nicht viel aufs Baden halten, meiſtens ſo un- reinlich zu ſeyn pflegen, daß, ſchon deshalb ihrer nicht viel beyſammen woh- nen und, des Geſtanks wegen, auch kein Fremder bey ihnen lange ausdauern kann. — Wir giengen nunmehro nach einer kleinen Huͤtte, in welcher eine arme Witwe mit ihrer zahlreichen Familie lebte. Ihr aͤlteſter Sohn Nuna, ein lebhafter, caſtanienbrauner Knabe von zwoͤlf Jahren und ungemein gluͤcklicher, einnehmender Bildung, hatte jederzeit beſondre Neigung zu den Europaͤern bli- cken laſſen. Dabey beſaß er viel Faͤhigkeiten, denn wir durften zum Beyſpiel nur ein halbes Wort ſagen, ſo begrif er was wir damit meynten, beſſer als ſeine Lands- leute, bey welchen wir es oft mit unſrer ganzen Staͤrke in der Pantomime und mit Huͤlfe aller Woͤrterbuͤcher nicht ſo weit bringen konnten. Mit dieſem Bur- ſchen waren wir geſtern Abend eins geworden, daß er fuͤr heute unſer Wegweiſer ſeyn ſollte. Als wir ankamen, fanden wir ſeine Mutter, welche Cocosnuͤſſe und andre Lebensmittel fuͤr uns angeſchaft hatte, auf den Steinen vor der Huͤtte ſitzend, mit ih- ren Kindern um ſich her; davon das juͤngſte uns etwa vier Jahr alt duͤnkte. Sie ſchien zwar noch munter genug zu ſeyn, hatte aber doch ſchon ſo viel Runzeln im Geſicht, daß wir ſie, in einem Lande wo die Maͤdchen ſo fruͤh mannbar wer- den als hier, nicht fuͤglich mehr fuͤr die Mutter ſo kleiner Kinder halten konn- ten. Mittlerweile kam eine juͤngere wohlgeſtaltete Perſon von drey bis vier und zwanzig Jahren herbey, welche wie wir erfuhren, Nuna’s aͤlteſte Schweſter war. Nach dem Alter dieſes Maͤdchens zu urtheilen, mogte alſo die Mutter nahe an vierzig Jahr ſeyn, daß ſie aber ungleich aͤlter ausſahe, iſt in ſo fern nicht zu ver- wundern, weil bekanntermaßen das andre Geſchlecht in heißen Laͤndern durchge- hends fruͤher aufhoͤrt huͤbſch zu ſeyn als in kalten Gegenden. Hingegen iſt das zu verwundern, daß die hieſigen Weiber, ihrer fruͤhen Mannbarkeit ohnerachtet, gleichwohl zwanzig und mehr Jahre hinter einander fruchtbar bleiben! Dieſen Vorzug haben ſie indeſſen, allem Anſchein nach, der gluͤcklichen Einfalt zu ver- danken, in welcher ſie ihr Leben mit Sorgen und Mangel unbekannt zubringen, 1773. Auguſt. Forſter’s Reiſe u. d. W. erſter Th. K k

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Zitationshilfe: Forster, Georg: Johann Reinhold Forster's [...] Reise um die Welt. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forster_reise01_1778/310>, abgerufen am 22.11.2024.